Kammerphilharmonie Die Pläne des neuen Chefdirigenten
Jan Michael Horstmann spricht über seine Pläne, die er als Dirigent für die Mitteldeutschen Kammerphilharmonie Schönebeck hat.
Schönebeck l Einige Kinder bekommen die Musik in die Wiege gelegt. Bei Jan Michael Horstmann fing das mit der Musik schon vor der Wiege an. „Meine Mutter war Balletttänzerin und hat beim Meistersinger von Nürnberg mitgetanzt, als sie mit mir schwanger war“, erzählt Jan Michael Horstmann. Als Kind verliebte er sich dann in die Verfilmung der Mozart-Oper „Die Zauberflöte". „Ich habe sie jeden Tag geschaut, kannte irgendwann jede Note, jede Szene in und auswendig“, erzählt er lachend.
Und dann spricht er von seiner Liebe zu Wolfgang Amadeus Mozart – und ist dabei ganz in seinem Element. „Das ist einfach ein Komponist, der keine Note zu viel geschrieben hat“, sagt er und spricht dabei zwar schnell und voller Leidenschaft, aber gleichzeitig sehr reflektiert und geordnet. „Die Musik ist spannend, vielschichtig, vielseitig“, schwärmt er.
Mozart schafft für ihn auch gleichzeitig eine Verbindung zur Mitteldeutschen Kammerphilharmonie Schönebeck. Jenem Orchester, bei dem er ab 1. September als Chefdirigent Nachfolger von Gerard Oskamp wird. Denn während er von 1994 bis 2004 stellvertretender Generalmusikdirektor am Theater in Magdeburg war, lud ihn der damalige Chefdirigent der Kammerphilharmonie, Stefanos Tsialis, dazu ein, als Gastdirigent mit dem Orchester aufzutreten. Auf dem Programm stand neben Werken von Anton Webern und Georg Anton Benda auch die Jupiter-Sinfonie von Mozart.
Dass der 1968 in Frankfurt am Main geborene Dirigent jetzt erneut nach Sachsen-Anhalt ziehen wird, freut ihn sehr. Eine wechselnde Heimat gehörte schon in seinem Kindesalter zum Leben dazu. Mit seinem Vater, einem Schauspieler, und seiner Mutter, die nach seiner Geburt mit dem Tanzen aufhörte und als Kostümbildnerin arbeitete, zogen sie oft um.
Am häufigsten lebte Horstmann dabei in Wuppertal, wo er derzeit noch wohnt. „Nach Wuppertal bin ich insgesamt schon viermal gezogen“, erzählt er lachend. In der Stadt war er unter anderem als Kapellmeister tätig, arbeitete zudem viel am Tanztheater mit der legendären Ballerina Pina Bausch zusammen.
Und obwohl er noch nicht genau weiß, ob er mit seiner Frau, eine Opernsängerin, und seinen gerade geborenen Zwillingen nach Magdeburg oder Schönebeck ziehen wird, weiß er schon jetzt, dass er sich hier in der Region wohlfühlen wird: „Schon damals hat mich die Offenheit, die Freundlichkeit der Menschen hier beeindruckt.“ Und Offenheit – die will Horstmann auch in seinem Schaffen als zukünftiger Chefdirigent zeigen. Und zwar in vielerlei Hinsicht. Zum einen ist da die Offenheit für Stücke und Konzepte.
So hat er beispielsweise vor, jedes Konzert der großen Abo-Reihe mit einem Ort oder einem Land in Verbindung zu bringen. „Das reicht vom Schloss von Versaille über Wien und Prag bis hin nach Russland“, kündigt er an. Diese musikalischen Ausflüge, auf die er das Publikum mitnehmen will, verraten gleichzeitig eines seiner größten Hobbys: das Reisen. „Es gibt wohl kaum einen Ort, von dem wir in der Konzertreihe erzählen werden, an dem ich selbst noch nicht war“, so Horstmann.
Dabei schwebt ihm zudem vor, jeweils ein Werk eines zur NS-Zeit unterdrückten Komponisten im Programm mit aufzunehmen. Denn, so findet Horstmann: „Ein gutes Programm darf nicht nur aus ‚schönen‘ Stücken bestehen. Es muss von Reibungen, von verschiedenen Strömungen geprägt sein.“
Letzteres hat auch mit einem weiteren Punkt zu tun, in dem Horstmann eine besondere Offenheit zeigt: die Verbindung von Kultur und gesellschaftlichen Themen. „Als Kulturschaffender kann ich die Politik nicht außen vor lassen“, findet er. Deshalb hat er sich etwa vorgenommen, offene Generalproben zu veranstalten, zu denen Asylbewerber aus der Region eingeladen werden. „Die Generalprobe findet eh statt und die Aktion kostet uns nichts. Und die Asylbewerber werden so an die Hand genommen, lernen einen Teil unserer Kultur kennen“, erzählt er von der Idee, die nur eine von vielen ist.
In der kleinen Konzertreihe hingegen möchte er vermehrt den sachsen-anhaltinischen Carl Christian Agthe erklingen lassen. Unter dem Arbeitstitel: „Agthe X – die unheimlich schönen Werke des CCA“.
Doch Horstmann liebt auch die Alte Musik (Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Barock), bei der er das Orchester mit dem Cembalo begleitet, genauso, wie das Chanson – hier begleitet er auf dem Klavier seinen eigenen Gesang. Und die einmal im Jahr in Schönebeck so hoch gefeierte Operette? „Die kann ich nicht ausstehen“, sagt er mit todernster Miene. Und ein paar Schreckenssekunden später verrät er laut lachend: „Die liebe ich selbstverständlich sehr.“
Dirigieren, Klavierspiel, Chansons. Keine Frage: Bei Jan Michael Horstmann handelt es sich um einen Vollblutkünstler, ein wahres Multitalent. Dass er auch viel mit Tänzern zusammengearbeitet hat – und das nicht nur mit Pina Bausch in Wuppertal, sondern während seiner Magdeburger Zeit auch mit dem dortigen Ballett – ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er findet es spannend, die Tänzer zu beobachten, sich der Tagesform und dem Tempo anzupassen. „Und“, so sagt er augenzwinkernd, „in uns Dirigenten steckt schließlich auch irgendwo etwas von einem Ausdruckstänzer.“