1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Ärger über übergelaufene Toiletten in Eickendorf: „Die Bude stinkt!“

Rohrreinigung Ärger über übergelaufene Toiletten in Eickendorf: „Die Bude stinkt!“

Zwei Wochen lang reinigte eine Firma die Kanäle von Eickendorf. Dabei sprudelte so manche Toilette über und verärgerte die Anwohner. Abwasserzweckverband und Reinigungsfirma weisen darauf hin, dass Eigentümer ihre Anlagen selbst gegen Rückstau sichern müssen.

Von Robert Gruhne 18.06.2021, 16:30

Eickendorf - Sven Kuhne ist aufgebracht, als er schildert, was ihm am Mittwoch passiert ist: „Bei mir kam heute alles aus der Toilette!“ Sein Bad und sein Gäste-WC standen unter Wasser – oder eher Abwasser. „Ich habe die Tür aufgemacht und gemerkt: Die Bude stinkt!“, ärgert er sich.

Kuhne wohnt in der Nordstraße in Eickendorf, wo in den letzten zwei Wochen eine Rohrreinigungsfirma unterwegs war. Ihr Auftrag: den Schmutzwasserkanal im kompletten Ort mit Hochdruck zu reinigen.

Laut Kuhne mit viel zu viel Druck. Nachdem er die Sauerei in seinen Sanitärräumen vorgefunden hatte, sprang er wütend ins Auto und fuhr den Kanalarbeitern hinterher. „Die haben aber nur großkotzig gesagt: Wir haben Sie doch informiert“, beschwert sich der Eickendorfer.

Ordnungsgemäße Anlage?

Marion Müller von der ausführenden Firma Rohrreinigung Molch aus Bernburg kann den Ärger nicht verstehen: „Wir sind extra hingefahren und haben in alle Brief-kästen Zettel verteilt.“ Darauf informiert das Unternehmen über den zweiwöchigen Zeitraum der Arbeiten und warnt: „Bei den Reinigungsarbeiten kann es im ungünstigsten Fall zu Rückstau kommen.“ Wenn man keine Rückschlagklappe habe, solle man Vorkehrungen treffen, um Wasserschäden zu vermeiden.

Den Zettel hat auch Sven Kuhne bekommen – im Gegensatz zu einigen Nachbarn, die seinen Angaben zufolge leer ausgingen. Kuhne hatte sich aber trotz Zettel keinen Kopf um seine Entwässerungsanlage gemacht. Bis zum Mittwoch.

Der Zettel nennt eine Maßnahme, die man treffen könne, um den Rückstau zu vermeiden. „Da steht, ich soll den Hausanschlussschacht öffnen. Aber soll ich den dann zwei Wochen offen stehen lassen?“, fragt Kuhne. Bei ihm komme noch hinzu, beklagt er sich, dass es überhaupt keinen Schacht gäbe.

Gegen Rückstau sichern

Jörg Theuerkauf, technischer Mitarbeiter beim Abwasserzweckverband Saalemündung, widerspricht: „Jeder hat so einen, in ganz Eickendorf gibt’s die.“ Der Verband hat die Rohrreinigungsfirma mit den Arbeiten beauftragt. Der Techniker erläutert: „Wenn die Anlage ordnungsgemäß ist, braucht keiner am Schacht die Abdeckung zu öffnen.“

Somit stellt sich die Frage, ob die Anlage von Sven Kuhne ausreichend gegen Rückstau gesichert ist. Das ist rechtlich gesehen klar Aufgabe des Eigentümers, nicht des Betreibers der Kanalisation.

Bei privaten Anlagen bedeute das laut Theuerkauf nach dem aktuellen Stand der Technik mindestens eine Dachentlüftung. Die sei zwar nicht vorgeschrieben, aber sorge dafür, dass Druck und Gase entweichen können. Zusätzlich kann eine Rückschlagklappe eingebaut werden.

„Wer das nicht einbaut, nimmt in Kauf, dass etwas Wasser wieder ins Haus kommen kann“, sagt Theuerkauf. Dass Kanalwasser dabei bis in die Wohnräume komme, weist Theuerkauf aber zurück: „Das Abwasser ist bei der Reinigung schon raus aus dem Kanal.“ Die Pfützen im Bad seien nur das Wasser aus den Geruchsverschlüssen.

„Es hat herrlich geduftet“

Viele hätten keine ordnungsgemäße Anlage, sagt Müller von der Rohrreinigungsfirma und fragt: „Was wollen wir da machen?“ Habe ein Haus weder Rückschlagklappe noch Dachentlüftung, müsse der Schacht geöffnet werden, damit die Luft entweichen könne. Dafür reichten schon ein paar Zentimeter. Die letzte Möglichkeit sei, einen Eimer auf die Toilette zu stellen.

