Aktionstag Glücksspielsucht lässt am Dienstag Luftballons in Schönebecker Himmel steigen Hart verdienter Lohn wird täglich verzockt: 200 Euro für den Spielautomaten
100 Luftballons werden am Dienstag in den Schönebecker Himmel steigen. Damit machen die Mitarbeiter der Awo-Beratungsstelle auf ein Tabu-Thema aufmerksam. Jährlich werden in dieser Anlaufstelle zehn Glücksspielsüchtige betreut.
Schönebeck l "Pro Tag 200 Euro an einem Spielautomaten zu verzocken, ist für einen Spielsüchtigen ganz normal", sagt Bernd Müsing. Er leitet die Awo-Beratungsstelle in Schönebeck für Suchtkranke und hat im Jahresdurchschnitt zehn Betroffene vor sich sitzen, die sich ein Leben ohne Glücksspiel nicht mehr vorstellen können.
Für die einen ist es die Hoffnung auf den großen Gewinn. "Irgendwann ist der Süchtige so tief in dem Kreislauf drinnen, dass er jedes Mal hofft, sein investiertes Geld endlich durch einen Gewinn auszugleichen", so Bernd Müsing. Für die anderen ist es die Atmosphäre in der Spielhalle.
Maurer oder Banker: Süchtige stammen aus allen Schichten
"Die dunklen Räume, die bunten Lichter der Automaten, vertraute Geräusche und man bekommt Kaffee umsonst serviert", versucht der 59-Jährige das Gefühl der Abhängigen zu beschreiben. Manch einer könne schon morgens an nichts anderes denken als zum Feierabend Geldstück für Geldstück in den Automaten zu werfen.
Die meisten Betroffenen hätten nämlich einen Feierabend. Bernd Müsing hat bereits Abhängige aus allen Bereichen, ob Maurer oder Bankkaufmann, kennengelernt: "Für die Spielsucht braucht es Geld und das verdienen sich die Süchtigen hart." Doch leider komme der Lohn irgendwann nicht mehr der Familie zugute, sondern wird täglich in mehrere Automaten gleichzeitig verteilt. Es gibt seinen Ausführungen nach Spieler, die von Automat zu Automat hechten. Sie müssen gar nicht hinsehen und würden schon am Geräusch erkennen, wenn einer nach einem neuen Knopfdruck verlangt.
Auch wenn mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland spielsüchtig sind, sei das immer noch ein Tabu-Thema, bedauert Stefanie Fiedler. Sie ist verantwortlich für die Suchtprävention in der Awo-Beratungsstelle.
Verwandte sollten Betroffene ansprechen
"Aufmerksam werden muss man spätestens, wenn das Glücksspiel den Alltag bestimmt und zum Lebensmittelpunkt wird", sagt die 29-Jährige. Ständige Geldnot und die Vernachlässigung von Freunden und Hobbys können für die Umwelt Hinweise sein.
"Sollte jemand im Familien- oder im Freundeskreis solche Veränderungen bemerken, sollten sie am besten den Betroffenen darauf ansprechen", rät Stefanie Fiedler. Schweigen sei hier nicht der richtige Weg. Auch Bernd Müsing ist überzeugt: "Für den Süchtigen kann es sehr wichtig sein zu erkennen, dass sich jemand für ihn interessiert und das sein Lebenswandel bemerkt wird."
"Das Geld für die Spielsucht ist hart verdient."
Bernd Müsing von der Beratungsstelle
Genau darum soll es am Dienstag auf dem Schönebecker Bahnhofsvorplatz gehen - über die Glücksspielsucht aufklären und auf das Problem aufmerksam machen. "Es gibt immer mehr Automaten, damit auch mehr Spieler und durch die neuen anonymen Möglichkeiten im Internet wird das Thema Glücksspielsucht stetig brisanter", klärt Stefanie Fiedler auf.
Auf ihr Anliegen aufmerksam wollen die Mitarbeiter der Beratungsstelle machen, indem mehr als 100 Luftballons unter dem Motto "Schieß dein Glück nicht in den Wind" um fünf Minuten vor 12 Uhr in den Schönebecker Himmel aufsteigen werden.
Am Dienstag, 25. September, klären von 11 bis 14 Uhr Experten der Awo-Beratungsstelle mit einem Stand auf dem Bahnhofsvorplatz in Schönebeck über das Thema Glücksspielsucht auf.