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Feinstaub Verbessert die Corona-Krise das Klima?

Ein statistischer Vergleich zeigt, dass sich die Luftqualität im Salzlandkreis verbessert haben könnte. Hat das mit Corona zu tun?

Von Dan Tebel 01.05.2020, 01:01

Bernburg l Die Luftqualität im Salzlandkreis hat sich offensichtlich in den ersten vier Monaten im Vergleich zu den letzten beiden Jahren deutlich verbessert. Auf der Homepage des Umweltbundesamtes lässt sich in einem Diagramm unter anderem die Feinstaubbelastung an verschiedenen Messstandorten und zu verschiedenen Zeiten miteinander vergleichen. Sieht man sich die Zahlenwerte für Messstationen Bernburg, Aschersleben und Bobbe - alle drei im Salzlandkreis - an, stellt man fest, dass die der zulässige Grenzwert für Feinstaubbelastung von 50 Mikrogramm/Kubikmeter (µg/m³) ausgenommen Anfang Januar 2020 (Silvesterbedingt) bis Ende April kein einziges Mal überschritten wurde. Lediglich ein Ausschlag Ende März verfehlte mit 49 µg/m³ nur knapp den Grenzwert. Im Vergleich dazu wurden die 50 µg/m³ 2019 im gleichen Zeitraum an allen Stationen offensichtlich mehrfach überschritten. Das gleiche gilt für die Jahre 2018 und 2017. 35 Überschreitungen dieses Wertes pro Jahr sind im Übrigen zulässig.

Der Unterschied ist deutlich zu sehen, die Kurven schlagen nicht so weit aus, wie es in beispielsweise im Vojahr der Fall war. Woran liegt das? Verbessert sich durch die Maßnahmen in der Corona-Krise die Luft?  „Die Feinstaubbelastung bewegte sich in den vergangenen Wochen überwiegend auf sehr niedrigem Niveau", erklärt Ines Wahl vom Landesamt für Umweltschutz auf Nachfrage der Volksstimme. Doch das liegt vor allem am Wetter - und nicht an Corona. Denn wenn es um die Bestimmung der Luftqualität geht, haben nicht nur Verkehr, Industrie und Co. großen Einfluss. Das Wetter hat in den vergangenen Wochen wesentlich zu den niedrigen Werten bei der Feinstaubbelastung beigetragen, so Wahl.

Inwiefern zeigt ein kurzer meteorologischer Rückblick. Bereits im Februar sorgten Orkan „Sabine" und milde Temperaturen für gute Austauschbedingungen, das heißt die Luftmassen wurden gut durchmischt und die Luftschadstoffkonzentrationen blieben dadurch allgemein niedrig. „An den Messstationen des Luftüberwachungssystems Sachsen-Anhalt (LÜSA) wurden im Februar deshalb nur sehr wenige Überschreitungen des zulässigen Tagesmittelwertes für Feinstaub Partikel festgestellt", erklärt Ines Wahl. Das ist auch das, was sich aus dem Vergleich leicht ersehen lässt.

Der nächste und auch einzige große und aus der Grafik erkennbare Ausschlag bislang wurde Ende März aufgezeichnet. Die Corona-Krise war zu dieser Zeit schon in vollem Gange, die ersten Maßnahmen zum Lockdown wurden am 18. März von der Landesregierung beschlossen. Erste Betriebe hatten ihre Produktion heruntergefahren, die Menschen blieben vielerorts lieber zuhause. Der Verkehr nahm ab, die Feinstaubbelastung stieg trotzdem. Aber warum?  „Ausbleibende Niederschläge und ansteigende Lufttemperaturen haben in Verbindung mit teils heftigem und böigem Wind einen ersten Anstieg der Trockenheit herbeigeführt. Zur Monatsmitte stieg die Feinstaubbelastung dadurch moderat an", fasst Ines Wahl zusammen.

