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Gericht Keine "kleptomane Selbsthilfegruppe"

Richter Eike Bruns hat eine 42 Jahre alte Angeklagte in Schönebeck zu einer Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Von Bernd Kaufholz 29.09.2017, 13:25

Schönebeck l 24-mal ist Janett L. zwischen 1999 und 2012 mit dem Gesetz in Konflikt geraten und zumeist waren es Diebstähle, für die sie sich verantworten musste. Aber auch mit Delikten wie Betrug, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Unterschlagung und „Fahrerflucht“ hat die 42-Jährige Amtsgerichte in Schönebeck, Magdeburg, Aschersleben, Bernburg und Halle beschäftigt. Selbst beim Landgericht Magdeburg ist sie keine Unbekannte. Geld- und Haftstrafen waren die Quittung für ihre Straftaten – aber zur Umkehr auf ihrem abschüssigen Weg haben sie die Sanktionen nicht bewegt.

Im aktuellen Fall hat L. am 12. Oktober 2016 im Toom-Baumarkt Batterien, eine Überwachungskamera, zwei Energiesparlampen und neun Lufterfrischer mitgehen lassen. Gesamtwert: rund 175 Euro. Bei Norma waren es Waren im Wert von 16 Euro. In beiden Fällen soll die Frau mit den langen Fingernägeln und der lockigen, rückenlangen Mähne in männlicher Begleitung gestohlen haben. Vermutlich war dieser „Mr. X“ der Sohn der Angeklagten.

Strafverteidiger Tobias Ellrott versuchte das Gericht davon zu überzeugen, dass seine Mandantin stehlen muss. Er legte zwei Gutachten vor. Das eine wurde im Zusammenhang mit einem Prozess 2011 erstellt, das andere ist jüngeren Datums und wurde im Juli dieses Jahres gefertigt. Beide sprechen von „kleptomanen Zügen“. Die Angeklagte „neigt unter Belastungen zu Diebstählen“. S. sei abhängig von Crystal Meth.

Deshalb habe sie auch „nur vage Erinnerungen“ an die vorgeworfenen Taten. Da sie jedoch jedes mal noch am Tatort überführt worden war, räume sie die Diebstähle ein.

Zwei Zeugen, die das Geschehen in den Geschäften verfolgt hatten, belasteten die Angeklagte. Einem Mann aus Möckern, der sie nach der Tat bei Norma gestellt hatte, hatte L. gesagt: „Ich muss das machen. Mein Sohn ist alkohol- und drogenabhängig.“ Der Begleiter habe sich da bereits aus dem Staub gemacht, und weil die Frau nicht mit zurück ins Geschäft kommen wollte, habe er die Polizei alarmiert.

Der Toom-Bereichsleiter schilderte, dass die Tasche der Angeklagten ausgeleert wurde. „Sie hat gesagt, dass sie die Sachen andernorts gekauft hat. Wir haben sie dann eingescannt und festgestellt, dass sie in unseren Regalen lagen.“

Blieb letztlich nur die Frage, ob die 42-Jährige Herr ihrer Sinne war, als sie lange Finger gemacht hat. Der Richter war davon überzeugt: „Ich nehme ihnen ihre Erinnerungslücken nicht ab. Aber diese Schutzbehauptung müssen sie ins Feld führen, damit sie auf Kleptomanie abheben können.“ Es sei doch lebensfremd, dass man sich in beiden Fällen zu einer „kleptomanen Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen hat, um lange Finger zu machen“. Dem Kleptomanen komme es auf Druckabbau an, nicht um die gestohlene Sache, die er zumeist gar nicht gebrauchen kann und oft nach der Tat wegwerfe. „Sie haben einfach geklaut.“

Und zu den Gutachten: „Dort wurde doch nur notiert, was sie erzählt haben. Die Gutachten beruhen somit nur auf ihren Angaben.“ Und noch etwas spräche gegen pathologisches Stehlen. „Seit 2012 sind sie nicht mehr straffällig geworden. Wären sie wirklich krank, hätten sie auch während dieser Zeit zwanghaft weiter gestohlen.“

Janett L. muss zusätzlich 100 gemeinnützige Stunden ableisten.

Mit seinem Urteil lag Bruns über dem Antrag des Staatsanwalts, der eine Geldstrafe gefordert hatte.