Gartenanlage Calbe Kleingärtnerin: "Lass dein Kind die Raupe essen!"
Der Verband der Gartenfreunde und die Volksstimme stellen Kleingärtner vor. Diesmal: Die Calbenser Kleingartenanlage "Feierabend".
Calbe/Schönebeck l "Mit Spinat fängt es an und mit Rosenkohl hört es auf", sagt Ingrid Klabunde, in dritter Generation in einer Parzelle des Calbenser Kleingartenvereins "Feierabend". 1938 wurde er gegründet und und ist bis heute beinahe komplett besetzt: 100 der 102 Gärten sind bewirtschaftet - wobei eine Parzelle rund 500 Quadratmeter misst. Genug Platz, um jegliches Obst und Gemüse anzubauen, welches nicht bloß das Herz begehrt. "Es geht nicht nur um die Nährstoffe und Vitamine in den angebauten Lebensmitteln. Es geht auch um die Behandlung. Ich lasse mein Kind lieber eine Raupe essen, als das gespritzte Zeug aus den Supermärkten", sagt Klabunde. Bei der 63-Jährigen liegt nichts brach.
Jeder Zentimeter wird genutzt. So hat sie es von ihrer Mutter gelernt. Marianne Zabel, die noch immer im Garten mithilft: "Ich habe immer mit den Kindern geschimpft, als sie mir durch die Beete getrampelt sind", erinnert sich Zabel. Sie weiß aber, dass der Garten den Kindern gut tat. "In der Natur kann man den Kindern viel mehr vermitteln. Sie lernen, wie das Gemüse und Obst draußen wächst und nicht im Geschäft." Zabel selbst hat die Parzelle 1963 von ihrem Onkel übernommen - und der hatte sie seit der Gründung 1938. Es ist ein Stück Erde, dass sich mit Klabunde bereits in Händen der dritten Generation befindet - und die vierte steht schon in den Startlöchern: Stefanie Sabrowski. Die 35-Jährige ist die Nichte Klabundes und packt seit Jahren schon mit an. Auch sie sagt: "Gartenarbeit stärkt das Immunsystem."
"Gartenarbeit stärkt das Immunsystem"
Manfred Bertram kann dem nur beipflichten: "Man braucht den Garten zur Gesunderhaltung", sagt der agile 81-Jährige, der seine Parzelle seit 1965 bewirtschaftet. Seit nun 50 Jahren baut er alles an, was man zuhause auch braucht. "Ich ärgere mich, wenn die Gärten ungenutzt sind", sagt Bertram. Jeden Tag frühstückt er selbstgemachte Marmelade aus Früchten seines eigenen Gartens. "Man braucht nichts zu kaufen, wenn man alles selbst anbaut." Nur wenn schlechtes Wetter ist, oder die Ernte daneben geht, "dann gehe ich eben in den Supermarkt." Jeden Vormittag geht Bertram in seinen Garten, den er liebevoll "sein Revier" nennt. Er liegt etwa 20 Gehminuten von seiner Wohnung entfernt. "Der Garten würde mir fehlen. Ohne ihn wüsste ich nicht, was ich sonst noch sinnvolles tun könnte", sagt der Rentner. Und die Bewegung hält ihn fit.
Peter Jöhnke kann das verstehen. "Die Gesundheit steht im Vordergrund", sagt der 68-Jährige. Sein Vater hat eine Parzelle im Nachbarverein "Freundschaft" 1957 übernommen, Jöhnke erbte sie 1971. "Damals ging es in erster Linie darum, meine Familie zu versorgen. Heute ist es die Erholung, die mir am wichtigsten ist." Alles was der Senior anbaut, ist unbehandelt. "Ich habe noch nie etwas gespritzt", sagt Jöhnke, der in die Gartenarbeit "reingewachsen" ist, wie er sagt.
"Noch nie etwas gespritzt"
Ähnlich war es bei Klaus Fischer im Kleingartenverein "Freundschaft" - obwohl es den 72-Jährigen zu Beginn überrumpelt hat. "Auf einmal hieß es: \'Du kriegst einen Garten!` - dabei wollte ich gar keinen Garten", erinnert sich Fischer heute schmunzelnd. "In meinem ersten Garten sah es aus wie auf dem Mond", sagt Fischer. Dann steckte er viel Arbeit rein, bewirtschaftete ihn. Jetzt, 50 Jahre später, sagt er: "Ich baue inzwischen alles an - außer Kohl." Die Gartenarbeit tut Fischer gut: "Garten ist die beste Medizin", sagt er fest überzeugt. Dabei achtet er auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance: "Morgens wird gearbeitet und nachmittags entspannt."
Ingeborg und Rolf Badelt haben seit 50 Jahren eine eigene Parzelle. Sie radeln fast täglich hinüber in den Garten. Früher haben sie ihre Wochenenden hier verbracht, die Kinder hatten Spaß daran, konnten sich bewegen und etwas lernen. "Bis heute wird bei uns kein Essen weggeworfen. Die Kinder haben gelernt, es zu schätzen", sagt die 75-jährige Ingeborg Badelt. Ihr Gatte erinnert sich, wie er früher Herr über 49 Obstbäume war. "Fünf Birnenbäume haben 14 Zentner Birnen geliefert", erinnert er sich begeistert. Heute steht in ihrem Garten nur noch ein Baum - "und er trägt auch heute noch Früchte", sagt der 79-Jährige.
Heute baut das Ehepaar hauptsächlich Erdbeeren, Kartoffeln und Tomaten an - mit der gleichen Leidenschaft, wie damals die Obstbäume, sagt Ingeborg Badelt. "Dieser Garten ist eben ein Teil von uns."