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Volksstimme-Serie Ein Tag als Regionalbereichsbeamter

Volksstimme-Mitarbeiter schnuppern in der Serie "Einen Tag als ..." in so manch interessanten Beruf hinein.

Von Jan Iven 12.08.2019, 19:57

Schönebeck l Zur Morgenbesprechung im Polizeikommissariat Schönebeck an der Nicolaistraße um 7 Uhr macht Polizeihauptmeisterin Brigitte Horn erst einmal Kaffee. „Ich trinke nun mal auch am meisten, deswegen mache ich den meisten“, sagt die Regionalbereichsbeamtin (RBB). Davon abgesehen, sagt sie mir, geht es jetzt nicht zur Kaffeepause, sondern zum Arbeiten. Als Polizeireporter der Volksstimme darf ich den Regionalbereichsbeamten einen Tag bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Um die Tätigkeit, aber auch die Menschen in Uniform besser zu verstehen und dem Leser ein besseres Bild von dem Beruf zu vermitteln. Auch ich kriege einen Kaffee, den Horn für ihre Kollegen gekocht hat.

„Wir sind die Polizei zum Anfassen“, beschreibt die 60-Jährige ihre Arbeit. „Wir halten den Kontakt zum Bürger.“ Die Regionalbereichsbeamten leisten vor allem Präventionsarbeit. Konkret bedeutet das: Möglichst viel mit Menschen reden und die Arbeit der Polizei erklären. Die RBB wollen bereits da sein, bevor es zu spät ist und verhindern, dass Menschen überhaupt straffällig werden.

Morgenlage im Polizeikommissariat: Die neuesten Fälle werden unter den Regionalbereichsbeamten besprochen. Horn leistet mit Polizeihauptmeister René Sölle ihren Dienst. Eine Kollegin ist im Urlaub. Aktuelles Thema: Vor kurzem haben sich zwei Männer in Schönebeck gegenseitig mit Holzlatten verprügelt. Beide liegen im Krankenhaus: der eine in Schönebeck, der andere in Magdeburg. „Einer der Männer ist polizeilich bekannt“, so Horn. Der Fall wird vermutlich vor Gericht gehen.

Interessanter ist für Regionalbereichsbeamten der Anruf einer Mutter, die befürchtet, dass ihre erwachsene Tochter mit Drogen zu tun haben könnte. Die Regionalbereichsbeamten können nicht zu sehr ins Detail gehen. Sie führen aber ein Gespräch mit den Beteiligten, um die Mutter zu beruhigen. Festgenommen werden muss am Ende niemand.

Für die Regionalbereichsbeamten steht die alltägliche Arbeit an. Doch die ist letztendlich alles andere alles als eintönig. „Das Schöne bei der Polizei ist, dass die Arbeit so abwechslungsreich ist“, sagt Polizeihauptmeister René Sölle. Der 54-Jährige ist erst vor kurzem zu den Regionalbereichsbeamten in Schönebeck gewechselt. „Das ist keine Aufgabe für Polizeischüler. Man braucht schon viel Erfahrung auf der Straße“, sagt Brigitte Horn. Man sollte sich in der Stadt auskennen. „Wir kennen unsere Pappenheimer“, sagt die Polizistin.

Derzeit laufen bei den Regionalbereichsbeamten die Vorbereitungen für den Schulanfang. Plakat mit Hinweisen auf die Abc-Schützen müssen aufgehangen werden. „Damit sollen die Autofahrer sensibilisiert werden, dass wieder viele Erstklässler unterwegs sind“, sagt Brigitte Horn. Gerade nach der Einschulung seien die Schüler sehr aufgeregt und müssen sich erst noch an den Schulweg und den Straßenverkehr gewöhnen. In den ersten Wochen werden die Regionalbereichsbeamten daher morgens an allen Grundschulen vorbeischauen, um sich den Schülern vorzustellen und auf den Verkehr zu achten. Auch die Geschwindigkeit der Autofahrer wird dabei gemessen.

