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Mitteldeutsche Kammerphilharmonie lässt 2012 ausklingen Fulminantes Neujahrskonzert: Das Publikum singt sogar mit

Von Renate Bojanowski 02.01.2013, 01:37

Schönebeck l Die weltberühmteste Internet-Suchmaschine nach "Bilanz" oder "Jahresrückblick" befragt, liefert zwischen siebenundzwanzig und neun Millionen Einträge. Eine Informationsflut, der beim besten Willen niemand Herr werden kann. Klein aber fein präsentiert sich dagegen der musikalische Jahresrückblick der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie. Die traditionelle Rückschau auf das abwechslungsreiche Programm des beliebten Klangkörpers aus dem vergangenen Jahr wird dem Publikum wegen der großen Nachfrage gleich an zwei Abenden präsentiert.

Mühelos füllte das Schönebecker Orchester unter der Leitung ihres Chefdirigenten GMD Christian Simonis am 30. und 31. Dezember das Bad Salzelmer Auditorium im IGZ. Die hier dargebotene Bilanz erinnerte durchweg schöne Momente aus 120 Konzerten. Simonis oblag an beiden Abenden auch die Moderation, die er einmal mehr mit reichlich Wiener Charme, Insider-Wissen und Anekdoten würzte.

Mit dem zweiten und dritten Satz aus der Sinfonie D-Dur des in Hettstedt geborenen Carl Christian Agthe gelang dem Orchester eine ebenso furiose wie feinsinnig abgestimmte "Vorspeise". Welch wunderbares Flötensolo konnte das Publikum im Rondo genießen.

Abseits von den kritischen Betrachtungen des Politikers Friedrich II. brachten die Streicher der Kammerphilharmonie seine Seele zum Klingen und gewährten mit zauberhaftem Piano im zweiten Satz der Sinfonie Nr. 4 A-Dur Einblicke in sein tiefstes Inneres.

Im Finale der Sinfonie Nr. 36 C-Dur KV 425 ("Linzer") herrschte pure Ausgelassenheit, die GMD Simonis delikat strukturierte und so zum allzeit durchsichtigen Hörgenuss werden ließ. Schwer hob der Chefdirigent am Riesenbuch von Joseph Lanners Werksverzeichnis.

Etwas weniger Gewicht hätte der Trompete im folgenden Hexentanz-Walzer op. 203 gut getan. Der in Magdeburg geborene Komponist Ernst Fischer vollendete den ersten Teil des Abends. Hier ließ es sich genüsslich "Am stillen Weiher" dem Klarinettensolo nachhören und lustvoll wie mit Schwung den vierten Satz lauschen. Nach der Pause wurde es "a bisserl militärisch, aber nicht so viel", wie der Moderator Simonis den Marsch von Josef Franz Wagner "Unter dem Doppeladler" kommentierte.

Mit feinsinnigem Humor spickte Simonis seine Geschichten und entlockte dem Ensemble wunderschöne Pizzicati, Trommelwirbel, Paukenschläge und Triangel-Klänge in allen erdenklichen Farben und rasant-schmissige Polkas. Das Publikum folgte dem sich als Entertainer outenden Maestro bereitwillig auf den vom Regen bedrohten Spuren vom "Kellergewölbe des Bierer Berges" zum Kulturverein Ottersleben, bei dem die Kammerphilharmonie während des Operettensommers musizierte - Wartezeit auf dieses Konzert laut Simonis: 700 Jahre.

Beim Glühwürmchen-Idyll von Paul Lincke animierte er die Zuhörer zum "Mitsingen, - summen oder lieblich brummen" bevor er selbst Hand - pardon - Stimme anlegte und mit fröhlicher Orchesterbegleitung "Heut kommen d\' Engeln auf Urlaub" sang. Juckte es den Zuhörern bis dahin "mitklatschtechnisch" nur in den Fingern, war es nun nicht mehr zu halten. Es jubelte, Bravo-Rufe durchbrachen stürmischen Beifall. Wer hat schon eine solche Jahres-Bilanz vorzuweisen?

Nach drei Zugaben entließ das Publikum "sein" Orchester. Aber nur, damit es zu den traditionellen Neujahrskonzerten ebenso temperamentvoll und fröhlich zurückkehren wird.