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Haushalt Schönebeck will Rotstift verhindern

Obwohl Schönebeck derzeit noch 1,7 Millionen Euro zu einem ausgeglichenen Ergebnishaushalt fehlen, denkt die Stadt nicht ans Streichen.

Von Emily Engels 20.03.2018, 00:01

Schönebeck l Eigentlich wird die Lösung für das Problem schwarz auf weiß im Finanzausschuss gegen die Wand gestrahlt. „Pflichtaufgaben haben Vorrang vor freiwilligen Aufgaben“ steht dort. Es ist eine der Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung, die Kämmerin Petra Pöschke vorstellt. Wer sich dann die freiwilligen Leistungen der Stadt Schönebeck anschaut, könnte meinen, dass es sich bei diesem Lösungsansatz um einen Scherz handelt.

Denn wie eine Sparmaßnahme wirkt die 18-stellige Liste der freiwilligen Leistungen auf den ersten Blick nicht. 2017 hat die Stadt dafür einen Zuschussbedarf von 5,9 Millionen Euro gehabt. Zum Vergleich: Das enspricht mehr als zweimal den Kosten für den Neubau der Kita „Am Gänsewinkel“.

Oberbürgermeister Bert Knoblauch (CDU) umschreibt das Problem. Er sagt: „Wir können uns nicht in die eigene Tasche lügen. Wir leben über unsere Verhältnisse.“ Denn Kommunen, die sich in der Haushaltskonsolidierung befinden – so die Empfehlung der Kommunalaufsicht – sollten nicht mehr als zwei Prozent des Haushaltes für freiwillige Leistungen ausgeben. In Schönebeck sind es noch immer stolze 9,6 Prozent.

Positiv ist: Der Fehlbetrag sinkt stets, als Grund nennt Petra Pöschke veränderte Zahlen bei Aufwendungen und Erträgen. Im November 2017 war von 4,2 Millionen die Rede, im Januar waren es 2,3 Millionen Euro, aktuell sind es noch 1,7 Millionen Euro. Allerdings sind es auch noch etwa 17,8 Millionen Euro, die die Stadt bis 2022 einsparen muss. Zumindest, wenn man nach der Hochrechnung geht, die Petra Pöschke jüngst im Finanzausschuss vorgestellt hat. Fakt ist schon jetzt: Ein ausgeglichener Haushalt ist für die Stadt für die Jahre 2018/2019 und Folgejahre nicht in Sicht. Es muss gespart werden, wo es nur geht.

Beziehungsweise müsste. Denn spricht man Bert Knoblauch auf die freiwilligen Aufgaben an, hält er an ihnen fest. „Ich möchte hier nur ungern etwas rausnehmen“, sagt er auf Anfrage der Volksstimme. Damit ist er nicht alleine.

Denn auch im Finanzausschuss äußert Heinz-Günter Burghart (CDU) seine Bedenken. „Wir können doch nicht bis ins Knochenmark reinsparen. Dann wird die Stadt nicht mehr lebenswert sein.“ So sieht es auch Knoblauch. Er fragt sich: „Wo würde man anfangen? Die Kulturfreunde würden vielleicht sagen, dass die Sporteinrichtungen gehen können und die Sportler würden vielleicht am ehesten auf den Jugendclub verzichten – jeder hat da seine Lobby zu bedienen.“

Außerdem sind viele Leistungen zwar freiwillig, dennoch aber nicht wegzudenken. Knoblauch: „Wenn wir die freiwilligen Leistungen alle streichen würden, hätten wir kein Problem mehr – jedenfalls kein finanzielles. Dann würden wir aber zuwuchern, weil auch die Grünpflege eine freiwillige Aufgabe ist. Prinzipiell freiwillig sind auch die mobilen Hochwasserschutzwände und die Wasserwehr.“

Bert Knoblauch meint zwar, dass er dem Land nicht den schwarzen Peter zuschieben möchte, sagt dann aber auch: „Die Aufgaben werden zwar immer mehr auf die Kommunen verlagert, das nötige finanzielle Gerüst dafür wird jedoch nicht geboten.“

Konkret meint er damit vor allem das Kinderförderungsgesetz (Kifög) und die Umstellung von der Kameralistik auf das neue Buchführungssystem der Doppik. Zum Vergleich: 2012, vor Einführung des Kifög, betrug das Defizit für die Stadt noch 1,4 Millionen Euro, im Jahr 2017 war der Betrag mit 3,9 Millionen fast dreimal so hoch.

Dies wiederum hat laut Knoblauch zwei Gründe: Zum einen müssen die Einrichtungen nicht mehr einen Fünf-Prozent-Gegenanteil bringen, zum anderen steigen die Personalkosten stetig. Auch eine Überarbeitung des Kifög, die das Land zum 31. Dezember 2017 in Aussicht gestellt hat, liegt noch immer nicht vor.

Bert Knoblauch macht deutlich: „Diese beiden Faktoren machen vielen Kommunen zu schaffen, wir sind mit dem Problem nicht allein.“ Er ist deshalb davon überzeugt: „Wir Kommunen können diese erhöhten Kosten auf Dauer nicht stemmen. Da muss das Land reagieren.“

Der Stadt bleibt jetzt zunächst übrig zu schauen, wo sie noch sparen könnte: Die Fachbereiche in der Verwaltung wurden noch einmal gebeten zu überprüfen, wie dringend einzelne Investitionen sind. Auch soll geschaut werden, ob Arbeitsprozesse effizienter gestaltet werden können. „Längerfristig könnte das bedeuten, dass Stellen nicht neu besetzt werden“, so Knoblauch. Denn auch die Personalkosten in der Verwaltung steigen, genaue Zahlen kann die Stadt der Volksstimme jedoch erst am Mittwoch nennen.

Wie geht es jetzt weiter? Heute wird die Kämmerei den Haushaltsentwurf in der Verwaltungsführung vorstellen, am 14. Juni soll er im Stadtrat beschlossen werden. Im April wird es zu dem Thema noch einmal eine Sondersitzung geben, wurde im Sozialausschuss angekündigt.

Gelingt es der Stadt nicht, die Fehlbeträge im Ergebnishaushalt auszugleichen, befindet sie sich in der vorläufigen Haushaltsführung und kann keine Fördermittel generieren. Das würde auch bedeuten, dass geplante Projekte wie die Sanierung der Straße Breiteweg sowie der Welsleber Straße erstmal auf der Strecke bleiben.

Was Bert Knoblauch dann noch bleibt, ist sein unermüdlicher Optimismus. „Wir werden jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern Lösungen finden.“

Meint er damit, dass Pflichtaufgaben Vorrang vor freiwilligen Aufgaben haben?