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Breitenhagener Feuerwehrleute sind während der Fluttage im Elbe-Saale-Winkel im Einsatz - und manchmal selbst betroffen Erst helfen, dann nach dem eigenen Haus schauen

Von Daniel Wrüske 21.06.2013, 03:19

Breitenhagen ist stark von der Flut gezeichnet. Der Ort steht seit Tagen unter Wasser. Die Feuerwehrleute, nicht selten selbst betroffen, helfen an vielen Stellen. Manchmal, ohne über das eigene Unglück nachdenken zu können. Einer von ihnen ist Bert Brandstetter.

Breitenhagen/Groß Rosenburg l Bert Brandstetter zeigt seinen rechten Arm. Kratzer und Bissspuren sind daran zu sehen. Der Feuerwehrmann aus Breitenhagen nimmt die Verletzungen gelassen. "Die Tiere haben Angst", sagt er und schaut verständnisvoll. Zusammen mit seinen Kameraden der Breitenhager Feuerwehr ist Bert Brandstetter in den Tagen der Flut vor allem in Groß und Klein Rosenburg im Einsatz - der eigene Ort ist nach dem Saaledamm-Bruch nicht mehr erreichbar und tagelang wie von der Außenwelt abgeschnitten.

"Die Tiere sind unsere Mitgeschöpfe, die brauchen unsere Hilfe genauso."

Beim Hochwasser kümmern sich die Breitenhager Feuerwehrleute darum, dass die Kräfte von Technischem Hilfswerk und Bundeswehr genügend Boote haben und zum zerstörten Deich kommen. Sie helfen, die Pumpen zu installieren, die ihren Heimatort derzeit trocken legen. Unterstützt werden sie von Wehren aus dem gesamten Landkreis. Doch die 23 ehrenamtlichen Retter haben auch einen Spezialauftrag - die Tierrettung. "Leute, die ihre Häuser verlassen mussten, bringen ihre Hausschlüssel in das Büro des Kreis-Krisenstabes und des Ortes. Sie bitten, die Tiere aus dem Wasser zu holen oder wenigstens zu füttern", sagt der Feuerwehrmann. Auch anderen Tiere, die den Kameraden unterwegs auffallen, lassen sie Hilfe zukommen, setzen sie in trockene Areale.

Ganz klar, dass auch mal ein verängstigtes Tier zuschnappt oder wilden Reißaus zu nehmen versucht, wenn die Kameraden dicht an Hund, Katze, Wellensittich und Co. herankommen. Abschrecken lassen die Breitenhagener Blauröcke davon nicht. "Es ist, als würde man einen Menschen retten. Die Tiere sind unsere Mitgeschöpfe, die brauchen unsere Hilfe genauso. Außerdem ist immer der Amtstierarzt vor Ort", sagt Bert Brandstetter und wirkt gefasst.

Wie es in ihm wirklich aussieht, wenn er über Unterstützung, Rettung und Hilfe spricht, vermag in diesen Tagen wohl nur er selbst beantworten zu können. Von Fahrten nach Breitenhagen weiß der Feuerwehrmann, dass ein Haus vom Wasser arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vor drei Jahren sind er und seine Frau aus Magdeburg nach Breitenhagen gezogen. Immer wieder haben sie am Haus repariert und saniert. In diesem Jahr sollte die Fassade erneuert werden - als Abschluss der Bauarbeiten. Nun droht aus dem Traum ein Albtraum zu werden. Ein erstes Hilfegesuch an die eigene Versicherung brachte Ernüchterung: "Sie wird nicht für den Schaden aufkommen", sagt Bert Brandstetter. Die Flutkatastrophe gehöre nicht ins das Leistungsspektrum. Die 400 Euro Soforthilfe, die allen Betroffenen zustehe, könne dagegen nur ein Anfang sein, findet der Breitenhager. "Davon können wir uns gerade das Nötigste kaufen, Kleidung oder Gegenstände für die Küche." Denn man müsse davon ausgehen, dass alles durch die Wasser-Schlamm-Lawine vernichtet wurde.

Wasser hatten Bert Brand-stetter und seine Frau in den drei Jahren Breitenhagen noch nie am Haus. Auch wenn es schon immer mal Hochwaser gegeben hat. Die Jahrhundertflut haben sie in der Landeshauptstadt miterlebt. "2002 haben wir Sandsäcke gefüllt und in Magdeburg verbaut." Der Deichbruch bei Klein Rosenburg 2013 hat viel Wasser von Magdeburg abgehalten. Die Brandstetters wie viele aus dem Elbe-Saale-Winkel wünschen sich deshalb ein Zeichen aus der Landeshauptstadt.

"Das wollen alle hier. Helfen! Und dieser Wille schweißt alle zusammen."

Einen genauen Überblick über das, was den Wassermassen zum Opfer gefallen ist, haben die Brandstetters noch nicht. Das Paar ist in Magdeburg bei der Tochter untergekommen. Aus Rosenburg wegziehen, will es auch nach der Flut nicht. Wenn Bert Brand- stetter das alles erzählt, ist er nachdenklich. Dann schwenkt er plötzlich um, ist wieder ganz der Feuerwehrmann im Flutgebiet um Groß Rosenburg. "Das Wichtigste ist, dass wir gut aus den Einsätzen zurückkommen, dass niemandem etwas zustößt und es keine Unfälle gibt. Alles andere kommt später."

Bert Brandstetter kann und will sich noch keine Gedanken um das eigene Haus machen, die Versicherungsgespräche führte seine Frau, er will jetzt da sein, um zu helfen. "Das wollen alle hier. Helfen! Und dieser Wille schweißt alle zusammen." Der Feuerwehrmann hofft, dass dieses Gefühl lebendig bleibt, auch wenn das Wasser wieder weg ist, wenn die Schäden beseitigt sind.