Neugierige lassen sich beim "Tag der Architektur" von Architektin durch den Marktneubau führen Besonderes Gebäude an exponierter Stelle
"Architektur leben" war das Motto des Tags der Architektur in Sachsen-Anhalt. In Schönebeck hat sich die Wohnungsbausgesellschaft mit dem Marktneubau beteiligt. Architektin Sylvia Schumann führte Neugierige.
Schönebeck l Die Köpfe der Besucher sind nach oben gereckt, die Blicke schweifen an den Fenstern und Gängen des lichten Innenhofes hinauf zur gläsernen Bedachung. Fragende Blicke, Staunen, Stirnrunzeln, zufriedenes Lächeln. Sylvia Schumann erfährt viele unterschiedliche Reaktionen bei ihrer Führung durch den Neubau am Markt. Die Architektin des Magdeburger Büros Kirchner Przyborowski führt rund 40 Neugierige durch das neue Haus. Zusammen mit ihren Kollegen hat sie das moderne Haus entworfen, geplant und die Bauarbeiten begleitet. Seit einem Jahr ist der Marktneubau fertig, 4,2 Millionen Euro hat die Städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWB) als Bauherrin investiert, damit 30 altersgerechte Wohnungen entstehen und im innerstädtischen Bereich ein ganz eigener, der Zeit gerechter Akzent gesetzt werden.
Die Ausführung des Hauses hat seit der ersten Präsentation bei einem Gestaltungswettbewerb zu teilweise kontroversen Diskussionen geführt. SWB und Architekturbüro nahmen den Tag der Architektur zum Anlass, nicht nur über den Marktneubau zu sprechen, sondern den Blick "hinter die Kulissen" zu bieten. "Die Architektenkammer tritt an die Architekten heran, gemeinsam überlegt man, was an so einem Tag gezeigt werden kann", sagt Sylvia Schumann. Es gehe genauso darum, moderne Baukunst in Sachsen-Anhalt an aktuellen Beispielen darzustellen, wie den Umgang mit historischem Bestand und die Verbindung von beidem - Alt und Neu - zu beleuchten.
Genau dieser Herausforderung stellten sich Sylvia Schumann und ihre Kollegen in Schönebeck. Es habe feste Parameter zur Orientierung bei der Gestaltung gegeben, sagt die Architektin. Sie spricht von Fassaden und Fenstern der Nachbarhäuser, von historischen Stadtkanten oder Giebelhöhen der nebenstehenden Bebauung. Alles spiegele sich in der Silhouette des neuen Hauses wider.
Vor drei Jahren habe sich die Architektin im Rahmen des Wettbewerbs intensiv mit dem Baugrundstück beschäftigt, das alte Kaufhaus stand da schon nicht mehr. Dann habe es doch noch eine ganze Weile gedauert, bis die Ausgangsidee zu einem echten Entwurf reifte. Heute, ein Jahr nach der Einweihung, sagt Sylvia Schumann: "Es ist genauso geworden, wie wir es uns vorgestellt haben und wie es sein sollte."
Besondere Herausforderung sei gewesen, den innerstädtischen Bereich zu gestalten, Stadträume erlebbar zu machen, sagt die 40-Jährige. So setzen sich Platzfolgen, vom Markt ausgehend, im Inneren mit dem Lichthof und dem kleinen Garten fort. Die Gebäudekubatur sei groß, aber durch unterschiedliche Fenster, durch die bewegte Fassade und das geschwungene Dach aufgelockert.
Sylvia Schumann freut sich, dass sie im Rahmen des Architekturtages der Landesarchitektenkammer Sachsen-Anhalts einen Einblick in das Werden des Markneubaus geben kann. Und dass sie einen so schönen Auftrag verwirklichen konnte. "Ein Haus, in so einer Stadt, an so einer exponierten Stelle entwerfen und bauen zu können, das ist etwas Besonderes." Dass es kritische Anmerkungen gibt, manche sogar ihr Missfallen ausdrücken, bringt die Architektin nicht aus der Fassung. "Geschmäcker sind verschieden. Damit muss man leben."
Dr. Moussa Traoré von der SBW zeigte sich am Ende der Führung stolz, Teil der sachsen-anhaltischen Landesroute beim Architekturtag gewesen zu sein. "Wir haben hier ein Gebäude, das mitten in der Stadt ganz präsent ist. Ein Haus, das sich aber auch nicht verstecken muss."