Gnadauer Friseurmeister beweist Mut zum Risiko / Alle Mitarbeiterinnen wurden übernommen Kleiner Friseur-Familienbetrieb übernimmt die 15-köpfige "Scherenschnitt GmbH"
In der Regel übernehmen große Firmen kleinere. Doch im Fall der Gnadauer Friseurmeister Jürgen und Andreas Gutsche ist es umgekehrt. Ihr Dreimann-Betrieb übernahm zu Jahresbeginn die 15-köpfige Scherenschnitt GmbH Calbe/Barby.
Gnadau l "Wir haben eine Weile überlegt, denn das war ja ein ganz schöner Happen", reibt sich Jürgen Gutsche im Nachhinein das Kinn. Denn plötzlich "Großbetrieb" zu werden, erfordert nicht nur ein anspruchsvolleres Management, sondern auch Geld für Investitionen.
Das berufliche Wirken des Gnadauer Friseurmeisters Jürgen Gutsche ist mit 59 Jahren absehbar. Sein Sohn Andreas ist 39. Da plant man die Zukunft langfristiger.
"Die Chefin der Scherenschnitt GmbH hat uns die Nachfolge angeboten, da sie in Rente geht", berichtet Jürgen Gutsche. Man habe hin und her überlegt, den Wirtschaftsberater konsultiert. Dann sprach aber auch das Schicksal ein Wörtchen mit.
"Die Chefin hat uns die Nachfolge angeboten"
Andreas Gutsche hat seinen Salon im Objekt des Penny-Marktes am Wilhelmsweg. Nach dessen Schließung im vergangenen Jahr verringerte sich die Zahl der Laufkundschaft. "Es blieben vor allem die Reha-Patienten weg, die im Supermarkt einkauften und mitbekamen, dass hier ja auch ein Friseur ist", erzählt der 39-Jährige.
Damit stand die Frage, schicksalsergeben so weiterzumachen oder Risiko einzugehen.
Andreas Gutsche und sein Vater entschlossen sich für letzteres. "Wir hatten uns schon vor dem Scherenschnitt-Angebot nach einem geeigneten Ausweichobjekt in Barby umgeschaut", verrät Gutsche senior. Keines hätte aber den Vorstellungen entsprochen.
Seit 1. Januar ist Gutsche junior Chef seiner bisherigen und einer weiteren Filiale in Barby sowie zwei Filialen in Calbe. Wie er sagt, würden alle 15 Scherenschnitt-Mitarbeiterinnen übernommen. Damit hat der 39-Jährige schlagartig statt einer nun 16 Mitarbeiterinnen. Und wie haben die Kolleginnen ihre neue Situation empfunden? "Die Frauen waren erleichtert, dass es weitergeht", sagt Andreas Gutsche.
Sein Vater Jürgen wechselt mit seinem Gnadauer Salon damit ins Arbeitnehmerverhältnis. So ändern sich die Zeiten, wenn der Sohn zum Chef wird.
Die Gutsches sind Friseure aus Leidenschaft und Tradition. Begründer war in den 1930er Jahren Oswald Gutsche, der von Posen nach Barby kam. Er war noch einer jener "mobilen Friseure", die ihr Handwerkzeug in der Ledertasche bei sich trugen und die Kunden Zuhause besuchten. Ihm folgte Günter Gutsche, der den Gnadauer Salon in der Bahhofstraße begründete.
Ebenso wie Vater Jürgen wuchs auch Andreas in das Geschäft von Rundschnitt und Dauerwelle hinein. Als junger Friseur übernahm er 1995 das Geschäft in Barby. "Es gibt ältere Kunden, die sagen: Jetzt gehen wir zum Teichfriseur", lächelt der Juniorchef. Der Supermarkt wurde 1991 auf einem Gelände gebaut, wo Jahrzehnte vorher ein Teich war.
"Die Frauen waren erleichtert, dass es weitergeht"
Vater und Sohn sind nicht nur Fußballfans, sondern auch Ortschaftsräte in Gnadau. Damit ist schon mal sichergestellt: Die klassische Friseurkonversation mit den Kunden wird sich wohl nicht nur auf Themen wie Wetter oder Wer-ist-denn-gestorben beschränken.