Reitsport Das Ringen um die Ringe

Einige Orte in der Region Schönebeck pflegen seit über 160 Jahren die Tradition des Ringreitens.

Von Heike Liensdorf 08.03.2019, 09:59

Gnadau l Auf sie haben es die Reiter auf ihren Pferden bald wieder abgesehen: kleine Ringe an einem großen hölzernen Galgen. Im Galopp müssen sie mit einer kleinen Lanze, einem Stecher, aufgespießt werden. In Gnadau wird am 9. März die Ringreit-Saison eingeläutet. Besonders in der Region Schönebeck fällt auf, dass es zahlreiche Wettstreite dieser Art gibt. Viele Reitsportler sind dann Wochenende für Wochenende unterwegs.

Ein Ringreiten in Pömmelte ohne Klaus Riemer? Kaum vorstellbar. Der heute 70-Jährige ist eine feste Größe. Als Kind hat er in seinem Heimatort das Spektakel immer fasziniert verfolgt. Seit er 14 ist, reitet er mit. Und so begeistert wie einst, ist er heute noch dabei. „So lange ich fit bin und noch aufs Pferd komme, mache ich mit“, sagt er schmunzelnd und doch festen Willens. In diesem Jahr sei er auf alle Fälle dabei. Und das Dabeisein bedeutet bei Klaus Riemer nicht nur ein Mitmachen beim Ringreiten in Pömmelte. Er ist auch in der Region unterwegs. Denn er weiß: Das Herz des Veranstalters schlägt höher, wenn viele Reiter um die Ringe eifern. Und ein großes Teilnehmerfeld lockt viele Besucher an.

Da er – selbstverständlich – bei der Interessengemeinschaft (IG) Ringreiter Pömmelte aktiv ist, weiß er, wovon er spricht. Im Ort findet es in diesem Jahr zum 162. Mal statt: Freitag wird Grünes zum Schmücken des Galgens geholt. Sonnabend wird der Galgen aufgebaut. Nach dem Ringreiten geht es auf die Höfe Schade, Ritz und Riemer. Die Reiterschar lässt die Platzierten „hochleben“, also schmeißt sie in die Luft – und fängt sie auf.

Der 70-Jährige hat schon so manche Platzierung geholt, aber nicht immer. Das will er auch gar nicht. „Man gibt sich Mühe, dass man den Ring trifft. Es können nicht alle Gewinner sein.“ Er ist ehrgeizig, jedoch nicht zu verbissen. Der „Spaß an der Freude“ sei entscheidend und das Treffen der Reiter.

Jahr für Jahr holt Ute Ahrend Ende Januar Verantwortliche aus den Orten der Region, die Ringreiten bieten, an einen Tisch. In Zens gehen sie dann Wochenende für Wochenende durch, wann wo ein Ringreiten stattfindet, ob mit Fahren oder mit Kinderringreiten. „Damals hat es oft Termin- überschneidungen gegeben. Das ist für Veranstalter und Reiter nicht schön. Deshalb planen wir das seit einigen Jahren“, erklärt sie. Anfangs seien sie zu Zehnt gewesen, mittlerweile um die 30.

In Zens gab es das erste Ringreiten 1921. Nach der Wende haben es ihr Vater Hans-Joachim Bertram, Georg Gödecke und Werner Wehling wieder aufleben lassen. Die Familie hatte immer Pferde, somit ist auch Ute Ahrend geritten. Später ist sie in die organisatorischen Fußstapfen ihres Vaters getreten.

Eigentlich ist Uwe Schäfer aus Wespen ein bekannter Ringreiter. Doch im Vergleich zu der vielerorts mehrere Jahrzehnte lang währenden Tradition ein Neuling. Er und seine Frau organisieren eigene Wettstreite. Einfach so, weil sie es möchten. Ohne einen Verein oder eine IG im Rücken, aber mit fleißigen und verlässlichen Helfern. Erst haben sie vier Jahre lang das Ringreiten an Himmelfahrt in Barby/Monplaisir veranstaltet, in diesem Jahr gibt es das zweite auf ihrer Koppel Colphuser Damm in Barby. Zur Premiere kamen 38 Teilnehmer.

