24 Stunden 13 bis 14 Uhr: Psychologe auf vier Rädern
24-Stunden-Serie der Schönebecker Volksstimme: Von 13 bis 14 Uhr - Bei Taxiunternehmer Thomas Heieck in Schönebeck.
Schönebeck l Seit 28 Jahren ist Thomas Heieck auf den Straßen Deutschlands unterwegs. „Mein erstes Taxi war ein Moskwitsch“, erinnert er sich zurück. Seitdem ist er mit seinen Kollegen in Schönebeck und Umgebung im Einsatz. „Wir fahren die Kunden aber auch nach Halle, Leipzig, Berlin oder ins Erzgebirge“, sagt der Unternehmer, der auch schon Patienten mit seinem Taxi bis nach Köln und weiter gefahren hat.
Die Zeiten der Fahrten in der Nacht nach Partys seien vorbei. „Vor allem in Schönebeck, doch generell haben die meisten Veranstalter einen Shuttle-Service“, sagt Heieck. Damit sei der Taxifahrer in gewisser Weise überflüssig geworden. Aus diesem Grunde hat er auch nur einen Mann an den normalen Wochentagen nachts und an Wochenenden nur zwei Mann im Einsatz.
„Früher sind die Leute auch noch zum Spaß Taxi gefahren, heute ist das nicht mehr so“, blickt er zurück. Vielmehr sind die Tagesschichten in den Vordergrund gerückt.
Das heißt, dass die Fahrer immer so im Einsatz sind, „wie die Arztpraxen geöffnet sind“, sagt Heieck und muss lachen. Denn immer mehr sind es die Senioren, die den Fahrservice in Anspruch nehmen und so zum Krankenhaus oder Facharzt gelangen.
Schicksale der Fahrgäste sind bewegend
Dadurch hat sich auch sein Tagesablauf verändert. „Ich fahre nur noch sehr selten“, gibt er zu, „auch, weil ich keine Zeit mehr habe.“ Allein die Krankenfahrten muss Thomas Heieck bei den über 100 Krankenkassen abrechnen. „Aber das ist gar nicht das Herausragende an diesen Touren“, schränkt er sofort ein. „Es sind die Schicksale, die wir auch durch die Städte und das Land fahren“, sagt er und zeigt auf einen Krankenkassenbeleg, wo auch das Alter der Patienten vermerkt ist. „Früher war das einfacher, da waren die älteren Menschen sozusagen weit weg, heute kommt man selbst in das Alter der Patienten“, sagt er mit leicht bedächtiger Stimme. Die zeitliche Nähe zu den Patienten, die die gelben Autos nutzen, wird immer geringer.
Der Fahrer ist auch als Psychologe gefragt. Schließlich seien die Fahrgäste heutzutage eben meistens krank und gebrechlich. „Da erlebt man einiges und bekommt ganze Lebensgeschichten mit.“ Als Taxifahrer ist man oft der erste Ansprechpartner nach einem Schicksalsschlag oder einer schlimmen Diagnose.
„Wir begleiten sie so auch durch eine schwere Krankheit hindurch und erleben es von Anfang an.“ Zum Beispiel von Beginn einer Chemotherapie an, wo man die Auswirkungen noch nicht so sieht, bis zum Ende der Behandlung. „Daher müssen wir auch eine ordentliche Menschenkenntnis und psychologisches Geschick haben“, erklärt er seinen Job.
Neben dem offensichtlich zwischenmenschlichen Geschick ist aber auch das nötige Fachwissen gefragt. Ein Taxifahrer muss einen Personenbeförderungsschein haben und die berühmte Ortskundeprüfung bestehen. „Ein Navi allein reicht heute nicht aus“, verdeutlicht Heieck.
Dazu müssen die angehenden Fahrer eine Testfahrt machen. Sie sollten alle öffentlichen Einrichtung in einer Stadt und die Adressen kennen. „In seiner Stadt sollte man jede Straße kennen“, fordert Thomas Heieck. Was wäre auch peinlicher, als wenn sich der Taxifahrer in seiner Heimat einmal komplett verfährt?
Neben dem Fahren müssen die Mitarbeiter von Heieck vor allem auch eines können: Warten. „Ich habe früher immer Bücher gelesen, heute gucken die Kollegen oftmals auch fernsehen oder lesen Zeitung“, so der Chef. Oder sie sitzen im eigens für die Taxifahrer hergerichteten Bistro gegenüber des Schönebecker Bahnhofs. Meistens warten sie dort, sagt Heieck. An den Taxiständen findet man sie kaum noch. „Im härtesten Fall müssen sie nach 4,5 Stunden Standzeit dort wegfahren, weil sie eine Pause machen müssen“, moniert Heieck. Diese Regelung sei nicht förderlich, so lange ein Fahrer in Bereitschaft am Taxistand steht, arbeitet er.