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Baustoff Kiesabbau mitten in der Stadt

Wo heute in Barby Wohnhäuser stehen, wurde vor 130 Jahren Baustoff gewonnen.

Von Thomas Linßner 15.04.2020, 14:46

Barby l Nur noch die alten Barbyer werden wissen, dass es auf dem Gelände des „Spittel“, an der Beckmann-/Ecke Schulzenstraße, die „Kietzkute“ gab. Gemeint ist ein Kiesloch, das bei Errichtung des nahen Hospitals St. Georgii (Altersheim) Ende des 19. Jahrhunderts erschlossen wurde, weil man den Kies für dessen Bau brauchte.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Mini-Kiesgrube zum schönen Biotop. Bei extremen Hochwassern trat die Elbe über die Ufer, sodass die nahe Schrebergartenanlage überschwemmt war. Was übrigens noch heute geschieht, wenn der Elbepegel steigt. Obacht sollten deswegen die Architekten des geplanten Supermarktes geben, der in der Gartenanlage „Erholung“ gebaut werden soll.

Besonders schlimm war es im Juni 2013, als das Drängewasser diesen Stadtteil bis zu 70 Zentimeter überflutete. Auch Teile des angrenzenden Friedhofs standen unter Wasser. Aktuell werden dort noch immer die Hochwasserschäden behoben. Neben dem Wegebau steht eine neue Friedhofsverwaltung kurz vor der Fertigstellung.

Doch zurück zu dem eigenwilligen Namen: Aus dem Begriff Kieskute wurde aus unerfindlichen Gründen „Kietzkute“. Heute stehen hier Wohnhäuser. Ein kleiner Folienteich erinnert an die zugeschüttete Grube.

Im „Spittel“ befindet sich heute der Sitz der Wohnungsbaugesellschaft Barby. Dessen Südgiebel zeigt noch heute Kriegsschäden des Zweiten Weltkrieges, wo 1944 in der Nähe eine „Luftmine“ die Dächer der Ostmarksiedlung abdeckte und deren Splitter die rote Klinkerfassade beschädigten. Die Schäden wurden mit Steinen eines anderen Farbtons ausgebessert, was man bis heute sieht.

Als „bedeutendste milde Stiftung in Barby“ bezeichnet Chronist Karl Höse 1913 das Hospital St. Georgii, das bis Anfang der 1990er Jahre als Altersheim genutzt wurde. Der neogotische Ziegelbau an der Calbenser Straße wurde 1892 eingeweiht. Ursprünglich stand das Hospital auf dem Friedhof, woran die sogenannte Hospitalkirche erinnert, die heute als Friedhofskapelle genutzt wird.

Im Hospital St. Georgii wurden alte oder kranke und gebrechliche Personen aufgenommen. Wer dort einziehen wollte, musste 150 Mark „Einkaufsgeld“ zahlen. Miete oder Betreuungsgeld waren gering, die Kirche und Stadt stellten für Arme Freibetten bereit. Auch der Lebensunterhalt der 20 Bewohner finanzierte sich durch Pachteinnahmen der Stiftung. Weitere Unterstützung in Form von Naturalien übernahm die Allgemeinheit: Das Domänengut spendete Brot und Kuchen und erlaubte die Nutzung seiner Obstplantagen. Weiterhin sammelte man die Kollekte bei Begräbnissen oder stellte eine Spendenbüchse auf. Bis in die 1870er Jahre ging ein sogenannter Klappmann durch Barby, der Geld und Brot für die Armen sammelte.

Die meisten Alten machten jedoch keinen Gebrauch von Hospitalplätzen, weil sie bis zu ihrem Lebensende in der Familie betreut wurden.

Seit Mitte der 1990er Jahre stehen auf dem Areal der „Kietzkute“ Häuser des sozialen Wohnungsbaus. Der Volksmund hatte gleich nach der Einweihung einen Spitznamen parat. Wegen ihrer einheitlichen Wüfel-Bauform werden die Häuser „Legoland“ genannt.