Ausstellung Erinnerungen an die Flut

Mit Originalutensilien erinnert der Burg- und Heimatverein Klein Rosenburg an die dramatischen Hochwassertage im Elbe-Saale-Winkel.

Von Thomas Linßner 13.06.2018, 03:30

Groß Rosenburg l Stellen Sie sich mal bitte folgendes Szenario vor: Sie kaufen sich in Wolfsburg ihr Traumauto, mit dem Sie schon lange geliebäugelt haben. Dann holen Sie es voller Freude ab und möchten damit fahren, fahren, fahren. Doch das geht nicht. Zuhause steigt das Hochwasser bedrohlich. Sie werden evakuiert, Ihr neues Auto muss in Sicherheit gebracht werden.

So erging es Bernd-Walter Wehling vor fünf Jahren. Er hatte sich einen VW-Tiguan gekauft und musste ihn kurz darauf seinem Schicksal überlassen. „Auf dem Burgberg standen ungefähr 120 Autos dicht an dicht. Man hatte seine Mühe, einen Parkplatz zu bekommen“, erinnerte sich der Groß Rosenburger. Das Gelände der historischen Burg war (und ist) der höchste Punkt weit und breit - vor dem drohenden Deichbruch hatten zahlreiche Rosenburger dort ihre Autos in Sicherheit gebracht.

Geschichten wie diese wurden aus der Erinnerung gekramt, als am Sonntag im kleinen Museum der Rosenburg eine „Hochwasserausstellung“ eröffnet wurde. Der Burg- und Heimatverein - zu dem auch Bernd Wehling gehört - erinnert damit an die dramatischen Ereignisse vom Juni 2013, als bei Breitenhagen der Deich brach.

Initiatorin und Vereinsvorsitzende Karin Keller und deren Helfer dokumentieren das Geschehen mit Hilfe zahlreicher Volksstimme-Ausgaben. Feierte der Burgverein noch Anfang Juni fröhlich sein 20-jähriges Bestehen, wurde die Heiterkeit wenige Tage später von Sorgenfalten abgelöst. Wurde am 4. Juni die Ruhe vor dem großen Sturm prognostiziert, gipfelte die Berichterstattung mit dem Deichbruch am 9. Juni und dessen schlimme Folgen.

Stadtwehrleiter Detlef August zählt zu den unmittelbaren Zeitzeugen jener Tage, die dicht am Geschehen waren. Er zählte zu den Wenigen, die auf dem Deich unweit des Breitenhagener Schöpfwerkes standen, als der sich aufzulösen begann. Anfangs habe man noch gehofft, dass er halten würde. Was sich aber als reiner Zweckoptimismus heraus stellte. „Es waren bis heute die dramatischsten Momente, die ich je erlebt habe“, so der gestandene Feuerwehrmann. Die Menschen aus den betroffenen Dörfern des südlichen Elbe-Saale-Winkels wurden nach Eggersdorf und Zuchau evakuiert, wenn sie nicht bei Bekannten oder Verwandten unterkamen. „Für Leute, die noch einmal dringend nach Hause mussten, weil sie Medikamente oder Haustiere vergessen hatten, fuhren wir mit der Feuerwehr in das gesperrte Gebiet“, erinnert sich Detlef August.

Was aber die absolute Ausnahme gewesen sei. Während auch sein Dorf Groß Rosenburg langsam absoff, campierte der ehrenamtliche Feuerwehrmann im „Hundefänger“, wie er seinen Kasten-Pkw nennt. Erst später kamen die Retter in einem Zuchauer Wohnblock unter. An diese Zeit hat der Stadtwehrleiter lebhafte Erinnerungen. „Was die damals in Zuchau geleistet haben, war sagenhaft.“ Das betreffe vor allen Dingen die Dorfgemeinschaft. Auch an das Wirken „seines“ Ortsbürgermeisters Michael Pietschker hat August gute Erinnerungen: „Der war der einzige Ortschef aus den abgesoffenen Dörfern, der täglich die Evakuierten aufsuchte und den Stand der Dinge verkündete.“

Am Rande der Ausstellung machten freilich weitere Episoden wie die von Bernd Wehlings „Autorettung“ die Runde. So hatte Hans-Jürgen Rupprich in Vorbereitung seines 50. Geburtstages am 19. Juni 2013 „mächtig eingekauft“. „In unserem Schuppen lagerten jede Menge Brause und Spirituosen, an die wir nach unserer Evakuierung ja nicht heran kamen“, erzählte der heute 54-Jährige. Dennoch blieb ein mulmiges Gefühl, dass sich in dessen Abwesenheit jemand daran vergreifen könnte.

„Das war aber eigentlich noch das geringste Problem verglichen mit dem, was die Leute damals ereilte“, so Hans-Jürgen Rupprich, der kurioser Weise damals als Trockenbauer sein Geld verdiente und im Anschluss sein Haus sanieren musste.

Die Ausstellung wird von typischen Utensilien ergänzt: Sandsäcke, Big Bags, Deichmarkierungsstäbe, Funkgeräte, Feuerwehrbekleidung oder ein paar „Knobelbechern“, an denen „noch der Originaldreck von damals klebt“, wie Karin Keller versicherte. Und, was nicht vergessen werden sollte: Auch die damals unverzichtbaren Fläschchen mit Mückenspray und Sonnenschutzlotion liegen in der Vitrine.