Archäologen begleiten Bauarbeiten in der Burgstraße / Funde geben Aufschlüsse zur Besiedlung Ledersohlen und Holzdeckel: Forscher spüren Mittelalter nach
In der Burgstraße in Schönebeck wird derzeit ein neuer Abwasserkanal gelegt. Mitten in der Altstadt gelegen, ist das Gebiet für Forscher von Bedeutung. Bei ihren Untersuchungen ist Anja Kolditz vom Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege Sachsen-Anhalt auf interessante Funde aus dem Mittelalter gestoßen. Die Archäologin und Cornelius Hornig, Referatsleiter in der Abteilung Bodendenkmal der Landesbehörde, stellten die Ergebnisse jetzt vor.
Schönebeck. In Schönebecks Untergrund schlummern kleine Schätze. Einen Beweis dafür liefert die Baustelle in der Burgstraße. Hier, wo derzeit eine neue Wasser- und Abwasserinfrastruktur errichtet wird, befand sich unmittelbar im Schatten einer Burganlage schon vor Jahrhunderten ein zentraler Siedlungspunkt. Passanten erleben in diesen Wochen, wie Anja Kolditz vom Landesamt für Denkmalpflege zwischen Baggern und Bauarbeitern unterwegs ist, "bewaffnet" mit Spachteln, Pinsel, Kelle oder mit Stift und Block.
Die Archäologin sucht im Aushub, den das schwere Baugerät aus rund drei Metern Tiefe hebt, nach Relikten aus der Vergangenheit. Für den Kanalbau wird ein Streifen inmitten der abgenommenen Fahrbahn ausgehoben. "Im Profil lassen sich sehr deutlich drei verschiedene Schichten erkennen", sagt Cornelius Hornig, Kollege von Anja Kolditz und Referatsleiter in der Landesbehörde. Die unterste Schicht stammt aus dem 12. Jahrhundert, die darüber liegenden sind jünger. Die oberste steht für das 18. und 19. Jahrhundert. "Schönebeck ist eine Stadt, die sich ¿hoch gesiedelt\' hat, ein Phänomen vieler Städte", sagt Cornelius Hornig. Schutt aber auch Abfall wurden mit der Zeit planiert, Neues enstand darüber. In der Burgstraße seien die Schichten besonders deutlich zu erkennen, so der Referatsleiter.
Immer wenn in einem historisch sensiblen Raum gebaut werde, kommt sein Amt zum Einsatz und stellt Untersuchungen an. In der Schönebecker Altstadt ist das ein Muss. Aufgabe des Landesamtes, das dem Kreis als Bau genehmigender Behörde Zuarbeiten für Stellungnahmen leiste, sei es, so Cornelius Hornig, die "Veränderungen im historischen Bodendenkmal zu dokumentieren." So ist Anja Kolditz nicht nur dabei, Schätze zu finden, sondern auch Profilzeichnungen anzufertigen.
Grabungen im größeren Rahmen, wobei ganze Felder frei gelegt werden, gebe es meist bei Straßenbauten nicht. "Der Aufwand muss in Relation zu den Arbeiten stehen", so der Referatsleiter. Die Untersuchungen würden Kosten verursachen und könnten Abläufer verzögern.
Das alles wird es in der Burgstraße nicht geben, auch wenn den Funden ein gewisser Wert nicht abgesprochen werden kann und die Forscher neugierig sind, was noch so alles im Altstadtboden schlummert. Anja Kolditz und Cornelius Hornig zeigen Steingut und Scherben aus dem 12. Jahrhundert. Manche Materialien stammen nicht von hier, Beweis dafür, dass der Handel an der Elbe auch bei den Altvorderen florierte. Besonderheiten sind Ledersohlen oder ein fein gedrechselter Holzdeckel. "Organische Materialien findet man sonst eher selten." Denn sie würden schnell zerfallen. Im "Feuchtmilieu" des Altstadtuntergrunds, so der Experte, und unter Luftabschluss aber blieb alles erhalten. "Keine Sensation, aber doch spannend", so der Referatsleiter. Er sagt, dass man in Schönebeck Besiedlung bis in die Zeit vor 8000 Jahren nachweisen und mit Funden belegen könne. Elbnähe, Bördeboden und Handelsstraßen machten den Flecken für Menschen interessant.