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VadalismusUnglaubliche Raserei im Einfamilienhaus

Ein extremer Fall von Einbruch gepaart mit Vandalismus ereignete sich in Glinde. Ein Einfamilienhaus wurde komplett verwüstet.

Von Thomas Linßner 21.01.2020, 17:18

Glinde l Die Zerstörungen sprengen jegliche Vorstellungskraft. Vom Erdgeschoss bis zum Dach gibt es keinen Raum, der nicht vollkommen verwüstet wurde. Spiegel sind zerschlagen, die Ledersofas aufgeschlitzt, Lampen von der Decke gerissen. Überall liegen Glas-, Keramik- oder Kunststoffsplitter herum. Sogar die feuerfeste Scheibe des Kamins konnte einer Sporthantel nicht stand halten.

Schon allein deren Reparatur würde einige hundert Euro kosten. Im Obergeschoss zündeten die Täter sogar eine Feuerwerksbatterie, die von Silvester übrig geblieben war. Nicht mal die Holzverkleidung der Wände oder das Parkett blieben verschont. Tiefe Löcher und Dellen zeugen von schweren Gegenständen, die dagegen geworfen wurden.

Es scheint in dem knapp 20 Jahre alten Haus kaum etwas zu geben, das dem Furor der Einbrecher stand hielt. „Der Beamte von der Spurensicherung hat gesagt, dass er so etwas in 30 Jahren noch nicht gesehen hat“, zitiert Besitzerin Anett Sinast die Polizei.

Die brauchte nicht lange, nach den Tätern zu fahnden, weil drei von ihnen „auf frischer Tat“ in den frühen Morgenstunden des vergangenen Sonnabends gestellt wurden. Aber so „frisch“ kann die Tat zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewesen sein, betrachtet man das ungeheuere Ausmaß der Zerstörungen. Um derartige Raserei auszuleben, brauchte es Stunden.

„Die am Ort eintreffenden Beamten konnten, trotz Fluchtversuchs, drei männliche Personen im Alter von 13 bis 17 Jahren stellen“, heißt es in der offiziellen Polizeimeldung. Wie die Hausbesitzer, Anett und Michael Sinast sagen, sollen es insgesamt fünf gewesen sein. Ein Rucksack mit Diebesgut sei unweit der Glinder Elbesporthalle gefunden worden. Der, so hart wie es klingt, das geringste Übel war ...

Die Hausbesitzer waren zum Zeitpunkt der Tat nicht zu Hause. „Einem Nachbarn war aufgefallen, dass im daneben befindlichen Wohnhaus Aktivitäten stattfinden, obwohl die Bewohner wissentlich nicht zu Hause sein durften“, heißt es lapidar in der Polizeimeldung. An der guten Schalldämmung des modernen Eigenheims scheint es gelegen zu haben, dass die Nachbarschaft die „Aktivitäten“, sprich den Riesenspektakel, den die jugendlichen Einbrecher veranstalteten, nicht schon eher hörten.

Der Einbruch erfolgte von der Rückseite durch eine Terrassentür. Deren Isolierglasscheibe wurde mit einem schweren Gegenstand zertrümmert.

Die Sinasts mussten mit dem Aufräumen warten, bis die Versicherung ihren Gutachter schickte. Der wird nach Aussage der Kölner Versicherung bei Schäden bestellt, die jenseits der 25.000 Euro liegen. Diese Summe dürfte der Schaden in Glinde locker übertreffen.

Es war schnell klar, woher die Täter kamen. Sie leben in der Nachbarschaft, quasi in Sichtweite des Sinast-Hauses. Hier betreibt der Schönebecker Verein „Nestwärme“ die Jugendhilfeeinrichtung „Sportpark Glinde“, in dem etwa 20 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren wohnen. Die „Nestwärme“ hatte die „Akademie Lothar Kannenberg“ übernommen, nachdem diese in Insolvenz gegangen war. Deren damaliges Ziel: straffällig gewordene Kinder und junge Männer zu resozialisieren.

Nestwärme-Geschäftsführer Remo Kannegießer und Heimleiter Marcus Bergmann war noch am Montag anzusehen, wie sehr ihnen die Tat ihrer „Schützlinge“ in den Knochen steckt. Ja, es gebe klare Regeln in der Einrichtung, die aber auch unterlaufen werden könnten.

„Das ist kein amerikanisches Bootcamp, und wir müssen uns an die Gesetze halten“, so Kannegießer zerknirscht. (Als Bootcamp werden Einrichtungen zur knallharten Umerziehung von jugendlichen Straftätern in den USA genannt.) Nach 22 Uhr sollen die Jugendlichen in ihren Zimmern sein; zwei Betreuer würden das überwachen.

Laut Remo Kannegießer besuchten die Jugendlichen „ganz normal“ die Schule und hätten auch reguläre Freizeit. Doch dabei gebe es ein Problem: Designerdrogen. Die Einbrecher seien ganz klar „auf Amphetaminen“ gewesen, die gepaart mit Alkohol jene entfesselnde Wirkung zustande brächten, wie man es in dem verwüsteten Haus sah. Einem Jugendlichen hätte die Polizei sogar Handschellen anlegen müssen, nachdem er „gewaltig ausgerastet“ sei. Es gebe zwar Kontrollen – doch die Verstecke würden außerhalb der Einrichtung liegen.

Welche Konsequenzen hat das nun für die Täter, die unter 18 sind? „Jeder wird in geeigneter Weise bestraft“, meint Pädagoge Marcus Bergmann knapp. Genauer wollte er nicht werden. „Über welche Konsequenzen soll ich jetzt sprechen, wenn ich sie sowieso nicht umsetzen darf“, meint er resigniert. Die Palette der Bestrafungsmöglichkeiten sei klein. Und dann sagt Bergmann einen Satz, der die gesamte Misere auf den Punkt bringt: „Die Gesellschaft sieht nur hin, wenn es geknallt hat!“

Im friedlichen Glinde ist man über diese Tat äußerst schockiert. Hatte es doch zuvor schon kleinere Attacken der Sportpark-Jugendlichen gegeben, wie geklaute Fahrräder oder abgerissene Weihnachtsdeko. Das brachte ein Glinder Ortschaftsrat in der jüngsten Barbyer Stadtratssitzung zur Sprache. (Die Stadt Barby ist Eigentümer des Sportparks.)

Am 6. Februar soll es während der nächsten Glinder Ortschaftsratssitzung eine Aussprache dazu geben, an der auch der Betreiber „Nestwärme“ teilnimmt.