Mitarbeiter einer Schuldnerberatungsstelle für den Salzlandkreis berichten über gegenwärtige Situation Experten sagen: "Viele junge Menschen haben nie gelernt, einen Haushaltsplan zu erstellen"
Wer mit seinen Schulden überfordert ist, findet Hilfe bei der Schuldner- und Verbraucherinsolvenz-beratungsstelle des PIN in Schönebeck. Sie ist für den Salzlandkreis zuständig. Der Volksstimme berichten die beiden Mitarbeiter über ihre Arbeit.
Schönebeck/Staßfurt l Der Bedarf an Schuldnerberatung reißt im Salzlandkreis reißt nicht ab. 256 Männer und Frauen haben die Stelle der Gemeinnützigen Paritätischen Netzwerke - PIN GmbH in Schönebeck im vergangenen Jahr aufgesucht - drei mehr als 2010. "Es ist schon länger ein Trend, dass die Zahl unserer Klienten zunimmt - wenn auch nur leicht", berichtet Andreas Freiheit. Zusammen mit Kollegin Sandra Hochholz betreut er vor allem Schuldner aus dem Altkreis Schönebeck, aber auch aus Staßfurt, Hecklingen und Egeln.
"Im Bereich der Über-55-Jährigen hat sich die Zahl besonders erhöht", berichtet Hochholz. "Und sie wird wohl weiter steigen." Dies liege vor allem an der Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland. Jene Gruppe verschulde sich häufig, wenn der Mann versterbe und die Witwenrente nicht ausreiche. "Dubiose Telefongeschäfte sind ebenso oft ein Grund."
Auch immer mehr Jüngere, sprich 18- bis 25-Jährige, gehören zu den Klienten. Hochholz ordnet ein: "In oder kurz nach ihrer Ausbildung verdienen sie oft nicht so viel, wollen aber trotzdem am gesellschaftlichen Leben teilhaben." Ein weiteres Problem: "Vielen jungen Menschen fehlt die finanzielle Allgemeinbildung. Sie haben nie gelernt, einen Haushaltsplan zu erstellen." Der Erfahrung der beiden zufolge nehmen bei den 18- bis 25-Jährigen Fälle zu, bei denen die Schulden einhergehen mit anderen Problemen wie Drogen- oder Spielsucht.
Und womit haben sich die Klienten der Beratungsstelle in der Regel verschuldet? Andreas Freiheit zählt einige Schwerpunkte auf: "Telekommunikationsfirmen, Versandhäuser und Banken - einige vergeben sehr leichtfertig Kredite." Dass Schuldner ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, liegt Freiheit zufolge nur selten daran, dass sie ihr Geld von vornherein leichtfertig ausgeben. "Meist ändern sich ihre Lebensumstände - sie verlieren zum Beispiel ihre Arbeit, trennen sich vom Partner oder müssen eine Beerdigung finanzieren."
Wer feststellt, dass er mit seinen Schulden überfordert ist, kann sich in Schönebeck einen Termin holen. "Bestimmte Voraussetzungen muss man nicht erfüllen", sagt Sandra Hochholz. Auch bezahlen muss man die Hilfe nicht - die Beratungsstelle wird vom Jobcenter des Salzlandkreises und vom Land finanziert. Hochholz erläutert weiter: "Beim ersten Termin machen wir eine Bestandsaufnahme. Ich erkläre dem Schuldner, wie er eine Gläubigerliste erstellt."
Außerdem werden in einem Haushaltsplan gemeinsam alle Einnahmen und vor allem Ausgaben aufgelistet - von der Miete, über Unterhaltszahlungen bis hin zu Kosten für Zigaretten. Auf dieser Grundlage wird geschaut, wo sich der Schuldner einschränken könnte.
Im nächsten Schritt nimmt die Beratungsstelle Kontakt mit den Gläubigern auf, bei denen eine Klärung dringend ist - wie bei angedrohter Wohnungskündigung oder Schulden bei der Staatsanwaltschaft, die sich aus Verurteilungen ergeben haben. "Wir bitten um eine ruhendes Verfahren und kleine Raten. Manchmal können wir auch ein Darlehen über das Jobcenter erzielen. Und bei der Staatsanwaltschaft versuchen wir, das Geld in Arbeitsstunden umzuwandeln."
Zur Klärung mit den anderen Gläubigern werden die Schuldner angehalten, selbst Kontakt aufzunehmen.
In einigen Fällen reichen diese Schritte bereits aus. Doch bei mehr als 50 Prozent kommt eine Verbraucherinsolvenz in Betracht. "Dieser geht ein außergerichtliches Einigungsverfahren voraus - sprich: Angebote an die Gläubiger", erklärt Andreas Freiheit. Wenn dieser Versuch scheitert, kann in der Regel mit Hilfe des Beraters eine Privatinsolvenz beantragt werden. Diese ermöglicht eine Restschuldenbefreiung, nachdem der Schuldner sechs Jahre lang an einer bestimmten Pfändungsgrenze gelebt hat.
Ihre Klienten betreuen Andreas Freiheit und Sandra Hochholz meist über Jahre hinweg. "Der schwierigste Schritt für sie ist meistens der, überhaupt zu uns zu kommen", sagt Sandra Hochholz. "Die Hemmschwelle ist sehr hoch." Jedoch macht sie auch Mut: "Man kann immer etwas machen."