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Die Geschichte einer wundersamen Rettung Der alte Mann und der elegante Schwarze

Von Ulrich Meinhard 15.09.2011, 06:35

Der Schönebecker Friedrich Assmann gehört zu jener Sorte Menschen, die mit ihrer Offenheit und Fröhlichkeit die Gemüter anderer öffnen können. Der 88-Jährige kann zudem Geschichten erzählen. Sie stammen allesamt aus seinem eigenen Leben. Darin spielt auch ein eleganter Schwarzer eine Rolle. Den BMW 321, den Friedrich Assmann noch heute fährt, ist wahrscheinlich 1939 produziert worden. Ein echter Hingucker. Der BMW.

Schönebeck. Wenn er vorbei fährt, bleiben die Leute stehen. Friedrich Assmann wirkt mit seinem Oldtimer wie aus der Zeit gefallen. In der Schönebecker Ausgabe der Volksstimme vom 16. August sind der 88-Jährige und sein BMW 321 kurz vorgestellt worden. Die Reaktionen der Leser waren durchweg interessiert. Was für eine Geschichte verbirgt sich hinter Mann und Auto? Kann die nicht einmal umfassend erzählt werden? Doch. Kann sie.

Batteriesäure hatte die Karosserie zerfressen

"Dieser BMW", sagt Friedrich Assmann, "war ursprünglich ein Wehrmachtsfahrzeug." Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging er in den Besitz russischer Truppen über. Die Soldaten mit dem roten Stern an der Uniform fuhren das Auto auf Verschleiß, bis es den Dienst versagte. "Als ich das Fahrzeug das erste Mal sah und unter die Motorhaube schaute, lag die Batterie verkehrt herum. Die Batteriesäure war ausgelaufen und hatte Teile der Karosserie zerfressen. Man konnte mit dem Schraubenzieher durchstechen", erinnert sich der Schönebecker, der als junger Mann im Kriegseinsatz war. Er war als Navigator in Flugzeugen eingesetzt, kannte sich aber schon damals sehr gut mit Technik aus. "Ich entstamme einer Schönebecker Seiler-Familie. Wir haben zum Beispiel die Fischerflotte in Saßnitz mit Tagelage beliefert", eröffnet Assmann ein weiteres Erzählfenster.

Über verschlungene Umwege jedenfalls kam der BMW 321 schließlich nach Eggersdorf, später nach Zens. "Dort entdeckte ich ihn in den 1960er Jahren in einem Schuppen stehend wieder. Die Maschine war breit, aber fahrtüchtig war das Auto noch." Die Schönebecker Firma Semmler, die damals einen Linienbusverkehr betrieb und bei der Friedrich Assmann eine Anstellung gefunden hatte, übernahm den Schwarzen. Der Chef des Betriebes fand offenbar Gefallen am Gefährt. Dessen Kolben waren völlig hinüber, der Verbrauch an Benzin lag bei 20 Liter pro 100 Kilometer. Assmann besorgte über verschlungene Pfade, wie das zu DDR-Zeiten ohnehin häufig üblich war, neue Motorteile. Das technische Innenleben des BMW 321 erlebte eine völlige Verjüngungskur.

Viele Dienstfahrten und so manches Abenteuer

"Ich habe dann viele Dienstfahrten mit ihm gemacht und so manches Abenteuer erlebt", sagt Assmann. Zum Beispiel? "Ach, etwa bei der Rettung eines Busses, der in den Thüringer Bergen abzurutschen drohte. Die Koordination der Rettungsaktion lag mit in meinen Händen." Um die 40000 Kilometer pro Jahr legte der Schönebecker mit dem alten Wehrmachtsfahrzeug zurück. "Ich habe Material geholt. Und so weiter."

Im Jahr 1980 ging der BMW in den Besitz von Friedrich Assmann über. Seither ist er sein fahrbarer Untersatz, nachts über gut verwahrt in einer Garage. So manche Urlaubsfahrt haben er und seine Ehefrau im eleganten Schwarzen unternommen, bis nach Rostock und in den Süden der damaligen Deutschen Demokratischen Republik. An diese Zeiten erinnert sich Assmann, der seit einigen Jahren Witwer ist, besonders gern. Wenn er erzählt, huscht ein wehmütiges Lächeln über sein Gesicht. Die Verbindung zu seiner Ehefrau muss etwas ganz Besonderes gewesen sein. Ein Himmelsgeschenk. Eine intensive, lange und schöne Beziehung, vergleichbar mit der, die Friedrich Assmann mit seinem Auto unterhält. Wenn es daran etwas zu reparieren gab, hat er das selbst erledigt. Der 88-Jährige kann getrost als Fachmann der Fahrzeuggeschichte der DDR gelten. Das ist das Schöne an der Technik, dass sie immer wieder wiederbelebt werden kann. Bei Menschen ist das anders.

Beim TÜV hat es noch nie Probleme gegeben

Wie jedes zugelassene Auto muss auch der BMW von Friedrich Assmann regelmäßig zum TÜV. Und hat es da noch nie Probleme gegeben? Immerhin bei einem so alten Fahrzeug? "Nein, noch nie", grinst der alte Herr fröhlich. In diesen Tagen hat er den nächsten TÜV-Termin. Das wird schon, meint Friedrich Assmann optimistisch.

Kürzlich hat irgend ein gefühlloser Ignorant den rechten Außenspiegel geklaut. In solchen Fällen ist dann wieder Assmanns technische Kreativität gefragt, denn Ersatzteile für den 321 gibt es natürlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Nach dem Fototermin tätschelt Assmann die glänzende Oberfläche des Autos. "Er hat mich überall hingetragen", sagt der alte Mann. Und hat der rollende Gefährte einen Namen? "Ja. Moritz."