Lichtmess Glinde Jedes männliche Baby ist bereits Mitglied
Anfang Februar feiern die rund 290 Einwohner von Glinde Lichtmess. Der Festumzug startet am Sonntag um 14 Uhr.
Glinde l Da wird nichts dem Zufall überlassen. Die „revolutionäre“ Neuerung ist schließlich eine Zäsur, im Glinder Lichtmess-Geschehen. Ein genauer Plan zeigt Stellorte, die Route und Einzelheiten für die Akteure. Damit sich der Umzug nicht zum Ortsausgang „tot läuft“, wird das Jahr 2017 in die Geschichte eingehen, wo etwas gravierend verändert wurde. Und das ist im konservativen Glinde (bitte jetzt keine Proteste: konservativ kann auch etwas Positives bedeuten) ein starkes Stück. Der Festumzug startet wie gehabt nahe der Kirche, macht dann aber ab Hausnummer 15 einen Rechtsschwenk in die schmale Gasse in Richtung „Goldener Anker“. Und das zweimal. „Damit ist der Umzug nicht mehr so lang gezogen und die Leute bleiben in der Ortsmitte“, hofft Vorstand Christoph Randel.
Denn die Besucherreihen lichteten sich bisher oft, wenn die mobilisierte Gemeinschaft zum Sportplatz zuckelte, dort wendete und die gesamte Tour zurück zu „Emmes Insel“ machte. Wo nach altem Brauch die Sonne entzündet und das Lied „Der Mai ist gekommen“ gespielt wird.
„Wir haben extra Urkunden machen lassen, die den Kindern nach der Geburt übergeben werden.“
Bevor sich zwischen St. Matthäuskirche und „Haus der Sonne“ die Festbilder formieren, nehmen die ehrenwerten Lichtmessvorstände im Wirtshaus „Goldener Anker“ einen Korn zur Brust. Dort wird nach jahrzehntealtem Brauch die „Kronleuchterrunde“ gegeben, die so etwas wie der Startschuss für den Umzug ist. Der Leuchter ist allerdings nicht mehr da – er gehört heute den Barbyer Heimatfreunden, hängt ab dieser Woche im „Rautenkranz“ beim Fasching.
Was gebaut wird bleibt natürlich bis morgen Nachmittag ein Geheimnis. Erst wenn sich die Hoftore öffnen und ihre mehr oder weniger ulkigen Gefährte ausspeien, herrscht Klarheit. Auch untereinander wissen die jeweiligen Männergemeinschaften nicht was gebaut wird. Im Prinzip sind deshalb thematische Doppelungen nicht ausgeschlossen, aber äußerst selten. Das zeugt von der Kreativität der Glinder „Mannslide“.
Wie Christoph Randel sagt, treffen sich traditionell alle Lichtmess-Aktiven am letzten Sonnabend des alten Jahres in der Dorfkneipe, wo quasi der Startschuss fällt. Die Bauerei beginnt dann kurze Zeit später, vier Wochen vor Lichtmess.
Die Vorstände haben genug zu tun mit der Organisation und dem Drumherum, so dass sie vom Bauen der Umzugsbilder befreit sind. Es handelt sich um jene Herren, die beim Umzug in Frack und Zylinder hinter dem Sonnenträger marschieren.
Die Lichtmess ist für das Elbedorf mehr als nur ein heiteres Fest mit Umzug. Sie ist Alleinstellungsmerkmal und Schweißgerät für die Dorfgemeinschaft. So erzählt Alt-Vorstand Uwe Sevecke gerne jene bezeichnende Story, die sich um Bratwürste rankt, die für das gemeinsame Männerfrühstück am Sonntagmorgen eingesammelt werden. Es ist seit Jahrzehnten Usus, dass jeder Haushalt eine Wurst dafür bereit stellt. Hin und wieder begab es sich aber zu der Zeit, dass jemand mit dieser Tradition brechen und eben keine Wurst (die seine bedingungslose Hingabe für die Lichtmess demonstriert) gab. Der Mann zeigte dem fidelen Einsammel-Kommando die kalte Schulter, indem er die Tür nicht öffnete. Was der „Querulant“ nicht mitbekam: Seine Schwiegermutter hatte heimlich die Pforte geöffnet und eine Wurst heraus gereicht.
Was sollen denn sonst auch die Leute sagen ...
Übrigens ist jeder männliche Glinder „automatisch“ Mitglied der Lichtmess-Bewegung. Christoph Randel: „Wir haben extra Urkunden machen lassen, die den Kindern nach der Geburt übergeben werden.“ Wobei die Herren des Komitees zuweilen schneller sind, als der Pastor oder die Vertreter anderer Vereinigungen. Diese Mitgliedschaft manifestiert sich im so genannten Komitee-Beitrag, der pro Nase 5 Euro im Jahr beträgt. Derzeit sind rund 130 männliche Wesen registriert.
Wer derart offensiv Nachwuchsgewinnung betreibt, dem braucht um die Zukunft nicht bang zu sein. Und selbst wenn mal jemand ausschert: Es wird immer eine Schwiegermutter geben, die die Wurst aus der Pforte reicht ...