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Müllentsorgung Ärger wegen Gelber Tonne vorprogrammiert

In Calbe, Biere und Hecklingen sollen Gelbe Tonnen nicht mehr aus Sackgassen abgeholt werden. Der Entsorger darf nicht rückwärts fahren.

Von Emily Engels 15.01.2019, 00:01

Calbe/Biere/Hecklingen l „Ich kann nicht mehr so gut gehen, für mich ist das nicht so einfach, die Tonne nach vorne zu bringen“, sagt Heinz Neidt, ein Anwohner des Verschönerungsweges in Calbe. Der Rentner ärgert sich über die neue Regelung, die hier zur Abfuhr der Gelben Tonnen getroffen wurde.

Der Verschönerungsweg gehört zu den insgesamt sieben Straßen in Calbe, Biere und Hecklingen, in denen die Entsorgungsfirma Achtert nicht mehr direkt vor die Haustüren fährt, um den Verpackungsmüll abzuholen. Bis eine Wendemöglichkeit oder eine andere Lösung geschaffen ist, sollen die Haushalte ihre Gelben Tonnen direkt an den Anfang der Straße bringen. Der Grund dafür ist in allen Straße derselbe: Die Entsorgungsfahrzeuge müssen oft mehrere hundert Meter rückwärts fahren, um an die Häuser zu gelangen. Denn Wendemöglichkeiten sind für die großen Müllfahrzeuge jeweils nicht ausreichend vorhanden. So sagt Udo Achtert, Chef der gleichnamigen Entsorgungsfirma: „In Hecklingen sind dadurch zwei Unfälle passiert.“ Einmal sei ein Fahrzeug rückwärts auf ein Acker gefahren, das andere Mal, in der Schunkelstraße sei es in den Graben gerutscht.

Die Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr habe jetzt eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Als Ergebnis der Untersuchungen wurden zunächst einmal die sieben Straßen in Hecklingen, Biere und Calbe aufgeführt, bei denen Achtert nicht mehr weiter als 150 Meter rückwärts fahren darf, um die Gelben Tonnen abzutransportieren (siehe Infokasten unten). „Wenn wir das doch tun, droht uns eine Bußgeldstrafe“, so Udo Achtert. Man sei derzeit dabei, Flugblätter an die Haushalte zu verteilen, es gebe aber auch noch Straßen – etwa in Barby – die noch untersucht würden.

Thomas Bier von der BG Verkehr bestätigt der Volksstimme, dass das Rückwärtsfahren von mehr als 150 Meter für Müllfahzeuge untersagt ist. „Beim Verstoß muss mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro gerechnet werden“, so Bier. Schließlich würde durch das Rückwärtsfahren nicht nur der Mitarbeiter in dem Müllfahrzeug gefährdet, sondern auch Passanten und deren Eigentum – etwa parkende Autos. Generell gelte laut BG Verkehr, dass auf Straßen, die nach dem 1. Januar 1991 gebaut wurden, nicht rückwärts gefahren werden darf. Auf älteren Straßen ist das Rückwärtsfahren in Ausnahmefällen gestattet, allerdings unter anderem nur dann, wenn die Strecke kürzer als 150 Meter ist.

Udo Achtert sieht die Kommunen in der Aufgabe, das Problem für ihre Bürger zu lösen.

Calbes Bürgermeister Sven Hause (parteilos) ärgert diese Einstellung. „Die Firma Achtert sorgt immer wieder für Unruhe“, findet er. Bei ihm hätten bereits verärgerte Anwohner des Verschönerungsweges angerufen, die ein Flugblatt von Achtert im Briefkasten hatten. „Dabei haben wir beim Verschönerungsweg als Stadt bereits einen kleinen Wendeplatz eingerichtet“, so Hause. Sven Hause hält das an dieser Stelle für komplett ausreichend. „Man kann hier die räumlichen Möglichkeiten nicht auf den Kopf stellen“, sagt er. Udo Achtert entgegnet jedoch, dass der Wendeplatz befestigt werden müsse.

