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Personalmangel Ameos im Salzlandkreis ist am Limit: Kliniken teilweise geschlossen

Ameos steht erneut in der Kritik. Der Krankenhausbetreiber soll wegen Personalmangels temporär alle drei Kliniken im Salzlandkreis abgemeldet haben – einschließlich der Notaufnahmen.

Von Olaf Koch Aktualisiert: 28.05.2021, 16:56
Die Mitarbeiten an den Amoes-Klinken im Salzlandkeis sind an der Belastungsgrenze. Häufig werden Rettungswagen mit Patienten in andere Landkreise geschickt. Ein Zustand, der auf Missbilligung trifft.
Die Mitarbeiten an den Amoes-Klinken im Salzlandkeis sind an der Belastungsgrenze. Häufig werden Rettungswagen mit Patienten in andere Landkreise geschickt. Ein Zustand, der auf Missbilligung trifft. Foto: Stephan Jansen/dpa

Schönebeck/Staßfurt - Die Vorwürfe sind schwerwiegend. Und sie sind so skurril, dass sie bei Licht betrachtet gar nicht wahr sein können: Demnach sollen Patienten in einer nicht näher genannten Notaufnahme von Ameos im Salzlandkreis nicht behandelt worden sein. Daraufhin soll die Polizei alarmiert worden sein, um eine Versorgung des Patienten zu erzwingen.

Ein Vorgang, den man nicht unbedingt in Mitteleuropa vermuten würde, sondern viel mehr in Staaten mit diktatorischen Systemen. Und trotzdem: Diese ungehörige Anschuldigung steht im Raum. Als die Volksstimme wegen der Brisanz den Vorsitzenden des Vorstands der Ameos-Gruppe in Zürich, Axel Paeger, um eine Stellungnahme bittet, kommt ein Abwinken: Darum möchte sich bitte die Region vor Ort kümmern. So wichtig scheint in Zürich diese Anklage wohl nicht zu sein.

Personaldecke ist zu kurz

So ist es Freddy Eppacher, der sich gemeinsam mit Maren Brandt den Volksstimme-Fragen stellt. Der eine ist der Regionalgeschäftsführer von Ameos Ost, die andere die Leiterin der Kommunikation Ost. Wortreich, aber durchaus nachvollziehbar macht Eppacher die Situation deutlich, die nicht nur auf einen Tag zu betrachten ist, sondern auf die gesamte Zeit der Corona-Pandemie. „Unser Mitarbeitenden sind am Limit“, verdeutlicht Freddy Eppacher.

Das ist nicht nur ein dahergesagter Satz, sondern eine Feststellung, die wohl auch jeder andere Krankenhausbetreiber nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern in Deutschland unterschreiben würde. „Es ist richtig, dass die Corona-Zahlen sinken. Aber nach der zweiten Welle im Winter haben sich nun viele Kranke entschieden, bisher verschobene Behandlungen und Operationen nachzuholen“, erklärt der Regionalgeschäftsführer.

Derzeit 200 Patienten mehr

So verzeichnet Ameos in der Region im Vergleich zum Februar rund 200 Patienten mehr. Diese Zunahme wirke sich sofort auf den Krankenhausalltag aus, so Eppacher. Vor allen dann, wenn die Personaldecke sowieso schon ziemlich knapp ist.

„Dann ist in der dritten Welle noch ein anderer Punkt hinzugekommen. Viele unserer Mitarbeitenden mussten für längere Zeit zu Hause bleiben, um Kinder zu betreuen, weil Kitas und Schulen geschlossen waren“, so Freddy Eppacher.

Das alles ist in der Summe den Kollegen anzumerken, die – laut Geschäftsführer – von Arbeit erschöpft sind und am Ende seien, aber trotzdem noch jeden Tag zum Dienst erscheinen. So ist es nun zu begründen, warum in der gegenwärtigen Situation einzelne Stationen oder ganze Häuser in Schönebeck, Aschersleben-Staßfurt und Bernburg für Stunden oder mehrere Tage von Krankenhaus-System abgemeldet werden. Die häufigste Begründung: Personalmangel beziehungsweise Überlastung.

Außergewöhnliche Belastung

Die außergewöhnliche Belastung der Mitarbeiter sieht auch der Salzlandkreis. „Sie haben über etliche Monate hinweg unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit die Patienten stationär versorgt“, macht der Sprecher des Landkreises, Marko Jeschor deutlich. Er sagt aber auch: „Die zuletzt wieder vermehrte Abmeldung von einzelnen Stationen und die damit verbundene Nicht-Verfügbarkeit spezieller Leistungen im Bereich der Notaufnahme sowohl tagsüber als auch häufiger nachts ist aus unserer Sicht nicht im Sinne einer qualitativ hochwertigen medizinisch-stationären Versorgung von Bürgern im Salzlandkreis.“

Dass Patienten aus dem Salzlandkreis regelmäßig außerhalb des Salzlandkreises notfallmedizinisch versorgt werden müssen, entspricht nicht den Erwartungen des Landkreises an eine hochmoderne und leistungsfähige Infrastruktur im stationär-medizinischen Bereich. Dieser Zustand wirkt sich zudem negativ auf den Rettungsdienst aus, da die Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfristen mitunter erschwert werden kann, so Jeschor.

Während man im Bernburger Kreistag wenigstens Wissen davon hat, dass Notaufnahmen von Ameos teilweise geschlossen sind und Patienten außerhalb des Landkreises behandelt werden müssen, ist man im Magdeburger Landtag ahnungslos und weiß nichts von den Problemen.

Das von Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) geführte Haus, die Schönebeckerin ist bekanntermaßen nicht unbedingt ein enger Freund von Amoes-Chef Axel Paeger, bricht trotzdem eine Lanze. Allgemein zumindest: „Aktuelle Studien zeigen, dass die Gesamtanzahl der in Deutschland behandelten Notfallpatienten kontinuierlich ansteigt. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass sich Patienten mit niedriger Dringlichkeitsstufe in der Notaufnahme vorstellen, was zu einer Überfüllung der Notaufnahmen führt.“

Wie das Problem lösen?

Wie kann das Problem gelöst werden? Irgendwie wirken die Erklärungen aus Bernburg und Magdeburg zahnlos wie der oft zitierte Tiger: In der Vergangenheit hat der Landkreis deutlich und mehrfach erklärt, dass er nach dem Verkauf der Salzlandkliniken an Amoes keine Zugriffsrechte besitzt. Auch hat der Gesetzgeber im Krankenhausgesetz des Landes keine Interventionsmöglichkeiten geschaffen, um als Aufsichtsbehörde eingreifen zu können. „Diese Lücke im Gesetz haben wir bereits vor Jahren angesprochen“, so Jeschor. Das Ministerium hat die Möglichkeit, die Krankenhäuser entsprechend anzuhören (mündlich oder schriftlich) und die Häufigkeit der Abmeldung sowie die Hintergründe zu erfragen ...

Vielleicht hat Axel Paeger in Zürich geahnt, dass das mit dem Polizeieinsatz an der Notaufnahme doch nicht so realistisch sein kann und hat darum den Vorgang aus der Schweiz nach Sachsen-Anhalt delegiert. Die Volksstimme fragt nach: Der Polizei in Bernburg sind zwar mehrere Polizeieinsätze an Kliniken im Kreis bekannt, diese stehen aber in keinem Zusammenhang mit der Nichtbehandlung von Patienten.