Im Stall von Familie Schäfer stehen die Warmblüter Santana (17) und Farah (7). „Im Oktober 2008 habe ich Santana bekommen. Ostern im Jahr darauf habe ich zum ersten Mal in Welsleben beim Ringreiten mitgemacht und gleich den ersten Platz belegt“, erinnert er sich. Seine Frau sagt augenzwinkernd: „Das macht süchtig.“ Uwe Schäfer nickt. Was ihn fasziniert, sei „der Reiz zu gewinnen, man sieht viele Reiter wieder“. Sie kann das nachvollziehen, auch wenn sie nicht reitet, aber als Zuschauer ist sie immer dabei.

In Pömmelte wird in diesem Jahr das 162. Ringreiten ausgetragen, in Wespen das 164., in Tornitz das 166.

Eine Tradition, die es gilt weiterzuführen, betont Lutz Buchtenkirch aus Tornitz. Der heute 74-Jährige war von 1965 bis 1982 Hauptmann, also Vorreiter, bei den Ringreitern in seinem Ort. „Ich trug eine rote Schärpe und hatte das Sagen an dem Tag“, erzählt er. Sein Nachfolger ist bis 2007 Olaf Lubig (56) gewesen, seitdem Mike Gortol. Das Ringen um die Ringe findet in Tornitz seit jeher am Pfingstsonntag statt. Damals sei der Hauptmann von zwei Reitern abgeholt worden, weiß Lutz Buchtenkirch aus Überlieferungen. Zu Dritt sind sie dann zum Festplatz. Die Musik spielte auf, die Reiter sammelten sich, der Hauptmann hielt eine Rede. Diese wird noch heute gehalten. „Die kann ich noch auswendig“, meint der 74-Jährige. „Ich auch“, wirft Olaf Lubig ein.

Das Dorf sei einst eine Pferdebastion gewesen, bis zur Wendezeit um die 100 Pferde und Ponys in Tornitz/Werkleitz. Einen Reitverein gibt es nicht, alles läuft über den Heimatverein.

Bei 16 Ringreiten wird Volker Brosius in diesem Jahr sein. Die Fahrveranstaltungen mitgerechnet, kommt er auf mehr als 20. Und das, obwohl er nicht als Reitsportler dabei ist. Der Kleinmühlinger ist als Moderator beliebt und daher sehr gefragt. Dabei ist er dazu eher durch Zufall gekommen. Durch seinen freundschaftlichen Kontakt zu Wolfgang Schoenebaum vom Reit- und Fahrverein Gnadau/Döben. Er habe ihn zum ersten Ringreiten in Gnadau nach der Wende 1990 als Sprecher „verdonnert“. „Er ist letztendlich schuld daran, dass ich jetzt moderiere“, sagt er schmunzelnd.

„Der Job musste eben gemacht werden. Ich sah das als nichts Außergewöhnliches an.“ Allen Seiten hat es gefallen: Veranstalter, Reiter, Publikum – und auch ihm. Volker Brosius macht seinen Job gut. So gut, dass immer neue Anfragen hinzugekommen sind. Mit den Jahren kennt er Ross und Reiter, kann oft sagen, wer wo welchen Platz belegt hat.

Auch wenn der 59-Jährige nicht selbst reitet – er ist mit Herzblut dabei. Aber er hat Pferde, fährt Kutsche zur Entspannung. Und das Ringreiten reizt nicht? „Ich würde immer das Moderieren vorziehen“, antwortet er.

Um den Besten der Besten geht es im September in Eggersdorf. Der Master-Cup schließt die Saison ab. Teilnehmen können die Reiter, die bei den Ringreiten in der Region die Plätze 1 bis 4 belegt haben.

Die Idee dazu hatte Bernd Nagel (Reitverein Eggersdorf), Unterstützer fand er in Ute Ahrend (Zens), Holger Titsch (Eickendorf) und Volker Brosius (Gnadau), erzählen Brigitte Nagel und Jeannette Neumann. Erstmals ist der Pokal 2004 vergeben worden. Seit 2007 gibt es einen Wanderpokal, gestiftet vom Pferdezuchtverein Ostharz.

Der Master-Cup wird immer mit einem Erntedankfest verbunden. Die Vereinsmitglieder schmücken den Platz herbstlich. Für jedes Pferd gibt es einen Eimer mit Hafer, Möhren, Bete und Äpfel, für den Reiter Blümchen und Sekt. Wer nicht fehlen darf: Schleifenpony Pedro mit seinen jetzt 31 Jahren.