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Die letzten beiden 23 Tonnen schweren Stahlsegmente eingebaut / Sommer 2013 Inbetriebnahme 10.30 Uhr Brückenschlag: Schönebeck hat seit gestern eine neue Elbüberquerung

Von Olaf Koch 02.11.2012, 02:13

Vereinigung in Schönebeck: Die beiden letzten Stahlsegmente der neuen Elbbrücke wurden gestern eingesetzt. Demnächst wird die Fahrbahndecke aufgebracht. Im Sommer nächsten Jahres soll der Verkehr planmäßig rollen.

Schönebeck l Ob Minister, Oberbürgermeister oder die zahlreichen Pressevertreter: An ihm müssen alle vorbei. Ein Bagger hat sich in der Zufahrt zur neuen Brückebaustelle mitten im Weg postiert. Die schwere Schaufel des Fahrzeuges baumelt im Weg und lässt keine der silbergrauen und schwarzen Karossen passieren. "Fahr deine Karre hier weg", ruft der Fahrer einem Fotografen erbost hinterher. Was sich der Pressefuzzi auch einbildet, auf des Baggerfahrers Baustelle rumzutrampeln?

Doch irgendwann resigniert der kleine Mann, und ihm wird klar: Das hier ist heute wohl doch ein großer Termin. Schon für 8.45 Uhr hat Sachsen-Anhalts Bauminister Thomas Webel (CDU) eingeladen: Brückenschlag. Die letzten beiden Stahlsegmente sollen den Vorlandbau von der Schönebecker Seite zum Brückenlager auf der Grünewalder Seite verbinden. Zahlreiche Schaulustige haben sich früh den besten Platz gesucht. Die Stative der Kameras sind aufgebaut.

Oben auf der Brücke bereiten die Bauarbeiter das Einschweben der sogenannten Schüsse vor. Schuss 11A und Schuss 11B sollen montiert werden und so für eine neue feste Verbindung über die Elbe sorgen. Als "Schuss" bezeichnet der Brückenfachmann ein einzelnes Stahlsegment. Diesmal haben die Brückenbauer es mit wahren Leichtgewichten zu tun: Ein Schuss ist lediglich 13 Meter lang und wiegt 23 Tonnen. Die vorangegangenen Schüsse brachten mehr als das Doppelte auf die Waage.

Doch bevor der Autokran LTM 1200, der eine Traglast von 200 Tonnen hat, das erste Stahlsegment in die Luft bringen kann, sind noch eine Reihe von vorbereitenden Arbeiten nötig. Die im Werk Donges bei Darmstadt vorgefertigten Schüsse sind bereits angepasst gewesen. Dennoch befestigen die Arbeiter jetzt noch Schienen und Pressen, die eine schnellere Montage an die Brücke möglich machen.

Segment wird in leichter Schieflage angehängt

Unten auf den Elbwiesen finden sich immer mehr Schaulustige ein, die bei der Vereinigung dabei sein wollen. Es ist ein historischer Moment, wenn die letzten beiden Teile eingebracht werden. Seit April 2010 wird in drei Abschnitten die neue Elbquerung gebaut: an der südlichen Vorlandbrücke, die 493 Meter lang ist, an der nördlichen Vorlandbrücke mit einer Länge von 330 Metern und nun am imposantesten Teil, der 305 Meter langen Strombrücke.

Die Uhr zeigt 9.56 Uhr, als der Autodrehkran den ersten Schuss das erste Mal anhebt. Schnell zücken die Zuschauer ihre Kameras, doch müssen sie sie schnell wieder in die warmen Taschen verpacken. Der Grund, der von unten nicht zu sehen ist: Das tonnenschwere Stahlsegment hängt nicht ausgerichtet an den vier Ketten. Der Bauleiter legt die Wasserwage an. "Der Schuss muss eine Neigung von 2,5 Grad haben, weil die Brücke sich langsam auf die nördliche Vorlandbrücke eindreht", erklärt ein Arbeiter den fragenden Journalisten.

Auch Versuch 2 bringt noch keinen Erfolg, die Kettenglieder müssen nochmals neu eingehängt werden, so dass sich der Schuss erneut austariert. Eine halbe Stunde später hängt der Koloss am Haken, und der Bauleiter mit der Wasserwaage gibt grünes Licht. Um 10.25 Uhr dreht sich der Ausleger des Kranes um 180 Grad. Langsam lässt der Fahrer das Teil ab. Der neue Schuss wird wie die anderen zuvor auch mit Pressen und Gewindestangen auf der Strombrückenseite befestigt. "Das passt", ruft einer der Arbeiter ganz unspektakulär.

Aufmerksame Beobachter sind in diesem Moment Bauminister Thomas Webel und der Präsident der Landesstraßenbaubehörde, Uwe Langkammer. Während der Minister zufrieden in die Kameras lächelt und einem Arbeiter symbolisch die Hand schüttelt und höflich "Danke" sagt, zieht sich Uwe Langkammer unauffällig zurück. Er gibt im Gespräch mit der Volksstimme lieber einige Hintergrundinformationen: Warum sind zwischen dem Schuss und der Brücke noch etwa 80 Zentimeter Platz? "Das muss so sein", erklärt der Präsident der Straßenbaubehörde. "Das ist die sogenannte Fahrbahnüberwegskonstruktion. Die gibt es auf beiden Seiten der Brücke und soll Bewegungen ausgleichen."

Das Wetter wird schlechter, es beginnt zu regnen. Doch an eine Pause ist auf der Baustelle noch nicht zu denken. Ein zweiter Tieflader hat inzwischen den zweiten Schuss gebracht, der nun für das Einhängen vorbereitet wird. Nach 21 solcher Teile haben die Arbeiter ihre Erfahrungen. Sie freuen sich nach getaner Arbeit auf den Abend, denn dann werden sie vom Bauherren zum Essen eingeladen. Das muss sein.

Dritter Bauabschnitt kostet 38 Millionen Euro

Noch bis etwa Mitte des nächsten Jahres ist Zeit für die Restarbeiten. Dann werden für den etwa 2,7 Kilometer langen Abschnitt 38 Millionen Euro verbaut sein. Neben der verkehrlichen Bedeutung der Ortsumgehung, mit der die Stadt Schönebeck vom Durchgangsverkehr entlastet wird, ist die Verbindung von Natur und Brückenneubau vorbildhaft, erklärt Webel. "Im Zuge der Voruntersuchungen wurden insgesamt sieben einheimische Fledermausarten sowie 100 Vogelarten, davon 79 als Brutvögel, im Gebiet der künftigen Brücke festgestellt", fügt er hinzu. Bei der Planung seien die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes besonders berücksichtigt worden.

Sind die Arbeiten im Sommer 2013 beendet, dann hat dort wieder die Natur das Sagen - bis dahin aber der Baggerfahrer, der gestern Nachmittag die Abfahrt der vielen Schaulustigen beobachtet wie ein Ornithologe seltsame Vögel.