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Salzland-Werkstätten Ein Hoch auf 25 Jahre Chancengeber

Seit 25 Jahren sind die Salzland-Werkstätten in Schönebeck Verbundsmitglied des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschland (CJD).

07.07.2017, 01:00

Schönebeck l Hilfestellung, selbstbestimmtes Leben, Einfühlungsvermögen, Arbeit, Offenheit, Werte – es sind viele Dinge, die Menschen, die in den Salzland-Werkstätten arbeiten, mit ihrer Zeit dort verbinden. Wie unterschiedlich die Assoziationen sind, veranschaulichen die eingerahmten Worte und Bilder, die im Eingangsbereich der Salzland-Werkstätten, die Teil des CJD sind, hängen.

„Hier ist der Zusammenhalt so stark wie in einer großen Familie“, findet Carsten Schüler, Gesamtleiter des CJD. Ihm ist das Begegnen von Menschen auf Augenhöhe und das urteilsfreie Zugehen auf Mitmenschen so wichtig, dass er nicht von Menschen mit Behinderungen spricht, sondern von „Menschen mit Behinderungserfahrungen“. Und die könne, so sagt er, jeder früher oder später in seinem Leben mitmachen – egal in welch ausgeprägter Form.

Unter anderem, weil die Arbeit in den Werkstätten laut Heike Hermann, Leiterin der Schönebecker Salzland-Werkstätten, das Gefühl der Orientierung zurückgeben und Zukunftschancen bieten kann, hat das CJD auch den Beinamen „Die Chancengeber.“ So ermöglichen auch die Salzland-Werkstätten einen (Neu-)Einstieg ins Arbeitsleben – und somit für viele auch in die Gesellschaft.

Heike Hermann erzählt, wie unterschiedlich die Geschichten der Menschen sind, die in den Salzland-Werkstätten beschäftigt werden. „Einige kommen aus dem ersten Arbeitsmarkt und konnten dem Druck dort nicht mehr standhalten“, sagt sie.

Die entspannte Arbeits- atmosphäre hingegen, die in den Salzland-Werkstätten herrscht, schätzt Mitarbeiter Mathias Lorenz sehr. „Hier habe ich keinen Zeitdruck“, sagt er, während er sorgfältig und in aller Ruhe einen Korb flechtet. Obwohl er normalerweise in der Papierverarbeitung arbeitet, durfte er nach vier Jahren Wartezeit zumindest vorübergehend zu seiner „Traumstation“ wechseln. „Da wir auch einen Berufsbildungsbereich haben, in dem Menschen diese Station durchlaufen, ist sie häufig gut besetzt“, erklärt die Arbeitsbereichsleiterin Anke Winder.

Doch ohne jeglichen Zeitdruck läuft die Arbeit nicht immer ab. „Es hängt auch von den Aufträgen ab“, so Anke Winder.

So etwa in der Näherei. Hier produzieren Mandy Sanftleben und Olaf Länger derzeit für einen Auftraggeber bis zu 40 Schutzhüllen für Roboterarme am Tag. „Wir bekommen die Materialien geliefert, den Stoff schneiden und nähen wir dann zurecht“, beschreibt Olaf Länger. Erst, wenn alle Aufträge abgearbeitet sind, können sich die Mitarbeiter kreativ ausleben, eigene Entwürfe erstellen und produzieren. Die Ergebnisse werden dann unter anderem in dem Werkstättenladen verkauft.

Generell bekommen die Beschäftigten in den Werkstätten 70 Prozent des Produktionserlöses. Welcher Mitarbeiter wo eingesetzt wird, liegt an den Neigungen und Fähigkeiten. „Viele Herstellungsverfahren werden so auf die verschiedenen Schritte aufgebrochen, dass auch für Menschen mit mehreren oder schweren Behinderungen die Möglichkeit bleibt, sich zu beteiligen“, so Hermann. Einige wenige schaffen es auch, nach einer gewissen Zeit in den Salzland-Werkstätten eine Anstellung im ersten Arbeitsmarkt zu finden. So arbeiten beispielsweise vier ehemalige Werkstättenmitarbeiter jetzt im Edeka-Center in Schönebeck. „Wir hoffen, dass sich der Arbeitsmarkt weiterhin öffnet“, sagt Hermann.

Doch Mitarbeiter der Salzland-Werkstätten stellen heute nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Freizeitgruppen vor. Da ist etwa die Kunstgruppe. Unter ihnen die herzliche Schönebeckerin Fanny Teichert, die voller Stolz ihr neuestes Kunstwerk zeigt. Oder die Tänzer der Gruppe unter der Leitung von Bettina Gerlach, die zum Tag der offenen Tür ihr Können im Country-Dance zeigen, aber auch Klassiker wie etwa Walzer im Repertoire haben.

Von weitem erklingt der Chor. „Die Auftritte gehen längst über die Grundstücksgrenzen der Werkstätten hinaus. So haben sie bereits auf Sommerfesten oder Veranstaltungen vom Allgemeinen Behindertenverband Schönebeck gesungen“, erklärt Hermann. Heute ist es für sie ein „Heimspiel“, der Text könnte nicht passender sein. Die Zuhörer wippen im Takt, klatschen oder summen mit, als die 36 Chormitglieder laut und stolz singen: „Ein Hoch auf uns.“