Kuhne ist nicht der Einzige in Eickendorf, bei dem während der Reinigung Wasser aus der Toilette kam. Er weiß bisher von etwa zehn anderen Haushalten, denen es ähnlich ging. Viele würden sich jedoch nicht trauen, sich zu beschweren, und den Schlamassel einfach schnell wegwischen, meint Kuhne.

Wenn ein Haus weder Dachentlüftung noch Rückschlagklappe hat, muss der Hausanschlussschacht bei der Reinigung geöffnet werden. Beim Schacht von Kuhnes Mutter, die nebenan wohnt, wurde das nicht gemacht. Ergebnis auch hier: Überschwemmung.
Wenn ein Haus weder Dachentlüftung noch Rückschlagklappe hat, muss der Hausanschlussschacht bei der Reinigung geöffnet werden. Beim Schacht von Kuhnes Mutter, die nebenan wohnt, wurde das nicht gemacht. Ergebnis auch hier: Überschwemmung.
Fotos (2): Robert Gruhne

Unter den Betroffenen seien auch Häuser, die Rückschlagklappen hätten. „Ich habe so eine. Trotzdem stand es schön im Bad und hat herrlich geduftet“, sagt Lars Müller, ebenfalls aus Eickendorf. Er ist ähnlich sauer auf die Reinigungsfirma wie Kuhne. Theuerkauf vom Abwasserzweckverband meint dazu: „Wenn es eine alte mechanische Klappe ist, dann ist es möglich, dass etwas durchkommt. Die sind aber nicht zugelassen.“

Mehrere Häuser betroffen

Das Problem mit dem Rückstau scheint in den letzten Tagen in vielen Haushalten in Eickendorf vorgefallen zu sein. Auch Bürgermeister Bernd Nimmich (SPD) aus Eickendorf hatte leichte Erscheinungen, die er aber mit dem Eimertrick unter Kontrolle hielt.

Dass die Reinigung durchgeführt werde, sei richtig und wichtig, aber einen Punkt kritisiert auch Nimmich: „Man hätte die Arbeiten terminlich mehr eingrenzen können, nach Straßen.“ Zwei Wochen seien zu langfristig. Er habe die Arbeiten bei sich nur mitbekommen, weil er den Lkw morgens um 7 Uhr noch in der Straße sah. Ortsbürgermeister Marco Schmoldt (SPD) schließt sich dem an: „Ich sehe das kritisch, wenn die Firma zwei Wochen lang jeden Tag kommen kann.“

Zeitangaben zu ungenau

Marion Müller antwortet, eine tagesgenaue Information sei nicht möglich, da sich die Arbeiten auch häufig verzögerten. Und Müller bekräftigt, was schon Theuerkauf vom Abwasserzweckverband sagte: „Wenn man eine ordnungsgemäße Anlage hat, muss man gar nix machen.“

Es schadet demnach nicht, als Hausbesitzer regelmäßig zu überprüfen, ob die eigene Anlage noch gegen Rückstau gesichert ist. Die nächste Reinigung in Eickendorf ist nun aber erst wieder in 15 bis 20 Jahren. Das sei die Frist für solche Arbeiten, informiert der Abwasserzweckverband.

Weitere Orte an der Reihe

In der Gemeinde Bördeland war die Reinigungsfirma vor Eickendorf schon in Eggersdorf unterwegs. Als Nächstes ist der Ortsteil Biere an der Reihe. Hier sollen die Zettel in den nächsten Wochen verteilt werden, heißt es von den Rohrreinigern. Die anderen Ortsteile seien dann in den nächsten Jahren dran, teilt der Abwasserzweckverband mit.

Sven Kuhne hat den Schaden nun seiner Versicherung gemeldet. Ihm macht der Abwasserzweckverband dafür aber wenig Hoffnung, da die ordnungsgemäße Anlage Sache des Eigentümers sei. „Da zahlt keine Versicherung“, sagt Theuerkauf.

Kuhne fordert aber auch eine Entschädigung für den Stress und die Reinigungsmittel, die er verwenden musste. Viermal musste er seine Sanitärräume wischen „mit den schärfsten Keulen“, damit Wasser und Gestank weg waren. Vor allem aber will Kuhne Klärung zu seiner Abwasser-anlage: „Ich will mir das nicht gefallen lassen, sonst habe ich in ein paar Jahren wieder dieselbe Scheiße.“

Jörg Theuerkauf bietet an, sich die Entwässerungsanlage anzusehen und Sven Kuhne zu zeigen, wo der Schacht sein müsste. Manchmal passiere es, dass ein solcher von Eigentümern oder ihren Vorgängern überbaut werde. Nächste Woche wollen Kuhne und Theuerkauf gemeinsam auf die Suche gehen.