DDR-Zwangsadoptionen Klinik will bei Geschwister-Suche helfen
Susanne Knabe ist auf der Suche nach ihren Halbgeschwistern. Eine Spur führt nach Schönebeck. Ameos sichert Hilfe zu - soweit möglich.
Schönebeck l Sie hatte so viel Hoffnung in diesen Besuch gelegt ... Doch Susanne Knabe verlässt das Gespräch mit Lars Timm, Geschäftsführer Ameos Ost, und Krankenhausdirektorin Anna Naumann ohne neue Erkenntnisse für ihre ganz persönliche Geschichte. Ohne einen Hinweis, was aus ihren Halbgeschwistern Axel-Alois und Margot – 1966 beziehungsweise 1967 im Krankenhaus an der Köthener Straße geboren – geworden ist. Leben sie noch? Sind sie verstorben? Oder zwangsadoptiert worden? Aufgrund der familiären Vorgeschichte kann sie sich alles vorstellen: Die DDR-Behören hatten die Familie auseinander gerissen, die Eltern waren wegen versuchter Republikflucht angeklagt. Susanne Knabe recherchiert und forscht seit Jahren, ja Jahrzehnten ... Bislang erfolglos.
Ernüchternd auch der jetzige Vor-Ort-Termin im Ameos-Klinikum Schönebeck. Geburtenbücher und Akten aus diesen Jahren liegen nicht mehr vor.
Auch wenn Susanne Knabe persönlich keine neuen Hinweise zum Verbleib ihrer Halbgeschwister erhalten hat, so hat sie doch etwas erreicht: Ameos setzt sich nun mit dem Thema Zwangsadoptionen auseinander. Der Geschäftsführer Ameos Ost hatte im Vorfeld bereits im Gespräch mit der Volksstimme gesagt, dass es für ihn persönlich die erste Berührung damit sei. Aber: „Wir wollen dazu beitragen, dass die Familien abschließen können, dass sie wissen, was wirklich passiert ist.“ Ameos sei das Thema wichtig. „Wir haben einen Modus gefunden, wie wir bei der Suche helfen können.“
So werden die Akten bislang nach einer gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren vernichtet. Aus Platzgründen. „Aber keiner zwingt uns dazu“, sagt Lars Timm. „Und deshalb haben wir das hier am Standort Schönebeck gestoppt. So besteht jetzt noch die Möglichkeit, Fälle aus dem Jahr 1989 aufzuarbeiten. Im nächsten Jahr könnten sonst auch diese Akten vernichtet werden.“
Mit der „Interessengemeinschaft (IG) Gestohlene Kinder der DDR“ – Susanne Knabe ist dort auch Mitglied – habe man sich darauf verständigt, dass Anfragen über die IG zum Klinikum kommen. „Nach drei Wochen gibt es eine Rückmeldung“, garantiert Lars Timm mit seinem Wort.
Er kommt aber nicht umhin, auf die große Hürde Datenschutz hinzuweisen. Wenn eine Mutter nachfrage, könne sie problemlos die Geburtsakte ihres Kindes erhalten. Fragen jedoch Verwandte an, wie es bei Susanne Knabe der Fall ist, werde es problematisch. „Die Mutter muss eine sogenannte Schweigepflicht-Entbindungserklärung unterschreiben, damit erteilt sie uns das Recht, die Daten herauszugeben. Das muss sein. Auch zum Schutz der Person, die das eventuell gar nicht möchte“, so der Geschäftsführer Ameos Ost. Das Klinikum stelle ein entsprechendes Formular zur Verfügung, die Suchenden müssen sich um die einwilligende Unterschrift kümmern.
Susanne Knabe findet diese Regelung gut. Sie wird davon Gebrauch machen, sagt sie. Auch, wenn sie seit gut einem halben Jahr keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter hat. „Ich schicke ihr das Formular zu und werde sehen, ob sie einwilligt.“ Auch, wenn die Akten ihrer Halbgeschwister schon mehr als 50 Jahre alt und somit sicherlich bereits vernichtet sind.
Lars Timm lässt dennoch ein Fünkchen Hoffnung. „Eventuell sind noch einige Bücher oder Aufzeichnungen da, aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht liegen noch Geburtenbücher vor, auf denen keine Jahreszahl auf dem Buchdeckel vermerkt ist und die somit nicht vernichtet worden sind. Mit etwas Glück finden wir doch noch etwas. Also die Anfrage sollte immer gestellt werden“, erklärt er.
Krankenhausdirektorin Anna Naumann erläutert, dass das Patientenakten-Archiv von einem externen Dienstleister verwaltet werde, der sich nach dem Ablauf der 30-Jahres-Frist auch um das Vernichten kümmere. Doch einige Akten wie Geburtenbücher seien eben auch noch vor Ort in Schönebeck. „Darum wäre es falsch zu sagen, alles, was vor 1989 war, ist weg. Vielleicht findet sich bei detaillierterer Suche noch etwas“, ergänzt Lars Timm und verweist nochmals auf das selbst auferlegte Prozedere: „Nach drei Wochen gibt es ein Signal von uns. Entweder haben wir nichts gefunden – oder doch und wir benötigen die Schweigepflicht-Entbindungserklärung.“
Doch was, wenn die Mutter bereits verstorben ist? Da müsse individuell juristisch geprüft werden, wie eine Hilfe möglich ist, so der Ameos Ost-Chef.
Beim Termin im Klinikum Schönebeck ist auch Heike Linke vom Vorstand der „IG Gestohlene Kinder der DDR“ dabei. Sie rät jedem, der das Gefühl hat, adoptiert worden zu sein, oder wer noch Fragen zu seinen familiären Wurzeln hat, sich an die IG zu wenden.