Walter Görgens sucht nach neuer Unterkunft für 80 Jahre altes Kunstwerk St.-Johannis-Kirche: Schönebecker besitzt detailgetreuen Nachbau aus Papier
Ein 80 Jahre altes, ganz besonderes Kunstwerk hat Walter Görgens bei sich zu Hause stehen: Es ist ein Nachbau der Bad Salzelmener St.-Johannis-Kirche aus Schreibpapier. Sein Onkel hat ihn einst gefertigt.
Schönebeck l Man muss schon mit dem Kopf ganz nahe herangehen, um die Detailtreue des 33 Zentimeter langen und 35 Zentimeter hohen Nachbaus in ihrem ganzen Ausmaß zu erkennen: Wer durch die Kirchenfenster blickt, entdeckt, dass sogar das Innenleben nachgebaut wurde, welches die St. Johannis-Kirche Anfang der 30er Jahre hatte - von den Sitzbänken bis hin zum Altar mit seinen Figuren. "So etwas Hervorragendes ist schon ein besonderes Kleinod", schwärmt Walter Görgens.
Pfarrerssohn fertigte einst den Nachbau
Der Fertiger des Kunstwerkes, Friedrich Scholl, war zur Zeit der Entstehung angehender Experte. Mit Stolz erzählt Görgens: "Mein Onkel befand sich in der höheren Schulzeit. Später hat er Architektur studiert und den Doktortitel erlangt. Er hat auch viele andere Papierobjekte gebaut, zum Beispiel die Messehalle in Magdeburg und eine voll funktionsfähige Lokomotive."
Die Original-Kirche als Vorlage hatte Friedrich Scholl damals täglich vor der Nase. Denn er wohnte gleich gegenüber. "Sein Vater, also mein Großvater, war von 1923 bis 1955 Pfarrer an St. Johannis. Die beiden trugen den gleichen Namen." Dadurch, dass die Familie im Pfarrhaus wohnte, hatte der Sohn auch Zugriff auf das Kirchenarchiv mit den Original-Bauplänen.
Wie lange das Fertigen gedauert hat, kann der Schönebecker nicht sagen. "Ich weiß aber, dass meine Mutter damals immer neben ihrem großen Bruder gesessen und ihm zugeschaut hat." Im Nachhinein hat auch Walter Görgens seinen Anteil an dem Kunstwerk geleistet: Er hat es ein bisschen restauriert - zum Beispiel die Beulen ausgebessert, die es im Laufe der Jahre bekommen hat. "Ich hatte mich jahrelang nicht herangetraut, aber dann ist mir ein Weg eingefallen, wie ich es schaffe, ohne die Kirche zu beschädigen." Und wie sieht der aus? Der Diplom-Mathematiker zwinkert: "Das bleibt mein großes Geheimnis."
Besitzer würde Mini-Kirche gern der Öffentlichkeit zeigen
Nicht bekannt ist auch, wo die Miniatur-Kirche künftig stehen soll. Fast 80 Jahre lang ist sie in Schönebeck von Schrank zu Schrank gewandert, seit 1980 gehört sie offiziell dem Neffen des Erschaffers. "Mein Onkel hat sie mir geschenkt, als er zu Besuch aus Darmstadt war. Ich hatte sie bis dahin aufbewahrt." Statt sie weiterhin in seiner Wohnung zu beherbergen, würde Walter Görgens das Kleinod gern der Öffentlichkeit zugänglich machen. Doch bisher hat er noch keinen Weg gefunden. "Ich habe schon beim Kirchbauverein gefragt, aber kein richtiges Ja erhalten. Denn man bräuchte dann noch eine Vitrine."