Dann kam es weiter flächendeckend, großräumig und nicht nur in Sachsen-Anhalt zu einem starken Anstieg der Feinstaubkonzentrationen. Schuld daran war eine Ostanströmung, mit der bereits vorbelastete Luftmassen aus Osteuropa nach Deutschland kamen und insbesondere an verkehrsbezogenen Hotspots für Höchstwerte sorgten, die sich eben auch in der Darstellung sichtbar wiederfinden.  In Halle an der bereits bekannten Station an der Paracelsusstraße überstieg die Belastung um diesen Zeitraum herum gleich an vier Tagen die Höchstwerte, erklärt Wahl. Nicht nur in Sachsen-Anhalt sondern auch in ganz Deutschland habe es am 27. Und 28 März 2020 eine solche erhöhte Partikelkonzentration gegeben. Das lässt sich auch aus den Karten des Umweltbundesamtes herauslesen. Anfang April sank die Konzentration dann wieder ab.

Die meteorologischen Einflüsse haben also sehr große Wirkung auf die Schadstoffbelastung und damit auf die bislang ermittelten Werte. Allerdings sind sie auch nicht darin erkennbar. „Insofern ist ein einfacher Jahresvergleich der Luftbelastungswerte immer problematisch, da davon auszugehen ist, dass jeweils unterschiedliche meteorologische Bedingungen geherrscht haben und dies entsprechend berücksichtigt werden muss", sagt Ines Wahl vom Landesamt.

Ein anderes Problem die den Vergleich beeinflussen sind die unterschiedlichen Messstationen im Salzlandkreis. Die Station in Aschersleben ist ein stark verkehrsbeeinflusster Standort, die Station in Bernburg liegt am Stadtrand und unterliegt weniger dem Verkehrseinfluss während die Station Domäne Bobbe in ländlicher Region installiert ist und nichts mit Straßenverkehr zu tun hat. Das Landesamt für Umweltschutz zeigt in zwei Karten auf, wie sich die Schadstoffbelastung in Monatsmittelwerten an den Stationen Aschersleben und Domäne Bobbe 2020 und 2019 entwickelt hat.

Monatsmittelwerte Feinstaubpartikel an der Messstation Aschersleben

Monatsmittelwerte Feinstaubpartikel an der Messstation Domäne Bobbe

Die Belastung im Januar ist in beiden Jahren an beiden Stationen nahezu identisch. Der Februar wird wie bereits beschrieben durch die Wetterlage beeinflusst, weshalb die Belastung weniger stark ausfällt. Im März sind die Belastungen in Aschersleben nur marginal. In Aschersleben ist der Wert 2020 sogar größer als 2019. „Auf den ersten Blick ist kein Corona-Effekt erkennbar", so Ines Wahl. Nur im April gibt es an der Station in Aschersleben eine abweichend Differenz zum Vorjahr – um 5 µg/m³. Ob das coronabedingt an weniger Verkehr liegt, wäre ohne eine gründlichere Untersuchung nur eine Interpretation, heißt es aus dem Landesamt für Umweltschutz.

Inwieweit die Corona-Krise und die getroffenen Maßnahmen also wirklich Einfluss auf die Schadstoffbelastung haben, lässt sich aufgrund der anderen und wichtigen Faktoren nur schwer sagen. Die (derzeit noch) kleine Wirkung, die möglicherweise durch weniger Verkehr entsteht, wird von größeren Effekten überlagert. „Es ist allerdings zu vermuten, dass die Effekte größer werden, je länger der ‚Lockdown‘ anhält. Dauerhaft weniger Straßenverkehr würde sich auf alle verkehrsbezogenen Luftschadstoffe auswirken und die Effekte müssten dann am ehesten an den verkehrsnahen Messstationen sichtbar werden", fasst Wahl zusammen. Ein wirklicher Effekt, der sich jetzt schon belegen lässt, bleibt bislang aus. Wie vieles andere auch, wird das nur die Zeit zeigen können.