Anamnesebogen, der seit 2005 in Bernburg genutzt wird, gilt jetzt auch für Schönebecker und Staßfurter Klienten Jobcenter fragt nach Schulden, Vorstrafen und Suchtproblemen
Der Schutz der persönlichen Daten ist ein hohes Gut. Das Jobcenter des Salzlandkreises arbeitet flächendeckend mit einem sogenannten Anamnesebogen, in dem Angaben nach Bewährungsstrafen und Suchtproblemen abgefragt werden. Ein Leistungsempfänger sieht darin sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Jobcenterleitung erklärt, worum es geht. Der Landesdatenschutzbeauftragte sieht kein Recht verletzt.
Staßfurt/Bernburg. "Wissen Sie eigentlich, was die im neuen Jobcenter jetzt alles von den Leistungsempfängern wissen wollen?" Empört rief ein Kunde des Jobcenters aus dem Raum Staßfurt bei der Volksstimme an. Seinen Namen will der Mann nicht in der Zeitung lesen, zu sehr fürchtet er Negatives von Seiten des Jobcenters.
"Was gehen das Jobcenter diese persönlichen Daten an und wer hat Zugriff?"
"Die Fallmanager fragen jetzt nach Vorstrafen, aktuellen Bewährungsstrafen, Suchtproblemen und Schulden", erklärt der Mann. Abgefragt werde das im ersten Gespräch und eingetragen in einen Fragebogen. Die entsprechende Seite stellte er der Redaktion zur Verfügung.
"Was gehen das Jobcenter diese persönlichen Daten an? Und vor allem, wer hat alles Zugriff auf diese Daten?" Er macht sich Sorgen, dass diese Informationen in die falschen Hände geraten könnten und dann der Arbeitssuchende automatisch schlechte Karten bei seinen Bewerbungen hätte. "Und wer kümmert sich darum, dass die Informationen gelöscht werden, wenn sich die Lebenslage des Leistungs- empfängers ändert?", fragt er.
Die Sorgen seien unbegründet, erklärt Edith Völksch, Geschäftsführerin des Jobcenters im Salzlandkreis.
"Daten werden nur bei einer Einverständniserklärung genutzt"
"Die erhobenen Angaben werden der Akte zugeführt, die der Betroffene jederzeit einsehen kann." Sie würden "nur dann genutzt oder weitergeleitet, wenn der Betroffene hierzu schriftlich sein Einverständnis erklärt.
Dies trifft beispielsweise zu, wenn Lebenslaufdaten an Arbeitgeber oder Angaben zu gesundheitlichen Einschränkungen an den Amtsarzt zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit übermittelt werden."
Die Fragen werden in einen Erstgespräch zwischen Klient und Fallmanager mit einem sogenannten Anamnesebogen gestellt. Der Bogen fungiere als Gesprächsleitfaden, der die Erhebung von Einzelangaben des Kunden über seine persönlichen und sachlichen Verhältnisse vereinheitliche, heißt es von Seiten des Jobcenters. "Entwickelt wurde der Fragebogen auf der Grundlage methodischer Hinweise in der Fachliteratur sowie in Schulungen zum Fallmanagement und er wird am Standort Bernburg in abgewandelter Form seit 2005 genutzt", erklärt Völksch.
Im Zuge der Zusammenlegung der früheren Einrichtungen wird dieser Bogen nun einheitlich verwendet. Angaben, die die Bernburger seit sechs Jahren machen, werden nun auch in Schönebeck und Staßfurt abgefragt. Sie sind,wie Völksch betont, freiwillig.
Warum sind diese persönlichen Angaben aber wichtig? Diese Daten seien häufig Hinweise darauf, welche Vermittlungshemmnisse bestehen. Darum könne auf deren Erhebung nicht verzichtet werden.
Denn gerade Probleme wie Sucht oder der Umgang mit Geld stellten Hürden auf dem Weg in den Arbeitsmarkt dar.
"Das Fallmanagement umfasst auch soziale Hilfen"
Diese anzugehen, sei Aufgabe der Jobcenter-Mitarbeiter: "Fallmanagement umfasst daher nicht nur arbeitsmarktorientierte Hilfen, sondern auch soziale Hilfen", sagt Völksch.
Auch der Landesbeauftragte für Datenschutz stellt fest, dass die Erhebung der sensiblen Daten zulässig ist, "da die Träger der Grundsicherung alle im Einzelfall für die Eingliederung erforderlichen Leistungen zu erbringen und dabei die Eignung, die individuelle Lebenssituation, die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und die Dauerhaftigkeit der Eingliederung zu berücksichtigen haben", schreibt Harald von Bose, der Landesdatenschutzbeauftragte, zur Volksstimme-Anfrage.
Das Jobcenter des Salzlandkreises ist übrigens kein Vorreiter in dieser Sache. Eine Internetrecherche brachte schnelle Ergebnisse. Zum Beispiel kann man beim Jobcenter in Hamm (Nordrhein-Westfalen) ähnliche Anamnesebogen zum Download abrufen.