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Hobby Ein Leben für die Brieftaubenzucht

72 Jahre lang hat Werner Schapitz aus Eggersdorf Tauben gezüchtet. Doch aus gesundheitlichen Gründen ist damit jetzt Schluss.

Von Klaus Dieter Schmidt 05.02.2020, 09:00

Eggersdorf l Seit 72 Jahren beschäftigt sich der Eggersdorfer Werner Schapitz nun schon intensiv mit dem Brieftaubensport – und das kommt nicht von ungefähr. Aufgewachsen ist er in Eggersdorf, hat schon in seiner Kindheit die Taubenschwärme über den Dächern beobachtet. Sie weckten sein Interesse und den Wunsch, selbst Tauben zu halten. Die umfangreiche Taubenhaltung auf den großen Bauernhöfen bewunderte er stets, hatte sie ja vorwiegend das Ziel, zusätzlich zur Geflügelhaltung noch für einen leckeren Täubchenbraten zu sorgen.

Dies kam für den jungen Werner aber nicht in Frage. Der Wunsch nach einer eigenen Zucht war geweckt. Als 16-jähriger Heranwachsender begann er in der Nachkriegszeit, sein Vorhaben aus der Kindheit zu verwirklichen. Motiviert und geholfen hat ihm dabei der Eggersdorfer Frisörmeister Walter Zander, der im Dorf als ein begeisterter Brieftaubenzüchter einen Namen hatte.

Mit dieser Unterstützung war für Werner Schapitz der Wunsch nach einer eigenen Zucht bald verwirklicht. Anfänglich recht bescheiden, bewunderte er die Leistung seiner kleinen Schützlinge, wenn sie nach absolviertem Flug wieder in den Heimatschlag zurückkehrten.

Zunehmend wuchsen das Interesse und der Wunsch nach mehr Wissen über die Taubenhaltung. Die Mitgliedschaft im Schönebecker Sporttaubenverein ließ nicht lange auf sich warten. Der Verein war damals noch in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) integriert. Später lösten sich die Brieftaubenzüchter von der GST und gründeten einen eigenen Brieftaubensportverein in Salzelmen.

Der Spaß und die Freude an der Arbeit mit seinen gefiederten Tieren ließen Werner Schapitz nicht mehr los. Im Laufe der Jahre zeigten sich auch die ersten Erfolge. Seine Arbeit wurde ausgezeichnet, anfänglich mit Urkunden und zunehmend mit Pokalen. Er sammelte oder genauer formuliert, „erarbeitete“ mit seinen Tauben zahlreiche Kreismeistertitel und gute Platzierungen.

Ein ganz besonderer Höhepunkt für einen Brieftaubenzüchter ist ein Wettkampf, bei dem er gegen eine große Zahl von Konkurrenten antreten kann. Und wenn dann die eigenen Tauben auch noch gute Platzierungen erreichen, ist die Freude besonders groß.

Im Jahr 2013 gelang Werner Schapitz so ein Höhepunkt. Eine seiner Tauben siegte bei einem Wettkampfflug in Lowic in der Nähe von Warschau in Polen. Sie war von den etwa 9000 gestarteten Tauben die Schnellste und errang bei dem 602 Kilometer langen Weitstreckenflug den 1. Preis. Obwohl Schapitz bei Streckenflügen ab 400 Kilometer schon mehrmals Siege errang, war er über den Sieg in Polen besonders glücklich – und auch ein wenig stolz.

Aber wie läuft so ein Streckenflug eigentlich ab? Die Antwort darauf weiß Werner Schapitz aus seiner langjährigen Erfahrung im Taubensport natürlich und erklärt. Der Züchter bringt seine für den Streckenflug ausgesuchten Tauben zu einer Sammelstelle. Hier erfolgt die Registrierung mit einem Sonderring. Anschließend erfolgt per Express der Transport zum Auflassort. Von dort informiert der Auflassleiter die Vereine oder über den Rundfunk die Freigabe des Fluges, damit sich die Züchter auf die Ankunft ihrer Tiere einstellen können.