Wobei immer wieder auch die Eltern für ein Verkehrs- chaos vor den Schulen sorgen. „Die Eltern wollen ihre Kinder am liebsten mit dem Auto auf den Schulhof fahren. Aber das geht natürlich nicht“, sagt Horn. Besser sei, wenn die Eltern in einiger Entfernung von der Schule parken und die letzten Meter mit dem Nachwuchs zu Fuß gehen. Das entspannt den Verkehr vor der Schule, und zugleich lernen die Kinder den Schulweg kennen. Denn irgendwann werden viele von ihnen allein zur Schule gehen.

Die Regionalbereichsbeamten sind häufig zu zweit im Auto zu ihren Terminen unterwegs. Nächster Stopp ist ein Altersheim in Schönebeck. „Senioren hören uns immer gern zu, wenn wir Sicherheitshinweise geben und vor Kriminellen warnen“, sagt Regionalbereichsbeamtin Horn. Doch leider seien gerade die älteren Bürger auch immer wieder Opfer von Kriminalität. „Der Enkeltrick stirbt einfach nicht aus. Egal wie oft wir davor warnen“, sagt Horn. Immer wieder geben sich Betrüger am Telefon als vermeintliche Angehörige gerade von Rentnern aus und erzählen ihnen, dass sie dringend Geld brauchen. Schließlich kommt dann ein Bekannter des Angehörigen vorbei, um das Geld abzuholen.

„Viele ältere Leute haben wenig soziale Kontakte und freuen sich, wenn sie mal jemand anruft“, versucht Brigitte Horn zu erklärten, warum noch jemand auf die bekannte Masche hereinfällt. Außerdem seien Großeltern oft hilfsbereit, gerade wenn es um ihre vermeintlichen Enkel geht. Zudem seien die Betrüger geschult und sehr sympathisch und lassen sich immer wieder neue Varianten des Enkeltricks einfallen.

Gerade in Einrichtungen wie Altersheimen, Jugendclubs oder Schule sind die Beamten häufiger zu Veranstaltungen zu Besuch. „Es ist wichtig, dass die Menschen uns im Alltag kennenlernen. Dann wissen die Leute, dass wir in Ordnung sind und das es nicht nur Probleme bedeutet, wenn die Polizei auftaucht“, sagt Brigitte Horn. „Wir wollen das Vorurteil abbauen, dass die Polizisten alles ‚böse Bullen‘ sind. Wir kommen, um zu helfen.“

So kommen die Beamten auch einmal zu jedem Integrationskurs, der in der Volkshochschule unter anderem für Flüchtlinge angeboten wird. Tatsächlich freuen sich die Ausländer oft auf die Regionalbereichsbeamten, da die Polizei in Deutschland in der Regel einen besseren Ruf genießt als in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Die Ausländer stellen vor allem viele Fragen. Wie hoch ist die Strafe für zu schnelles Fahren? Muss man die Polizei in seine Wohnung lassen? Was passiert, wenn man im Wald ein Wildschwein überfährt? Können die eigenen Kinder auch bei der Polizei anfangen? Denn inzwischen ist die deutsche Staatsbürgerschaft keine Voraussetzung mehr für die Ausbildung zum Polizisten.

Grundsätzlich konnte Brigitte Horn nach eigenen Angaben aber nicht feststellen, dass Ausländer oder Flüchtlinge in Schönebeck besonders kriminell wären. „Es gibt überall gute und schlechte Menschen“, ist die Polizistin überzeugt.

Mittagspause im Polizeikommissariat Schönebeck. Die Beamten bringen sich oft ihr Essen von zu Hause mit, eine Kantine gibt an der Nicolaistraße nicht. Doch auf den Teller lassen sich die Polizisten nicht so gern schauen. Die Mittagspause ist tatsächlich das: eine Pause.

