Wassersport Das Paddel im Wasser und das Ziel vor Augen
Eine Seefahrt, die ist lustig ... Und eine Paddeltour auf der Elbe bei Schönebeck auch. Davon hat sich die Redaktion selbst überzeugt.
Schönebeck l Es muss meine Guten-Tag-Kolumne über eine Kanu-Tour im Spreewald gewesen sein. Jedenfalls hat Ralf Arndt – seines Zeichens Abteilungsleiter Kanu bei Union 1861 – mir danach eine Paddeltour im Zehner-Wander-Canadier angeboten. Lag es an meiner Euphorie nach zehn Spreewald-Kanal-Minuten, ich könnte hauptberuflich Paddler werden? Wohl eher an der Erkenntnis nach weiteren zehn Minuten, wie anstrengend das doch ist und dass ich unbedingt mehr Übung brauche. Das lässt sich ein Ralf Arndt nicht zweimal sagen.
Ja, so muss es zu der Einladung gekommen sein. Und zack, sitze ich am ersten Januar-Sonnabend im Jahr 2020 im Kanu. Dick eingemummelt wie ein Michelin-Männchen, dazu eine Rettungsweste. Man weiß ja nie. Die anderen Paddelfreunde – insgesamt starten zwei Zehner-Canadier und zwei Wander-Kajaks – schmunzeln in sich hinein. Wie sie die Kanus mit den flotten Namen „Scholle“ und „Pinguin“ aus dem Bootshaus Delphin holen, zu Sitzkissen und Paddel greifen, zeigt mir: Sie machen das öfter. Dieses Mal haben sich mich, den Neuling, aber an der Backe. Zumindest das eine Boot. Aber Entwarnung: Ich fahre nur eine Strecke mit.
Es geht an diesem Tag nach Ranies. Entgegen dem Strom, aber mit Rückenwind. Von Elbkilometer 309,5 bis 304 – sprich 5,5 Kilometer. Gut anderthalb Stunden. Lassen Sie mich vorwegnehmen: Gefühlt viel mehr Kilometer und viel mehr Stunden. Als mir Ralf Arndt im Nachgang sagt, dass dies die Trainingsstrecke für die Kinder sei, die den Kanusport betreiben, staune ich innerlich nur, welche gute Kondition der Nachwuchs doch haben muss. Alle Achtung.
Zurück zur Tour. Wir starten hochmotiviert. Alle. Doch schon bald muss ich feststellen: Das Tempohalten kostet ganz schön viel Kraft. Ich kann nicht mal unbemerkt schwächeln. Klack, klack. Bin ich zu langsam, berührt mein Paddel entweder das vom Vordermann oder das vom Hintermann. Klack, klack – und alle wissen Bescheid, da kann jemand nicht so schnell wie er soll. Sofort merkt unser Steuermann Werner Herrler: Hier muss er motivierend eingreifen. „Und alle 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – zieht ...“
Ich muss sagen: Wenn wir im Takt sind – also ich die Zähne zusammenbeiße, für die anderen scheint es ja keine Anstrengung zu sein – ist es toll. Ein Dahingleiten auf der Elbe. Mal ist das Wasser etwas auftosend, mal ganz sanft und ruhig. Und mit jedem Paddelschlag wird der Kopf ein bisschen freier. Einfach nur schön ...
Wenn mich meine Untrainiertheit nur nicht immer wieder aus dem Kanu-Märchen reißen würde. Ich merke jeden Muskel, den ich anscheinend in meinen Armen nicht habe. Und die brauche ich, um mit genügend Schwung das Paddel durchzuziehen. Oh nein. Ich lerne an diesem Tag: Das Paddel wird ins Wasser gestochen. Im übertragenen Sinn steht es im Wasser und man zieht das Boot vorbei. Ist es in Fahrt, schafft man mit einem Schlag gut zwei, drei Meter. Nun gut, daran bin ich erfolgreich gescheitert. Denn das Reinstechen erfordert jede Menge Kraft. Ein leichtes Durchziehen entlang der Wasseroberfläche kann ich durchgehend garantieren, mehr leider nicht. Aber ein Anfang ist gemacht.
In einer kurzen, wirklich ganz kurzen Pause will ich dann das wissen, was wohl viele Nicht-Wassersportler immer gern verwechseln: „Eine blöde Frage.“ – „Es gibt keine blöden Fragen.“ – „Was unterscheidet Kanuten und Ruderer?“ – „Ist das eine blöde Frage ...“ Lachen im Kanu und dann die Erklärung: Ruderer rudern und zwar rückwärts – „Sie sehen die Kneipe erst, wenn sie vorbeigefahren sind“, sagt ein Mitpaddler. Die Kanuten paddeln – und zwar vorwärts. „Sie haben ihr Ziel immer vor Augen.“ Gut, hätten wir das auch geklärt.
