Thema der Woche: Welchen Namen soll die Grundschule in der Hellge-Straße künftig tragen? Konträre Meinungen: Statt eines neuen Namens lieber den Titel Allende beibehalten
Die mögliche Namensänderung der Dr.-Salvador-Allende-Grundschule bewegt die Gemüter. Weitere Leser haben sich zu diesem Thema der Woche per E-Mail und am Telefon gemeldet. Die Meinungen gehen stark auseinander. Manche plädieren sogar dafür, den Titel Dr. Salvador Allende beizubehalten.
Schönebeck l Es ist eine Frage, die wohl keiner objektiv beantworten kann. Soll der Dr.-Salvador-Allende-Grundschule, die 2013 ihr 40-jähriges Bestehen feiert, ein neuer Namen verliehen werden? Die Gesamtschulkonferenz schlägt zwei Titel vor: Dr. Tolberg oder Salinchen. Die Meinungen der Leser gehen dazu stark auseinander.
So empfindet es beispielsweise Christina Jeromin-Sandau als eine Beleidigung für Dr. Salvador Allende. "Man könnte ja glauben, für die Lehrerschaft dieser Schule hört die Welt an der Stadtgrenze von Schönebeck auf", schreibt sie der Redaktion. Und: "Im Zeitalter der Globalisierung ist es ein Problem, den Globus zu bemühen, um den Schülern zu zeigen, wo sich Chile befindet. Meine Empfehlung: Fragen sie die Schüler, die googeln danach. Die Behauptung, die Schüler können den Namen nicht schreiben oder sprechen, stellt den Lehrern ein Armutszeugnis aus."
"Wir wünschen uns, dass unser Kind gern zur Schule geht."
Für sie steht zudem fest, dass man auch als Allende-Schule einen Kooperationsvertrag mit dem Kurpark haben oder Forschungsaufträge realisieren könne. "Ich hoffe, die Schule behält ihren Namen und die Lehrer nutzen ihn und leisten einen Beitrag zu Themen wie: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte in der Welt sowie Toleranz und Integration", schließt Christina Jeromin-Sandau ihre Meinung ab.
Ganz anders sehen das Madeleine und Ralf Jäger, deren Sohn die 1. Klasse der Dr.-Salvador-Allende-Grundschule besucht. "Wir persönlich wünschen uns, dass unsere Kinder gern zur Schule gehen. Sie sollen darauf stolz sein, gerade diese Schule zu besuchen", schreiben beide in ihrer E-Mail an die Redaktion. Das können sie aber nur, so das Ehepaar, wenn sie unter anderem verstehen und erklären können, was/wer hinter dem Namen der Schule steckt. Aus ihrer eigenen Erfahrung berichtet das Paar, dass es "kläglich gescheitert" ist bei dem Versuch, seinem Sohn zu erklären, wer Dr. Salvador Allende war. "Wie erklärt man einem Sechsjährigen den Hintergrund Allendes? Freiheitskampf, Politik, Putsch und Suizid."
Sie fragen: "Muss sich denn ein Kind in dem Alter mit solch einem Thema schon befassen?" Ehepaar Jäger sagt "Nein". "Wir finden, dass es sich vorerst mit seiner tatsächlichen Umgebung beschäftigen sollte. Das wäre dann also Schönebeck mit all den geschichtlichen Hintergründen. Auch aus diesem Grund haben wir als Eltern den Wunsch auf Namensänderung der Schule unterstützt und werden es auch weiterhin."
Mit der Umbenennung auf einen Namen, der die Schule der Stadt näher bringt, wäre laut Madeleine und Ralf Jäger der Grundstein, dass auch die Schüler, Eltern und Lehrer der Stadt und ihrer Geschichte wieder mehr Aufmerksamkeit widmen.
"Bei Dr. Johann Wilhelm Tolberg stimmen wir der Meinung von Reiner Hornich, dass die Leistungen dieses Mannes und der Bezug zur Stadt unbestritten und zu würdigen sind, vollkommen zu", schreiben beide weiter. Jedoch, wenden sie ein, interessiere ein sechsjähriges Kind nicht tatsächlich, wer der Mann war und was er getan hat. "Es wird auch bei diesem Namen nicht einfach sein für die Grundschulkinder einen kindgerechten und kindverständlichen Bezug zur Stadt beziehungsweise zur Stadtgeschichte zu schaffen." Deshalb ist der Favorit von Madeleine und Ralf Jäger der Name Salinchen. "Auch wenn sich das für den einen oder anderen wie Kindergarten anhört. Damit hätten wir doch schon mal erreicht, einen zur Stadt Schönebeck passenden und kindgerechten Namen zu haben", sagt das Ehepaar.
"Was kostet die Umbenennung?"
So könnten Fragen geklärt werden, was ein Salinchen ist? Das Salinchen ist das Maskottchen des Soleparks, erklären sie. Und weil es ein kleiner Sack mit freundlichem Gesicht ist, gefüllt mit Salz, gehen Jägers davon aus, dass die Kinder aus eigenem Antrieb mehr erfahren wollen.