In den nächsten Tagen beteiligen sich die Regionalbereichsbeamten wieder an einer deutschlandweiten Verkehrskontrolle. Wann das ist, soll zumindest an dieser Stelle nicht verraten werden. Was viele Autofahrer als Abzocke empfinden, ist für die Polizisten ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Und dann ist da noch das Thema Schießen. Würde ich als Polizeireporter bei der Polizei selbst eine Dienstwaffe in die Hand nehmen und abfeuern dürfen? Ich muss sagen, dass ich einen ziemlichen Respekt vor Waffen habe. Doch um die Polizei besser kennenzulernen, führt daran eigentlich kein Weg vorbei, auch wenn die Beamten ihre Pistolen so gut wie nie einsetzen müssen. Höchstens im Notfall, um eine Gefahr für Leib und Leben für sich oder andere abzuwenden.

Letztendlich bleibt mir die Entscheidung aber erspart. Der Pressesprecher des Reviers Salzlandkreis teilt mir mit, dass nur einmal im Jahr ein so genanntes Presseschießen stattfindet, bei dem auch Medienvertreter die Dienstwaffen ausprobieren können. Derzeit ist aber kein weiterer Termin für ein Schießen geplant.

Weitere Routine für die Regionalbereichsbeamten in Schönebeck: In diesen Tagen müssen sie auch immer wieder in Barby aushelfen. Denn bei den Kollegen vor Ort gibt es krankheitsbedingt Ausfälle. Personalmangel und Fachkräftemangel machen sich schon längst auch bei der Polizei in Sachsen-Anhalt bemerkbar. Inzwischen kritisieren die Beamten nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand, dass sich die Einsparungen bei den Neueinstellungen in den vergangenen Jahre verheerend auf die Personalsituation bei der Polizei ausgewirkt haben.

So wird der Altersschnitt bei den Beamten immer höher, und damit einher geht auch eine höhere Anfälligkeit für Krankheiten. Inzwischen wird der Polizeinachwuchs wieder verzweifelt gesucht, doch aufgrund des demografischen Wandels bewerben sich jedes Jahr weniger junge Leute um einen Ausbildungsplatz. Und selbst wenn junge Kollegen eingestellt werden, dauert die Ausbildung immerhin drei Jahre. Inzwischen werden in Sachsen-Anhalt sogar Quereinsteiger zu so genannten Hilfspolizisten ausgebildet. Doch eine echte Lösung des Personalproblems ist das kaum.

Nach Feierabend haben aber selbst Polizisten noch ein Privatleben. „Polizisten sind auch nur Menschen“, sagt Brigitte Horn. Sie hat im vergangenen Jahr den Vorsitz des Feuerwehr-Fördervereins Felgeleben übernommen, der unter anderem das beliebte Wohngebietsfest Felgeleben-Sachsenland organisiert. Und im Gegensatz zu ihren meisten Kollegen schaut sie als Krimi-Fan auch gern am Sonntagabend den Tatort. Natürlich am liebsten die aus Münster mit Axel Prahl.

Langweilig ist der Beruf des Polizisten und speziell des Regionalbereichsbeamten sicher nicht. Trotzdem muss man wahrscheinlich dafür geboren sein. Nicht umsonst bedeutet Polizist wörtlich „Mann (oder Frau) der Stadt“. Man arbeitet für das Gemeinwohl. Doch gerade manche jüngere Menschen haben in dem Alter, in dem sie sich für einen Beruf entscheiden, teilweise gewisse Berührungsängste mit der Polizei und Themen wie Recht und Ordnung. Bei mir persönlich würde es wahrscheinlich schon am Sporttest scheitern. Je älter man wird, desto mehr weiß man wohl auch die Arbeit der Polizei zu schätzen. Reich wird man als Polizist eher nicht. Dafür hat man in jedem Fall einen sicheren und spannenden Arbeitsplatz.

Die nächste Folge der Sommerserie erscheint am kommenden Dienstag, 20. August: Dann arbeitet Franziska Richter als Straßenwärterin. Bisher arbeiteten Olaf Koch als Bierbrauer, Enrico Joo als Schwimmmeister, Thomas Linßner als Kindergärtner, Falk Rockmann als Betonbauer, Sebastian Rose als Bootslehrer und Nora Stuhr als Tätowiererin.