Ein Züchter schickt meist gleich mehrere seiner Tiere an den Start – hauptsächlich männliche Tauben. Denn die möchten ja möglichst schnell zu ihrer Partnerin in den heimischen Schlag zurückkehren.

Für den Eggersdorfer Schapitz beginnt in solchen Momenten eine aufregende Zeit. Erwartungsvoll sieht er dem Eintreffen seiner „Wettflieger“ entgegen und richtet ständig seine Blicke zum Taubenschlag. Das seien für Zuchtfreund Schapitz immer Momente hoher Anspannung und Erwartung. Hier spüre er das Ergebnis seiner investierten Arbeit, schätzt das Leistungsvermögen seiner Tiere ein und zieht Schlussfolgerungen für die weitere Zucht.

Am Taubenschlag abgekommen wird über Funk die Ankunftszeit der jeweiligen Tiere genau registriert. Das heißt, die Taube läuft über eine Einrichtung, die mit einer Antenne verbunden ist und die Ankunftszeit erfasst. Das Ergebnis wird an eine Zentrale übermittelt, wo die Auswertung erfolgt.

Ausschlaggebend für die Schlussfolgerungen, die Werner Schapitz aus den Ergebnissen der Streckenflüge schließt, ist sein phänomenales Wissen und Können in der Brieftaubenzucht, das er sich in mittlerweile mehr als 72 Jahren Zuchtinteresses angeeignet hat.

Beschäftigt man sich näher mit der Rasse von Schapitz Brieftauben, erfährt man, dass es sich um eine Haustaubenrasse handelt mit stark ausgeprägtem Ortssinn, hoher Fluggeschwindigkeit und Ausdauer.

Es geht bei der Brieftaubenzucht nicht um die Schönheit der Tiere, sondern vielmehr ist eine ausdauernde Flugbereitschaft gefragt. Schon im 12. und 13. Jahrhundert nutzte man diese Eigenschaft für die Nachrichtenübertragung. Aber dies lässt sich nur erreichen durch eine gezielte Abrichtung. Und genau diese war auch das Kernstück von Werner Schapitz züchterischer Arbeit – seine Tauben für lange Streckenflüge trainieren.

Wie dies gehandhabt wird? Dazu Schapitz: „Durch langjährige Erfahrung erkennt man bei genauer Betrachtung was ein ‚Leistungsflieger‘ werden könnte, sortiert aus, denn jede Taube zeigt ein spezifisches Verhaltensmerkmal, eignet sich mehr oder weniger für einen Wettkampfflug. Dies richtig zu erkennen und einzuschätzen, darauf kam es mir immer an.“

Gute Wettkampfflieger können schon mehrere Jahre alt werden. Eine Stammzuchtverjüngung muss daher ständig erfolgen, um wieder aus dem zahlreichen Nachwuchs geeignete Tiere zu finden. Eine tägliche Pflege und Fütterung ist dabei unabdingbar und verlangt viel Zeit.

Dies fällt dem 87-jährigen Werner Schapitz zunehmend schwerer. Aufgrund gesundheitlicher Probleme hat sich Werner Schapitz nach 72 Jahren schweren Herzens vom Brieftaubensport verabschiedet, nimmt an den Wettkämpfen schon längst nicht mehr teil. Mit der Auflösung seiner Taubenzucht hat er bereits begonnen, obwohl es ihm nicht leicht fällt. Er bedauert auch, dass in der heutigen Zeit die Kleintierzucht nicht mehr den Stellenwert wie in früheren Zeiten hat und die Jugend weniger Interesse zeige.

Der Brieftaubensport: Das war für Werner Schapitz sein Leben, das er in vollen Zügen genoss. Hier hat er eine tiefe Zufriedenheit und Ausgeglichenheit erfahren, die begleitet wurde von Lebensfreude, Erholung und Entspannung.

Doch auch wenn Werner Schapitz sich von der aktiven Taubenzucht zurückzieht, hat er noch einen Wunsch: „Ich möchte mit meinen gesammelten Erfahrungen viele junge Menschen ansprechen, mit dem Ziel, sich auch einmal im Taubensport auszuprobieren.“