Weiter geht es. Die fünfeinhalb Elbkilometer vom Bootshaus bis nach Ranies ziehen sich. Meine Arme werden immer schwerer und damit das Paddeln nicht leichter. Bei den anderen hingegen keine Ermüdungserscheinungen. Ganz im Gegenteil, als ob wir gerade eingestiegen sind. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen.
Denn wenn es klappt und nicht „klackt“, macht es sogar sehr viel Spaß. Läuft alles, bin ich motiviert bei der Sache. Da ist die fehlende Kondition zweitrangig.
Als ich hinterher Ralf Arndt frage, was ich hätte besser machen können, meint er nur: „Fünf Mal vorher trainieren. Wie greife ich das Paddel richtig, wie bewege ich es durch das Wasser – das ist reine Übungssache, keine Wissenschaft. Das schafft jeder.“
Er hat gut Reden. Seit seinem elften Lebensjahr paddelt der heute 55-Jährige. Obwohl er beim ersten Mal auch gescheitert ist, wie er zugibt. Ich horche auf – das beruhigt. Er hat sich ein zweites Mal getraut und ist seitdem Kanu-infiziert. Und seit 1980 Übungsleiter. Mit Leib und Seele und ganz viel Herzblut.
Die Rücktour müssen sie ohne mich meistern. Ich bin mir sicher, das Aus-Dem-Takt-Bringen wird ihnen fehlen.
Weiter geht es Richtung Ranies. Wir fahren die Buhnen aus. Es ist ein leichteres Vorankommen, als wenn wir die Elbe mittig mit der Hauptströmung nehmen würden. Der „Scholle“-Canadier ist schon angekommen, die einzelnen Kanuten auch. Das macht uns gar nichts, immerhin steht der Spaß im Vordergrund. 530 Schläge pro Kilometer hat Thoralf Winkler gezählt. Eine beachtliche Zahl. Obwohl es für mich gefühlt viel mehr gewesen sind.
Wir sichern die Boote und steuern die Gaststätte Zur Tanne an. Die Stärkung haben sich alle redlich verdient. Vom Wirt gibt es dann noch Eier. Das hat Tradition, erfahre ich. Die ersten Wassersportler im Jahr, die mit dem Boot nach Ranies kommen, erhalten einen Schock Eier. Das alte Zählmaß steht für 60 Stück gleich fünf Dutzend gleich ein Schock.
Vor dem Essen verabschiede ich mich. Die Rücktour müssen sie ohne mich schaffen. Sie schmunzeln. Ich bin mir sicher, das Klack-Klack, das Aus-Dem-Takt-Bringen wird ihnen fehlen.
Meinen Platz nimmt Robby Hutschenreuter ein. Ob er im Boot auch so gut für ein Durcheinander sorgen kann? Ich weiß ja nicht. Er macht einen kanuerfahrenen Eindruck.
Wie ich im Nachgang von Thoralf Winkler erfahre, geht es auf der Rücktour noch hoch her. Der starke Nordwestwind hat stellenweise zu halbmeterhohen Wellen geführt. Es ist auf- und abgegangen – mit der Strömung, aber gegen den Wind. Im Wetterbericht ist von 50 bis 60 Kilometer pro Stunde die Rede. Und auf den letzten 500 Meter vor dem Ziel fängt es auch noch an zu regnen. „Sportlich und abenteuerlich“, fasst er die Rückfahrt zusammen.
Als ich davon höre, bin ich unendlich dankbar, die angenehme Hintour mit absolviert zu haben. Mit Wellen habe ich es nämlich nicht so, wir sind keine Freunde. Ich werde schnell seekrank – auch auf der Elbe. Und dann hätten alle ihren „Spaß“ ...
Fazit: Auch wenn ich etwas unbeholfen gewirkt habe und auch war – Paddeln fetzt. Wenn alle im Takt mitmachen, ist es einfach nur schön. Mitten auf dem Wasser. Mitten in der Natur. Drumherum nichts als Ruhe. Zeit zum Nachdenken oder auch Zeit zum Kopf-Frei-Bekommen. Und nach regelmäßigen Übungseinheiten gibt es gratis Kondition und Muckis.
Ralf Arndt – danke für die Einladung! Ich wäre bei so einer Tour im Sommer gern mal wieder dabei. Vorher nehme ich ein paar Übungseinheiten, versprochen!
Haben Sie Lust auf Kanufahren bekommen? Ralf Arndt ist unter Telefon (03928) 40 30 61 erreichbar.