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Fledermäuse Auf den Spuren der Nachtwesen

Zwei junge Frauen aus Bernburg vom Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-Anhalt setzen sich für die fliegenden Säugetiere ein.

10.02.2019, 10:30

Bernburg l An schönen Sommernächten können Jana Schlaugat (27) und Kathleen Kuhring (34) unmöglich zuhause bleiben. An diesen Nächten stiefeln sie mit Anbruch der Dämmerung in den Wald, und bauen dort ihr Fledermausnetz – ein leichtes Puppenhaarnetz – auf.

„Es ist schon wie eine kleine Sucht“, sagt Jana Schlaugat und muss über sich selbst lächeln. „Man weiß nie, was man an einem Abend fangen wird.“ Doch die Spannung, die die nächtliche Aktion mit sich bringt, hat einen bestimmten Nutzen: Sie, Kathleen Kuhring und weitere Mitglieder des Arbeitskreises Fledermaus Sachsen-Anhalt gehen aus Forschungszwecken in den Wald.

Die beiden jungen Frauen sind jeweils über ihr Studium zum Ehrenamt gekommen. Während des Masterstudiums Naturschutz- und Landschaftsplanung an der Hochschule Bernburg – Jana Schlaugat absolviert den Master derzeit noch und Kathleen Kuhring arbeitet mittlerweile bei der unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Anhalt-Bitterfeld – mussten sie sich eine Artengruppe aussuchen. Beide haben sie sich für die Fledermaus entschieden. „Wenn man einmal im Leben einer Fledermaus persönlich begegnet ist, ist man hin und weg“, begründet Kathleen Kuhring ihre Entscheidung für diese Spezies.

Die Fledermaus-Begeisterte weiß auch, warum das so ist: „Wenn die Tiere einen mit den Knopfaugen anschauen, man feststellt, dass sie alle unterschiedlich reagieren, einen einzigartigen Charakter haben, dann ist das schon etwas Besonderes.“

Der Arbeitskreis Fledermäuse ist ein Verein, der sich aktiv dem Fledermausschutz und der -forschung widmet. Unter anderem durch die Aufklärung. „Bei Fledermaus-Camps, die über mehrere Tage hinweg stattfinden, wollen wir Kindern und Erwachsenen die Angst nehmen, sie über die Tiere aufklären“, sagt Kathleen Kuhring. Dazu gehört beispielsweise auch die Tatsache, dass viele Menschen – bewusst oder unbewusst – Quartiere von Fledermäusen zerstören. Etwa auf dem hauseigenen Dachboden. „Ob man eine Fledermaus bei sich im Haus hat, kann man beispielsweise an den Kotpellets erkennen. Weitere Zeichen können ein Zwitschern oder Knistern sein, das man ab und zu hört“, so Kathleen Kuhring.

Dass es jedoch sogar von persönlichem Vorteil sein kann, Fledermäuse bei sich zu beherbergen, dafür sprechen Fakten. Kathleen Kuhring erzählt: „Eine Fledermaus kann in einer Nacht bis zu 2000 Mücken verspeisen.“

Was viele Menschen ebenfalls nicht wissen: Fledermäuse sind sehr soziale Tiere. So treffen sich trächtige Weibchen ab Mai zu einer Wochenstubengesellschaft zusammen. „Fledermäuse bekommen meist nur einmal im Jahr ein einziges Jungtier “, so Jana Schlaugat. In der Wochenstube halten sich die Weibchen dann gegenseitig warm. Diese Wärme brauchen sie: Ist das Wetter zur Wochenstubenzeit ungünstig, könne schon mal örtlich eine gesamte Population wegbrechen.

Da jedoch Fledermäuse noch immer vergleichsweise unerforschte Lebewesen sind, ist ein weiteres großes Gebiet, dem sie sich mit Jana Schlaugat widmet, die Forschung.

„Vergangenes Jahr haben wir insgesamt 1092 Fledermäuse gefangen und dann wieder freigelassen“, erzählt Kathleen Kuhring. 800 der Tiere haben eine Unterarmklammer bekommen. Die Fledermausringe bekommen sie von der Fledermausmarkierungszentrale (FMZ) in Dresden, das Land Sachsen-Anhalt kauft dort jährlich ein Kontingent an Ringen, von denen die Fledermausschützer aus Bernburg einen Teil abbekommen.

In Dresden werden die jeweiligen Fledermäuse dann auch per Nummer registriert. „Wir haben in unseren Netzen beispielsweise schon Fledermäuse aus Lettland gefangen – das konnten wir anhand des Ringes erkennen“, erzählt Jana Schlaugat. Daran hätten sie feststellen können, dass einige Fledermäuse – wie Zugvögel – in Massen in Winterquartiere nach Spanien oder Frankreich fliegen.

Etwa bis 1 Uhr nachts sind Kathleen Kuhring und Jana Schlaugat im Sommer oft im Wald unterwegs – in der Hoffnung, möglichst viele Fledermäuse zu erwischen. Sie zählen dabei zu den etwa 20 Vereinsmitgliedern in Sachsen-Anhalt, die sehr aktiv sind.

