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Ameos Schwestern und Ärzte streiken in Schönebeck

Rund 140 Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte haben in Schönebeck für eine Bezahlung nach Tarif gestreikt.

Von Jan Iven 06.12.2019, 16:54

Schönebeck l Freitagvormittag in Schönebeck: Im Regen marschieren rund 140 Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte im Takt der Trommeln die Friedrichstraße hinunter in Richtung Marktplatz. „Wir sind laut, weil Ameos uns die Kohle klaut“, rufen sie. Passanten bleiben stehen und applaudieren. Autofahrer hupen, offenbar zur Unterstützung. Kaum einer Berufsgruppe dürfte die Bevölkerung eine angemessene Bezahlung so sehr gönnen wie dem Pflegepersonal.

Es ist der zweite Warnstreik in Schönebeck in vier Wochen, schon die ganze Woche über haben Kollegen in anderen Ameos-Kliniken in Staßfurt, Bernburg, Aschersleben und Haldensleben für eine Bezahlung nach dem öffentlichen Tarif gestreikt und demonstriert.

Mit der Privatisierung vor sieben Jahren wurden die Gehälter eingefroren, das Weihnachtsgeld abgeschafft und die Arbeitszeit auf 35 Stunden reduziert. 20 Kilometer weiter in Magdeburg verdienen Krankenschwestern inzwischen bis zu 500 Euro mehr. Die Gewerkschaft Verdi fordert die Rücknahme dieser Maßnahmen, doch der Ameos-Konzern will nicht einmal mit Verdi sprechen. Stattdessen werden die Mitarbeiter zu Einzelgespräche gebeten, in denen ihnen individuelle Angebote gemacht werden. Teilnehmer berichten, dass die Hälfte dieser Gespräche aus Drohungen bestanden haben sollen. Öffentlich kündigte Ameos bereits an, dass die Forderungen 800 Stellen kosten und Schließungen von ganzen Abteilungen nach sich ziehen würden. Rund neun Prozent will der Ameos-Konzern den Beschäftigten mehr zahlen, allerdings verteilt über die nächsten fünf Jahre.

Doch den Beschäftigten reicht das nicht. „Wir wollen keine Mogelpackung. Für uns ist der öffentliche Tarifvertrag die Leitwährung“, sagte Verdi-Sprecherin Manuela Hase. Leider seien die Drohungen von Ameos durchaus ernst zu nehmen. „Aber wir streiken trotzdem. Die Mitarbeiter von Enercon in Magdeburg haben nicht gestreikt und trotzdem sollen 1500 Leute entlassen werden“, so Manuela Hase. Zwar habe Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) grundsätzlich Recht damit, dass Verhandlungen Sache der Tarifparteien seien. „Aber wenn es zu solchen Fehlentwicklungen kommt und sich die Arbeitgeber allen Gesprächen verweigern, muss die Politik eingreifen“, so Hase.

Für die jetzige Misere gäbe es letztendlich nur eine Lösung: „Die kommunale Trägerschaft. Wenn Ameos überfordert ist, muss das Rad eben zurückgedreht werden“, fordert Manuela Hase und meinte damit die Privatisierung der Kliniken, die früher vom Kreis betrieben wurden. Verdi fordert damit nicht weniger als die Verstaatlichung der Krankenhäuser.

Beim Salzlandkreis wird diese Forderung nach einer Verstaatlichung allerdings eher skeptisch gesehen. „Die Rechtsordnung in Deutschland lässt eine solche Möglichkeit nicht zu. Insofern stellt sich die Frage für uns nicht“, teilte ein Sprecher des Salzlandkreises auf Nachfrage der Volksstimme mit. Etwas verklausuliert räumt die Kreisverwaltung auch ein, dass sie mit der Privatisierung ihren Einfluss verloren hat: „Es zeigt sich, dass der Salzlandkreis mit der Entscheidung des Kreistags 2010 zur Privatisierung vor dem Hintergrund der jährlichen Fehlbeträge die Steuerungsmöglichkeiten abgegeben hat.“

Auch mehrere Ärzte aus den Ameos-Kliniken sind zum ersten Mal beim Warnstreik dabei. „Liebe Krankenschwestern, ihr habt viele Opfer gebracht, doch eure Hoffnungen auf Verbesserungen wurden nicht erhöht“, sagte ein Schönebecker Arzt von der Interessenvertretung Marburger Bund. Die Arbeit des Personals würde immer mehr verdichtet. „Heute muss eine Schwester die Arbeit erledigen, die früher drei gemacht haben“, sagte der Mediziner. Die Politik müsse endlich etwas unternehmen, aber nicht auf Kosten des Personals. „Wir machen die Greta und sollten jetzt jede Woche streiken“, sagte der Arzt in Anspielung auf die Umweltbewegung Fridays for Future.

Verdi kündigte bereits an, dass am Montag wieder in Aschersleben gestreikt werden soll. Für Dienstag ruft die Gewerkschaft zu einem weiteren Streik in Schönebeck auf.