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Schönebeck Mediation bei Rückenwind: Täter und Opfer auf Augenhöhe

Wenn eine Straftat begangen wurde, wird die normalerweise vor Gericht verhandelt. Es kann aber auch bei einem Täter-Opfer-Ausgleich zu einer außergerichtlichen Schlichtung zwischen Täter und Geschädigtem kommen. In Schönebeck ist dies bei Liane Bauer, Mediatorin bei Rückenwind e.V., möglich.

Von Tom Szyja 29.08.2023, 18:01
Wiedergutmachung – das sind die Kernziele, die hinter dem Täter-Opfer-Ausgleich stehen. In Schönebeck ist dafür Liane Bauer vom Verein Rückenwind e.V. zuständig.
Wiedergutmachung – das sind die Kernziele, die hinter dem Täter-Opfer-Ausgleich stehen. In Schönebeck ist dafür Liane Bauer vom Verein Rückenwind e.V. zuständig. Foto: dpa

Schönebeck - Kürzlich berichtete die Volksstimme über eine Gerichtsverhandlung, bei der Strafrichter Eike Bruns dem Angeklagten und der Geschädigten empfahl, einen Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) zu machen. Bei der zuständigen Mediatorin, Liane Bauer von Rückenwind e.V. in Schönebeck, ist ein entsprechender Verweis angekommen. In Schönebeck zogen die Organisatoren der 800-Jahr-Feierlichkeiten jüngst eine positive Bilanz.

Über 50 solcher Fälle bekommt die Diplom Sozialpädagogin pro Jahr auf ihren Tisch. 2019 waren es 93, wie die Schönebeckerin berichtet. „Rund 75 Prozent der Schlichtungen sind erfolgreich“, erklärt die 63-Jährige.

Die Fälle können auf unterschiedlichen Wegen bei Liane Bauer landen. Streithähne können sich selbstständig bei der Mediatorin melden und um eine Schlichtung bitten. „Das kommt aber nicht oft vor. Letztes Jahr vielleicht fünf Mal“, so Bauer. Deutlich häufiger sind die anderen beiden Wege: Entweder meldet sich die Staatsanwaltschaft noch vor einer Gerichtsverhandlung bei ihr oder aber, wie jüngst geschehen, der zuständige Amtsrichter weist ihr einen Fall zu. Anders als bei Schiedsstellen werden beim TOA strafrechtliche Delikte geklärt, keine zivilrechtlichen Fragen.

„Die Bandbreite der Straftaten ist sehr groß. Den Großteil, schätzungsweise knapp die Hälfte, machen Körperverletzungsdelikte aus. Mord oder Missbrauch landet natürlich nicht bei uns“, erläutert Bauer.

Wenn die Eltern die Ursache des Streits sind

Bis es zum endgültigen Schlichtungsgespräch zwischen beiden Parteien kommt, führt die TOA-Beauftragte bei Rückenwind erstmal Vorgespräche. Sowohl mit dem Opfer einer Straftat, also auch mit der Täter-Seite. Letztere müsse zu einem Schuld-Eingeständnis bereit sein, sonst mache ein solches Gespräch keinen Sinn. Die TOA-Stelle bei Rückenwind ist eine von zehn in ganz Sachsen-Anhalt. Die in Schönebeck sitzende Liane Bauer ist für den gesamten Salzlandkreis zuständig.

Wenn es um Delikte geht, bei denen Personen körperlichen Schaden davon getragen haben, kann bei einem Täter-Opfer-Ausgleich auch eine Zahlung von Schmerzensgeld veranschlagt werden. „Das mache ich aber nur, wenn beide Seiten damit einverstanden sind. Im Zweifel sollen Einzelheiten lieber Rechtsanwälte klären“, erläutert Bauer. Die 63-Jährige hat neben ihrer Ausbildung zu Sozialpädagogin eine zusätzliche Fortbildung zu Mediatorin im Strafrecht gemacht, welche Pflicht ist, wenn man in dem Bereich tätig werden möchte. In ihren 18 Jahren als Mediatorin in dem Bereich hat sie einiges erlebt. Dabei haben sich manche Fälle besonders eingeprägt.

„Einmal hatte ich zwei Mädchen hier, die in der Schule aneinandergeraten sind. Während der Schlichtungsgespräche kam heraus, dass es eigentlich um einen Konflikt zwischen den Müttern ging. Diese haben sich dann, nachdem einige Tränen flossen, wieder vertragen“, erinnert sich Bauer. Für die Schlichtungsgespräche gelten bestimmte Regeln. Bei Beleidigungen oder Bedrohungen unterbricht die Sozialpädagogin sofort das Gespräch. Ihr ist dabei wichtig, dass vor allem das Opfer der Auseinandersetzung nicht erneut geschädigt wird, im schlimmsten Falle nochmals ein Trauma davon trägt. Daher sind auch die Vorgespräche so wichtig.

Konfliktfähigkeit nimmt ab

Generell agiert Bauer aber neutral in den Gesprächen. „Eine Entschuldigung von der Täter-Seite muss aber zwingend erfolgen“, so Bauer. Sie erlebe es auch oft, dass Menschen aus Reue bei ihr weinen und sich fragen, warum sie etwas mal getan haben. Bei Körperverletzungsdelikten komme es auch häufig vor, dass die Beschuldigten der Opfer-Seite mit Geschenken ihren Willen zur Wiedergutmachung deutlich machen wollen.

Aber natürlich klappen nicht alle Schlichtungsversuche. „Ganz oft scheitert es schon allein daran, dass ich keine Antwort auf eine Gesprächseinladung bekomme“, erläutert die Mediatorin. Dies komme von beiden Seiten vor. Geschädigte haben manchmal aus nachvollziehbaren Gründen kein Interesse daran, sich mit der anderen Seite nochmal an einen Tisch zu setzen. Wenn es sich um einen Fall handelt, der Bauer von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht zugewiesen wurde, meldet sie, dass der Täter-Opfer-Ausgleich nicht funktioniert habe. Dann wird das Verfahren neu aufgerollt.

Bei einer erfolgreichen Schlichtung wird das Strafverfahren entweder komplett eingestellt oder es wirkt sich strafmildernd für den Beschuldigten aus. In den letzten Jahren haben sich bei Bauer Fälle gehäuft, bei denen zumindest ursprünglich, die Tat im digitalen Raum stattfand. „Gerade unter Jugendlichen häufen sich Beleidigungen im Internet. Wenn es dann heißt ’Komm, wir klären das’, kommt es häufig auch in der realen Welt zu physischer oder verbaler Gewalt“, berichtet Bauer. Generell stellt sie fest, dass auch unter Erwachsenen die Konfliktfähigkeit in den letzten Jahren abgenommen hat.