Innenminister Stahlknecht und Vize-Admiral Nielson inspizierten gestern Lödderitzer Problembereich Bundeswehr will den gefährdeten Deich retten
Schwerpunkt der Deichsicherung im Salzlandkreis ist Lödderitz. Der Breitenhagen-Akener Damm muss erhöht werden. Seit gestern sind 250 Soldaten der Bundeswehr im Einsatz.
Lödderitz/Breitenhagen l "Das sieht aus der Luft recht professionell aus", lobte Vize-Admiral Manfred Nielson, der zusammen mit Innenminister Holger Stahlknecht gestern Nachmittag in Lödderitz einflog. Vom Hubschrauber aus hatte der Inspekteur der Streiträftebasis einen guten Überblick auf das emsige Treiben am Boden. Dutzende Helfer füllten Sandsäcke, stielten Schippen auf, schraubten 100 neue Schubkarren zusammen.
Schubkarren?
"Weil die Deiche hier ein äußerst sensibler Bereich sind, werden die Säcke mit der Schubkarre transportiert."
"Weil die Deiche hier ein äußerst sensibler Bereich sind, werden die Säcke mit der Schubkarre transportiert", erklärte Oberstleutnant Oliver Esdar, der Befehlshaber vor Ort. Die Bundeswehr rückte gestern mit 250 Kräften an, die eine gute Kondition aufweisen müssen. Weil die Arbeit auf dem Lödderitzer Deich für freiwillige Helfer zu gefährlich wird, werden die Soldaten des Panzer-Pionierbatallions Havelberg die Säcke verlegen. Laut Einsatzleiter Christoph Jäger (Freiwillige Feuerwehr Groß Rosenburg) gibt es nur drei Zufahrten zu dem fast acht Kilometer langen Deichabschnitt. Teile davon führen durch die Kernzone des Bioshärenreservats, die in "normalen Zeiten" für den Mensch Tabu ist. Dort gibt es keine parallel verlaufenden Wege.
Also werden die 300000 (!) Sandsäcke - einer wiegt 15 Kilogramm - zu den drei Deichüberfahrten gebracht und von dort aus mit der Schubkarre transportiert. Den Soldaten dürften dabei die Arme immer länger werden, weil die Strecken über mehrere Kilometer gehen.
Zuerst müssen allerdings Wendeschleifen und Verbindungsstraßen zwischen den Zufahrtswegen geschottert werden. Die Bundeswehr rollt mit schwerem Gerät durch den Wald. Damit das reibungslos funktioniert und die Lkw einander nicht ausweichen müssen, sind "Aufschotterungen" erforderlich.
Auch Landrat Ulrich Gerstner war gestern vor Ort. Der Salzlandkreis hatte am Dienstag den Katastrophenfall ausgerufen, der den Einsatz der Bundeswehr ermöglicht. Wie Gerstner sagte, habe die Deichkrone zwischen Breitenhagen und Lödderitz unterschiedliche Höhen. Diese müssten mit Sandsäcken ausgeglichen werden.
Laut Innenminister Holger Stahlknecht werde die Hochwasserwelle heute Mittag Sachsen-Anhalt erreichen und bis Sonntagabend anhalten.
Schon in der Barbyer Krisenstabssitzung Dienstagabend wurde der Lödderitzer Deich als "Problembereich" bezeichnet. Hier war es im August 2002 beinahe zu einem Deichbruch gekommen. Mehrer hundert Helfer verlegten damals tausende Sandsäcke. An einer Stelle war vor elf Jahren der Deich wie ein Pudding in Bewegung geraten. Wäre es zu einem Bruch gekommen, hätte es Helfer-Opfer geben können.
Auch 2002 kam die Bundeswehr zum Einsatz, die zuerst zugewachsene Waldwege frei schnitt und mit Hubschraubern Säcke transportierte.
Die gesamte Koordinierung jeglichen Tuns südlich der Saale liegt bei der Einsatzleitung in Groß Rosenburg. Bei Wehrleiter Tino Puder und dessen Kameraden laufen die Fäden zusammen. Im Depot stehen kaum eine Minute Telefone und Handfunkgeräte still. Hier werden Sand und Tansporte koordiniert, freiwillige Helfer eingewiesen. "Wir sind froh, dass die Leute hier alle an einem Strick ziehen", sagte Stadtwehrleiter Detlef August. So stelle beispielsweise die Rosenburger Spedition Andreas Enderling mehrere Fahrzeuge zur Verfügung.
Der Betreuungszug des Arbeiter-Samariterbundes übernimmt in Rosenburg die Essenversorgung. Genutzt wird das Vereinhaus des Carnevals- und Kulturverein (RCV). Auch dort ist man nicht unter sich. "Sieben Frauen aus unserem Verein unterstützen sie in der Küche", informierte Ortsbürgermeister und Vereinsvorsitzender Michael Pietschker.
Den Rosenburger Einsatzleitkräften kommt nicht nur ihre hervorragende Ortskenntnis zugute, sondern auch die vielen persönlichen Kontakte zu potenziellen Helfern.