Bernd Boelling sieht in der gewünschten Namensänderung der Allende-Grundschule ein heikles Thema der Woche."Ich bin gern in diese Schule gegangen und war ein wenig stolz einer der ersten gewesen zu sein", schreibt er der Redaktion. "Dieses Land hat andere Probleme und sollte sich seiner Geschichte und Werte mal wieder bewusst werden", sagt Boelling weiter und fügt hinzu: "Man sollte nicht nur Namen verschwinden lassen, weil es der einfachste Weg sein könnte."
Dafür, dass die Dr.-Salvador-Allende-Grundschule auch in Zukunft diesen Namen beibehält, ist Wolfgang Grohe aus Pretzien. "Allende ist von einem faschistischen System umgebracht worden, und das sollte nicht vergessen werden"; sagt er am Lesertelefon.
Genauso sieht das Stadtrat Arnold Krüger. "Mindestens 35 Schüler-Jahrgänge der Dr.-Salvador-Allende-Schule haben den Namen ihres Patrons in Ehren gehalten und waren sicher auch stolz darauf", schreibt er in seiner E-Mail. Dieser Mann, ist Krüger sicher, könne auch heute noch ein Vorbild für die Jugend sein. "Wer mit solchen schwachsinnigen Begründungen den Namen der Schule ändern will, beschädigt posthum Dr. Allende, missachtet diejenigen, die einst den Namen auswählten, und disqualifiziert sich selbst als Lehrer." Deshalb fragt er: "An wem liegt es wohl vorrangig, wenn die Schüler so wenig über Dr. Allende und seine Heimat wissen?"
"Denkt denn keiner daran, was die Umbenennung kostet?", fragt sich Wolfgang Jacob aus Schönebeck. Immerhin würden dann Gelder für die Umbenennung selbst und damit einhergehend für Stempel und mehr fließen müssen. Dabei habe die Schule doch ganz andere Probleme, so Jacob. Er weist darauf hin, dass dringend Sitzmöbel für den Hof benötigt werden. Zwar sollen das Baumstämme sein, aber diese müssten auch erst angeschafft werden.
Volker Elze aus Lödderitz fragt: "Wem passt denn dieser Name nicht?" Elze ist der Meinung, dass "Allende sicher andere Ansichten als die scheinheiligen Machthaber der heutigen Profitgesellschaft hatte". Elze ist dafür den Namen Allende beizubehalten: "Wenn ich sehe, wie in den Jahren nach der Wende Straßen und Plätze nach dem Kriegstreiber Bismarck benannt wurden, dreht sich mir der Magen um."
Auch Almut Neumann ist der Meinung, dass es wichtigeres gibt als ein neuer Name. Zum Beispiel ein neues Aussehen, so die Schönebeckerin. Auch sie verweist darauf, dass eine Umbenennung kostet, immerhin müssten Landesverwaltungsamt und Stadtrat eingeschaltet werden. "Ich bin dort zur Schule gegangen und meine Kinder auch. Wir konnten alle den Namen sprechen und schreiben", betont Almut Neumann. "Die Lehrer sollten sich mal die Mühe machen, den Schülern die Persönlichkeit Allende mal näher zu bringen."
Für Hans-Joachim Jochem ist die Namensumbenennung eine politische Geschichte. Der Calbenser ist der Meinung, dass der Name nur deshalb weg soll, weil Allende "ein halber Kommunist" war. Gardelegen zeige, wie es auch gehen kann: Gesamtkonferenz und Elternschaft haben mehrheitlich beschlossen, dass der Neubau der Sekundarschule weiterhin den Namen "Karl Marx" tragen soll. "Der ist wohl mehr Philosoph gewesen", schätzt Jochem.
"Ich habe gedacht, ich lese nicht richtig", sagt die Schönebeckerin Käthe Kukler am Redaktionstelefon. "Die Eltern und die Lehrer machen es sich zu leicht, wenn sie sagen, die Kinder könnten den Schulnamen Allende nicht aussprechen." In den Augen unserer Leserin sei der Ansatz, deshalb den Namen der Schule zu ändern, nicht richtig. "Die Lehrer müssten den Kindern vielmehr erklären, wer Salvador Allende gewesen ist und weshalb er Namenspatron der Schule geworden ist."
"Wir sollten unsere Kinder nicht unterschätzen."
Käthe Kukler ist sich sicher, dass die Kleinen das auch verstehen und lernen, den Namen zu sprechen. "Sie werden heute mit so vielen englischen Wörtern konfrontiert und lernen schon in der Grundschule Fremdsprachen, da sollten wir die Kinder nicht unterschätzen." Unsere Leserin meint, dass die Alternativen wenig überzeugend seien. "Salinchen ist eher ein Name für einen Kindergarten und Dr.-Tolberg-Schule könnte zu Verwechslungen mit dem ehemaligen Gymnasium führen."