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Industriebrache Gummiwerk in der Schiller-Straße verschwindet / Einkaufsmeile soll entstehen Baustart mit fröhlichen Gesichtern

Von Ulrich Meinhard 05.10.2011, 06:41

Gestern war Baustart für ein neues Einkaufszentrum in der Schiller-Straße. Auf dem Gelände des einstigen VEB Gummiwerk "John Scheer" ist ab sofort der Abrissbagger am Werk. Knapp 8,4 Millionen Euro will ein Investor aus Nordrhein-Westfalen in das Projekt investieren. Die Kosten für die Entsorgung der hier erwarteten giftigen Altlasten übernimmt größtenteils das Land.

Schönebeck. "Ich bin an der Gummi." Karl-Heinz Ninnemann beantwortet ein eingehendes Handy-Telefonat. Mit seinem Fahrrad hat er in der Friedrich-Schiller-Straße einen Halt eingelegt. Eine illustre Gesellschaft tummelt sich auf dem verwaisten Firmengelände des einstiges Schönebecker Gummiwerkes. Seit fast 20 Jahren hat sich hier kein Rad mehr bewegt. Diese Zeiten sind nun vorbei. Allerdings Turnschuhe, so wie früher, werden hier nie wieder produziert werden. Eine Einkaufsmeile soll wachsen.

"Hier entsteht ein ganz wichtiges Zentrum, das Signalwirkung haben wird auf die gesamte Altstadt", begrüßt ein gutgelaunter Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase die Gäste des Tages. Er räumt ein, hier - in der Altstadt - "ist die Entwicklung noch nicht so verlaufen, wie wir uns das als Verwaltung und Stadtrat wünschen."

Unter denen, die seinen Worten lauschen, ist Bernd Deharde. Der Mann aus Nordrhein-Westfalen wird als Investor einen lang gehegten Traum von Michael Gremmes, dem Chef des hiesigen Stadtplanungsamtes, wahr werden lassen. Mit den Ruinen des ehemaligen Gummiwerkes verschwindet eine Industriebrache inmitten Schönebecks. Haase sieht das Ergebnis bereits voraus und sagt: "Wenn 2014 alles fertig ist, werden wir alle stolz sein können."

Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es eine Menge Arbeit. Die Stadträte Reinhard Banse und Norbert Franz (beide FDP-Fraktion) drehen nach dem Verklingen der frohen Worte eine Runde durch die maroden Hallen. Wo einst Betriebsamkeit herrschte, verrotten Maschinen und Material. Einen Eindruck vom noch vorhandenen Status quo vermitteln die nebenstehenden Bilder - und ein Video unter www.youtube.de, zu finden unter dem Stichwort Gummiwerk Schönebeck.

Natürlich teilen Banse und Franz die Freude über den Neubeginn. Ein wenig Wehmut empfinden beide dennoch beim Betrachten der wuchtigen Maschinen, die einst den Schuhsohlen die Form gaben. Museumswert dürften sie auf alle Fälle haben. "Aber so, wie es ist, ist hier nichts mehr zu gebrauchen. Es ist eher eine Gefahrenquelle", bilanziert Norbert Franz sachlich.

Draußen auf dem Betriebshof haben einige Gäste noch Sekt- oder Saftgläser in der Hand. Davon lässt sich Sven Tiedge nicht lange beirren. Der Mann von einer Kroppenstedter Firma, die Hauptauftragnehmer für die Abrissarbeiten ist - führt die Baggerschaufel bereits an die ersten ruinösen Wände.

Es staubt. Die Damen verlassen den Hof. Tiedges Chef Josef Wesseler lehnt gelassen an einem Container. "Aufträge dieser Art hatten wir schon viele in der Region", meint Wesseler im ruhigen Ton. Er, der gebürtige Osnabrücker, hat 1991 seine Firma in Kroppenstedt gegründet. "Mit einer Person, das war ich", grinst der ältere Herr. Heute beschäftigt er 90 Leute. Einige seiner Mitarbeiter sind in den kommenden Wochen mit der akkuraten Bereinigung des Gummiwerk-Geländes beschäftigt. Alles wird hier getrennt gesammelt: Holz, Gestein, Schrott, Plastik.

Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass auch toxische Stoffe die Reste des Werkes bilden. In einer Ölwanne schwimmt inmitten der schwarzen Brühe ein Firmenstempel aus hellem Holz. Ein ganz wichtiger Mann ist deshalb Martin Keil, der Geschäftsführer der Landesanstalt für Altlastenfreistellung. Die hat zugesichert, die Kosten für die Entsorgung giftiger Stoffe zu übernehmen. Lösungsmittelreste in Größenordnungen werden auf dem Gelände vermutet. Kein Investor könnte diesen Part übernehmen, ohne mit seinem Projekt in völliger Unwirtschaftlichkeit zu landen.

"Bis Januar, Anfang Februar werden die Abrissarbeiten andauern. Im Frühjahr beginnt die Bodensanierung und im Herbst der Baubetrieb", informiert Bernd Deharde über den Ablauf. Er ist bereits Verträge eingegangen mit Ketten wie Rewe, Aldi und Rossmann. "Wir hoffen freilich auf eine Komplettierung des Einzelhandelsspektrums", sagt Detlef Lorbeer vom Amt für Wirtschaftsförderung.

Am Rande des feierlichen Baustarts beobachtet noch immer Karl-Heinz Ninnemann die Szenerie. Ja, sagt er auf Nachfrage, er sei ein einstiger Gummiwerker. "Ich habe hier Betriebsschlosser gelernt und die Ausbildung sehr genossen. Später bin ich dann meinen Weg gegangen."