„Wenn wir fangen gehen, sprechen wir das natürlich vorher mit dem Jägern ab“, so Kathleen Kuhring. Das klappe sehr gut, das Verhältnis sei super.

Die Fledermausschützer haben zum Zwecke der Forschung auch schon mit Telemetrie-Sendern gearbeitet, die an den Tieren angebracht wurden. „So haben wir beispielsweise herausgefunden, dass eine Fledermaus in anderthalb Tagen 400 Kilometer zurückgelegt hat“, erzählt Jana Schlaugat. Durchschnittlich schaffe eine Fledermaus eine Strecke zwischen 15 und 70 Kilometern pro Stunde.

Im Salzlandkreis gibt es etwa 16 der insgesamt 25 in Deutschland vorkommenden Arten. In Sachsen-Anhalt sind es 22 (siehe Infokasten). Wer im Bundesland die größte Artenvielfalt erleben möchte, muss in den Harz gehen: Hier kommen 19 verschiedene Fledermausart vor. Die Camps, die der Arbeitskreis Fledermäuse sechs- bis achtmal im Jahr veranstaltet, finden wiederum in ganz Deutschland statt.

Die beiden Frauen begeistert an ihrem Ehrenamt nicht nur die Begegnung mit den verschiedenen Fledermäusen – und die spannenden Beobachtungen, die sie dabei machen. Ihnen gefällt auch die Stimmung im nächtlichen Wald. „Hier kann es nachts wirklich sehr laut sein“, sagt Kathleen Kuhring. Und dann erzählt sie von Begegnungen mit Waschbären oder davon, wie ab und zu schon aus Versehen eine Eule bei ihnen im Netz gelandet ist. „Und für den Fall, dass wir einem Wildschwein begegnen, haben wir eine laute Pfeife dabei“, sagt sie lachend.

Wer jährlich über 1000 Fledermäuse fängt, muss natürlich auch mit dem gelegentlichen Biss rechnen. „Meistens ist es nur ein leichtes Zwicken“, erzählt Kathleen Kuhring. Für den Fall, dass es sich doch um ein krankes Tier handeln könnte, lassen sich die beiden Naturschützerinnen regelmäßig untersuchen – beide sind auch vorsorglich gegen Tollwut geimpft.

Generell jedoch liegt es ihnen am Herzen, Vorurteile und unbegründete Ängste, die einige Menschen noch immer haben, wenn sie an Fledermäuse denken, zu nehmen. „Viele Menschen begegnen nachts Fledermäusen, ohne es jemals zu merken“, sagt Kathleen Kuhring. Ein Fakt, den sie sehr faszinierend findet.

Und letztendlich sind es vielmehr die Fledermäuse, die Angst vor anderen Tieren und Menschen haben müssen. „Bei uns werden auch verletzte oder kranke Fledermäuse abgegeben“, erzählt Kathleen Kuhring. Dabei handelt es sich etwa um Tiere, die von Katzen gebissen oder von Milben befallen wurden.

In Bernburg gebe es einen Kleintierarzt, der sich recht gut mit den Tieren auskenne. Doch mittlerweile wüssten auch sie und Jana Schlaugat sehr gut, welches Mittelchen wann hilft.

Nur die artgerechte Ernährung, die sei bei einem Pflegefall – vor allem wenn dieser längere Zeit in menschlicher Obhut bleiben müsse – schwer umzusetzen. Dann ersetzen notgedrungen Mehlwürmer die sonst vielfältige Ernährung der Fledermäuse, die beispielsweise aus Mücken, Nachtfaltern und verschiedene Spinnen bestehen kann.

Doch leider schafft es nicht jedes Tier, das die beiden Fledermaus-Schützerinnen wieder versuchen aufzupeppeln. Wenn eine Fledermaus stirbt, dann finden Kathleen Kuhring und Jana Schlaugat das gleich doppelt traurig. Nicht nur, weil sie zu einigen Tieren schon eine persönliche Bindung aufbauen – Pflege-Fledermäuse hießen bei ihnen schon Paulchen oder Lotti – sondern auch, weil alle Fledermäuse in Deutschland auf der Roten Liste stehen, vor dem Aussterben bedroht sind.

Um der bedrohten Spezies zu helfen, kann jeder Mensch etwas tun. „Wenn man selbst merkt, dass man ein Quartier im Haus hat, sollte man das nach Möglichkeit offen halten“, so Jana Schlaugat. Auch helfe es, den Garten besonders blütenreich zu gestalten. Denn mehr Insekten helfen auch den Fledermäusen, satt zu werden. „Geht es in einem Sommer den Insekten schlecht, dann leiden auch die Fledermäuse“, sagt Jana Schlaugat. Dann sei an den eh schon sehr zarten Tierchen nicht genug Fett dran.

Wenn Jana Schlaugat und Kathleen Kuhring von den Fledermäusen – die sie oft liebevoll einfach „Mäuse“ nennen – sprechen, kann man die Leidenschaft für ihr Ehrenamt förmlich spüren. Kathleen Kuhring lacht und sagt: „Es ist eben echt wie eine kleine Sucht.“ Doch Jana Schlaugat versichert augenzwinkernd: „Unter Naturschützern sind wird schon noch normal.“