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Digitalisierung Arztbesuch via Videoanruf

Der Patient muss nicht immer den Arzt in der Praxis aufsuchen. Ein Schönebecker bietet bereits digitale Sprechstunden an.

Von Paul Schulz 20.01.2020, 02:08

Schönebeck l Die Nase läuft, die Augen tränen, die Gelenke schmerzen und man fühlt sich schlapp: Der unausweichliche Weg zum Arzt ist in diesem Zustand anstrengend. Am liebsten würde man doch nur im Bett liegen bleiben und Tee trinken. Doch in Zukunft bleibt den Patienten vielleicht der eine oder andere Weg zum Arzt erspart – die Videosprechstunde macht es möglich. Diese digitale Variante des Arztbesuchs wird beim Hausarztteam in Schönebeck sogar schon seit Ende 2019 praktiziert.

Robin John, Facharzt für Allgemeinmedizin, erklärt: „Die Videosprechstunde kann den Arztbesuch teilweise ersetzen. Vor allem bei potenziell ungefährlichen Erkrankungen ist es eine echte Alternative.“

Bei Hauterkrankungen oder Gelenkbeschwerden, zur Vor- und Nachbesprechung oder zur Auswertung von Laborbefunden sei die Videosprechstunde ein ideales Werkzeug, so John.

Bislang wird das Angebot der Praxis aber eher selten genutzt. Maximal einen „digitalen Arztbesuch“ pro Woche verzeichnet das Hausarztteam in Schönebeck. Dass Videobehandlungen noch eine Ausnahme sind, bestätigen auch die Informationen der Barmer. Landespressesprecher der Versicherung, Christopher Kissmann, teilt mit: „Bei der Barmer wurde in den vergangenen zwei Jahren in Sachsen-Anhalt gerade einmal eine Videosprechstunde abgerechnet, bei den Kassen insgesamt nur zehn. Das untermauert, dass die Telemedizin in Sachsen-Anhalt im vertragsärztlichen Bereich bisher kaum praktiziert wird.“

Dabei ist die Handhabung ganz einfach. „Im Grunde ist es ein ganz normaler Videochat, der aber besonders verschlüsselt ist – schließlich geht es in der Medizin um sensible Daten“, sagt John. Patienten, die die Videosprechstunde nutzen wollen, besuchen einfach die Website der Praxis. Mit zur zwei Klicks gelangen die Nutzer ins digitale Wartezimmer. Dass sich nun jemand im „Wartezimmer“ befindet, wird Robin John auf seinem Computer angezeigt. Er kann dann die Videokonferenz starten. Technische Voraussetzungen sind, dass Geräte mit einer Kamera (zum Beispiel Tablets, Smartphones oder separate Webcam) verwendet werden und dass eine stabile Internetverbindung besteht.

„Das Land muss deshalb die Infrastruktur verbessern und noch stärker in Glasfaseranschlüsse investieren“, so Kissmann. An der Telemedizin führe kein Weg vorbei.

Und die Videosprechstunde hat bisher noch ein Problem: das Einlesen der Krankenkassenkarte. „Mangels einer technischen Lösung müssen die Patienten ihre Karte in die Kamera halten. Wir schreiben dann die Versichertennummer von der Karte ab und tragen sie später in unser System ein“, erklärt John das bislang umständliche Prozedere.

Komplett ersetzen kann und soll die Videosprechstunde den Arztbesuch übrigens nicht. „Der Goldstandard der ärztlichen Behandlung muss der direkte Patientenkontakt bleiben. Nur so kann eine fachgerechte und sorgfältige ärztliche Tätigkeit gewährleistet werden“, sagt Tobias Brehme, Pressesprecher der Ärztekammer Sachsen-Anhalt. Natürlich können die Möglichkeiten der Digitalisierung aber auch sehr sinnvoll sein, ergänzt er.

So sieht das auch Axel Wiedemann, Barmer-Landesgeschäftsführer in Sachsen-Anhalt. Vor allem für den ländlichen Raum wäre der Ausbau der Telemedizin ein Gewinn. „Die Telesprechstunde bietet im hausärztlichen Bereich ganz neue Möglichkeiten in der Versorgung. Um Medikationsfragen zu klären, muss ein Patient nicht mehr extra in die Praxis kommen. Das geht auch mit dem Tablet von Zuhause aus“, sagt Wiedemann. So würden sich vor allem Menschen auf dem Land weite Wege und Zeit ersparen können.

Doch die Videosprechstunde ist nur einer von vielen Aspekten hinsichtlich der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Zahlreiche weitere Anwendungen sind denkbar oder in Entwicklung. So soll beispielsweise der gelbe Krankenschein im nächsten Jahr ausgedient haben und durch eine digitale Variante ersetzt werden, so ein Beschluss des Bundestages.

Ein weiteres Beispiel nennt Robin John: „Die ärztliche Zunft tauscht sich aktuell noch überwiegend via Fax und Brief aus – das ist nicht mehr zeitgemäß. Es wird aber bereits an Messengerdiensten für medizinische Institutionen gearbeitet. Dann können sich Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser, Pflegedienste und Co. einfacher miteinander austauschen.“ Und auch bei den zahlreichen Formularen oder ärztlichen Fragebögen zur Krankengeschichte könnten digitale Varianten ein effizienteres Arbeiten ermöglichen, so der Schönebecker Arzt. „Das Gesundheitswesen hat die Digitalisierung verpasst. Doch immerhin läuft jetzt der Prozess“, sagt Robin John.

Was die Videosprechstunden angeht, teilt Tobias Brehme von der Ärztekammer mit, dass sie in naher Zukunft wohl wenig verbreitet bleibt. Die hohen Datenschutzansprüche seien nur mit enormen Aufwand durch den Arzt, aber auch durch den Patienten, realisierbar, so der Pressesprecher. Dass es aber eben doch funktionieren kann, zeigt das Beispiel in Schönebeck. Und wer weiß: Vielleicht sind schon in fünf oder zehn Jahren die digitalen Wartezimmer gefüllter, als die in den Praxen vor Ort.