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Sprache Gendersternchen in Schönebeck?

Unnötig und kompliziert oder zeitgemäß und erforderlich? Das halten Schönebecker Stadträte von der "Gender-Sprache".

Von Paul Schulz 18.03.2020, 00:00

Schönebeck l Bürgerinnen und Bürger der Stadt Schönebeck könnte man auch als Schönebecker*innen bezeichnen. Das gilt natürlich sowohl für männliche, weibliche als auch diverse Personen (m/w/d). Ja, die Gleichstellung von Mann und Frau wirkt sich – mal mehr, mal weniger – auf die Sprache aus.

In der Schönebecker Stadtverwaltung gibt es derzeit keine bindende Vorgabe, das sogenannte Gendersternchen oder andere sprachliche Formulierungen und Zeichen zu benutzen, teilt Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz mit. „Liberalen Grundsätzen folgend, wählen die Mitarbeiter von sich aus eine nicht diskriminierende, geschlechtergerechte und gleichbehandelnde Sprache, etwa mit Formulierungen wie ‚Bürgerinnen und Bürger‘. Ausnahmen aus Flüchtigkeit oder Gewohnheit können natürlich – wie überall - nicht ausgeschlossen werden“, sagt Wannewitz.

In Magdeburg hingegen wurde die Stadtverwaltung erst kürzlich durch den Stadtrat verpflichtet, in allen Veröffentlichungen eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Die Volksstimme hat Mitglieder des Schönebecker Stadtrates gefragt, was sie von der gendergerechten Sprache halten.

Für Olaf Ziem (AfD) steht fest: „Aus meiner Sicht ist es absolut nicht notwendig, eine geschlechtergerechte Sprache und Schrift zu verwenden. Für mich waren und sind alle Geschlechter gleich, auch ohne diese neuen ‚hochwissenschaftlichen‘ sprachlichen Erfindungen.“ Darüber hinaus würden sich Bürger von Texten und Sprache angesprochen fühlen, sofern diese interessant geschrieben sind. Die Sprache sollte einfach und verständlich bleiben, fordert Ziem. Zusätze wie m/w/d hält der AfD-Stadtrat für unnötig.

Sabine Dirlich, Fraktionsvorsitzende der Schönebecker Linken, ist Verfechterin der geschlechtergerechten Sprache und hält sie für „sehr notwendig und außerordentlich wünschenswert“.

Schriftlich wie mündlich verwende sie seit langer Zeit nur noch die weibliche Sprachform, so Dirlich. Das stoße auch manchmal auf Irritationen, wie sie zu berichten weiß: „Anfangs bin ich oft gefragt worden, ob ich wirklich nur die Frauen meine. Dann habe ich geantwortet: Die Männer dürfen sich gerne mitgenannt fühlen.“

Davon, dass am Anfang oder am Ende von Texten darauf verwiesen wird, dass sich Bezeichnungen sowohl auf männliche, weibliche und diverse Personen beziehen, hält die Stadträtin nicht viel. Sie sagt: „Dieser Hinweis ist nichts weiter als das Feigenblatt derjenigen, die es sich mit einer Veränderung im Sprachgebrauch möglichst leicht machen wollen. Es ist aber immerhin ein Fortschritt gegenüber völliger Ignoranz.“

In Satzungen und Stellenausschreibungen der Stadt finden sich solche Formulierungen bereits, wie Matthias Zander aus dem Schönebecker Presseamt mitteilt. Sie werden beispielsweise so formuliert: „Personen- und Funktionsbezeichnungen in dieser Satzung gelten jeweils für männlich, weiblich und divers.“

Torsten Pillat von der Schönebecker CDU ist der Ansicht, dass diese Variante genügt. So wie es in Schönebeck bereits gehandhabt wird, ist es ausreichend, teilt der Stadtrat mit. Für ihn sei es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Personen gemeint sind und nicht explizit nur Männer oder Frauen oder Diverse.

SPD-Stadtrat René Wölfer spricht sich für eine sprachliche Gleichbehandlung von Mann und Frau aus. Er sagt aber auch: „Ich bin gegen Kunstgebilde wie die mit dem Sternchen oder dem großgeschriebenen ‚I‘. Stattdessen sollten Formulierungen gefunden werden, die das Geschlecht nicht näher definieren – zum Beispiel Teilnehmende statt Teilnehmer.“

Ähnlich wie Sabine Dirlich, hält auch Wölfer nichts von ergänzenden Absätzen, die darauf verweisen, dass männliche, weibliche und diverse Personen gemeint sind. „Das ist nur ein scheinbares Einstehen für sprachliche Gleichberechtigung.“ Auch hier spricht sicher Wölfer eher für alternative Formulierungen aus.

Grünen-Stadtrat Thoralf Winkler (FDP/Grüne/Below/Kowolik) ist für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache. Wenn es aber im Einzelfall zu umständlich sei, so sollte es durchaus auch Ausnahmen geben. „So können in der Gefahrenabwehrverordnung die Einwohner*innen angesprochen werden, es muss aber nicht der Bürger*innensteig sein, der von Schnee und Eis freihalten werden muss. Da ist auch Augenmaß gefragt“, sagt Winkler.

Was die sprachliche Gleichstellung angeht, mangelt es aber auch nicht an Kritikern: zum Beispiel den Verein Deutsche Sprache. Dieser hat sogar eine Unterschriftenaktion unter dem Titel „Schluss mit Gender-Unfug“ initiiert. Der Verein spricht sich strikt gegen geschlechtergerechte Sprache aus. Er begründet dies unter anderem damit, dass dadurch eine „Fülle lächerlicher Sprachgebilde“ entstehen würde. Zudem sei eine konsequente Beachtung der gendergerechten Sprache gar nicht durchzuhalten und es würde auch keinen Beitrag zur Besserstellung der Frau in der Gesellschaft herbeiführen, argumentiert der Verein.

Auf der anderen Seite gibt es auch zahlreiche Fürsprecher. So gib es beispielsweise seit 2006 die sogenannte „Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf kommunaler und regionaler Ebene“. Diese wurde vom Europäische Rat der Gemeinden und Regionen Europas (CEMR) ins Leben gerufen. Bereits über 1700 Kommunen aus 36 Ländern haben sich dem Ziel dieser Charta – der Forcierung der Gleichstellung – verpflichtet.