Sven Hause hingegen habe sich schon vor Jahren dafür ausgesprochen, dass kleinere Fahrzeuge eingesetzt werden müssen, die alle Straßen erreichen. Er findet: „Man kann es vor allem der älteren Bevölkerung nicht zumuten, ihre Tonnen an den Anfang der Straße zu schleppen.“ Der Calbenser Josef Stengl, Anwohner des Verschönerungsweges, unterstreicht die Aussage des Bürgermeisters:„Das ist ein Mehraufwand für uns. Zumal hier ja auch ältere Menschen wohnen, für die das nicht mehr so einfach ist, eine schwere Tonne so weit zu schleppen.“

Sven Hause findet: Der Kreiswirtschaftsbetrieb (KWB) muss in Zukunft, wenn neue Ausschreibungen für mögliche Entsorger starten, Kriterien aufführen, dass auch die Entsorgung mit kleineren Fahrzeugen möglich ist – sodass alle Straßen erreicht werden.

Der Einsatz von kleineren Fahrzeugen sei jedoch laut KWB-Chef Ralf Felgenträger und Thorsten Lehmann vom Achtert-Auftraggeber Tönsmeier auch keine Lösung. „Das wäre angesichts des großen Gebietes im Kreis, das abgefahren werden muss, unwirtschaftlich“, findet Lehmann.

Jedoch regt sich auch Hecklingens Bürgermeister Uwe Epperlein über die Handhabe der Firma Achtert auf. Ähnlich wie Sven Hause findet er, dass es eine „Zumutung sei“, von den Anwohnern zu verlangen, die Tonnen dreihundert Meter weiter nach vorn zu ziehen.

In Hecklingen hatte die Stadt sich kurzfristig am Freitag dafür eingesetzt, dass eine provisorische Lösung gefunden wurde „Wir haben schnell reagiert“. Am Freitag seien Arbeiten am Wendehammer durchführen worden.

Der Bürgermeister ist verärgert darüber, dass die Kommune von den Entsorgern nicht rechtzeitig mit ins Boot geholt wurde. Eine Beratung im vergangenen Jahr, als der Sachverhalt vor Ort besprochen wurde, sei ohne die Stadt gelaufen, sagt er. Am Donnerstag habe dann mit der Firma Tönsmeier ein Termin stattgefunden, an dem Stadt teilnahm. „Da haben wir dann gesagt, wie wir es machen. Das war alles im Vorfeld viel Aufregung und hätte nicht sein müssen“, so Epperlein Jetzt müsse wieder Geld für das Provisorium in die Hand genommen werden, das eigentlich an anderer Stelle auch gebraucht werde. Denn der Wendehammer muss im Sommer noch einmal hergerichtet werden, denn das Verdichten des Straßenuntergrundes ist dieser Tage angesichts der Witterung nicht möglich. Für Epperlein steht fest: „Hier hat man angesichts des Subunternehmens kein sauberes Spiel mit uns gespielt.“

Thorsten Lehmann sieht beide Seiten. Nach einem gestrigen Termin mit dem KWB sagte er: „Wir setzen uns nächste Woche mit den Berufsgenossenschaften zusammen. Wir hoffen, dass wir zusammen eine Lösung finden.“ Diese könnte laut Lehmann vielfältig aussehen. Neben Wendemöglichkeiten könnte das ein Parkverbot während der Abholzeiten sein. Dass die Stadt Hecklingen so schnell reagiert habe, bewerte er als positives Zeichen.

Lehmann steht grundsätzlich hinter der Firma Achtert und hofft, dass gemeinsam eine Lösung gefunden wird. Er sagt: „Wir können hier keine Risiken eingehen. Woanders in Deutschland sind Menschen bei Unfällen mit Müllautos schon zu Tode gekommen.“