Baugebiet Streitfeld und die Versickerungsmulden sind morgen erneut Thema im Schönebecker Stadtrat Verantwortung wahrnehmen: Doch das Wie wird von Parteien unterschiedlich definiert
Wenn der Schönebecker Stadtrat morgen zusammenkommt, steht das Baugebiet Streitfeld wieder im Mittelpunkt. Dann ist eine Frage zu klären: Soll es zur Bebauung freigegeben werden?
Von Olaf Koch
Schönebeck l Es ist der Tagesordnungspunkt 16 und einer der letzten. Doch die Einordnung steht entgegengesetzt zur Bedeutung. Erneut werden die Stadträte über die Veränderungssperre des Bebauungsplanes "Wohnpark Streitfeld" debattieren.
Welche Entscheidung richtig ist, darüber sind die Fraktionen unterschiedlicher Auffassung. Auf der einen Seite geht es in der Argumentation um trockene Grundstücke für zukünftige Bauwillige und bereits ansässige Grundstücksbesitzer. Auf der anderen Seiten ist es vor allem die CDU, die sich der Idee öffnet und das Gebiet zur Bebauung freigeben will. Während es bisher über das Für und Wider um die Genehmigung und Weiterbetreibung von Sickermulden für bereits errichtete Wohngebäude ging, soll nun am 25. Oktober auf der Sitzung des Stadtrates über die Verlängerung der Veränderungssperre entschieden werden. Die Christdemokraten wollen trotz des Gegenwindes im Rat bei ihrer Meinung bleiben. "Die Veränderungssperre war bereits zwei Jahre wirksam. In dieser Zeit hat uns die Verwaltung das Konzept zum Niederschlagswasser versprochen. Gekommen ist aber nichts", so Torsten Pillat. Aus diesem Grund will die CDU das Baugebiet morgen "freigeben".
Nur einen kleinen gemeinsamen Nenner gibt es in dieser Problematik zwischen CDU und SPD: Beide sind der Meinung, dass das Niederschlagswasser-Beseitigungskonzept zu spät kommt. Doch in der Folge haben die Sozialdemokraten eine andere Auffassung. "Die Lösung ist nicht, auf die Veränderungssperre zu verzichten, sondern sie wieder einzusetzen", sagte gestern Fraktionsvorsitzender René Wölfer. "Wir benötigen einen rechtssicheren Raum." Ähnlich sieht dies auch die Fraktion FDP/Schall. "Wir wissen doch alle, dass gerade dieses Gebiet bisher laufend unter Wasser stand und dass der dort betriebene Ackerbau nur spärliche Erträge erbrachte. Statt Getreide und Kartoffeln wuchsen hier oft Binsen und quakten die Frösche", beschreibt es Fraktionsvorsitzender Reinhard Banse ziemlich bildlich.
Professor Reinstorf relativiert Aussage der CDU
In einem Artikel in der Volksstimme vor fünf Wochen begründete Torsten Pillat den Willen der CDU-Fraktion im Stadtrat von Schönebeck, die Veränderungssperre im Streitfeld nicht verlängern zu wollen. Er stützt dies unter anderem mit einem Auszug aus dem Protokoll der 10. Sitzung der Grundwasserarbeitsgruppe 2 vom Mai 2012. "Die AG 2 legt Wert darauf festzustellen, dass aus dem Protokoll keinesfalls zu entnehmen ist, dass eine weitere Bebauung im Streitfeld keine signifikanten Auswirkungen auf das Grundwasser in diesem Bereich hat. Das Thema eines Weiterbaus ist in der Sitzung nicht diskutiert worden. Im Interesse einer sachlichen Debatte bitten wir darum, künftig nur von der AG 2 bestätigte Protokolle zu zitieren", schreibt Prof. Frido Reinstorf, Leiter der Arbeitsgruppe.
Hat Bebauung ohne Konzept verheerende Folgen?
Dem schließt sich auch die Fraktion Die Linke an. "Was die CDU aus dem Gutachten interpretiert, können wir so nicht lesen", sagte gestern Sabine Dirlich. Auch Die Linke fordert dringend das Niederschlagswasser-Beseitigungskonzept. "Bis das aber vorliegt, sprechen wir uns für eine erneute Veränderungssperre im Streitfeld aus."
SPD, Die Linke und FDP stimmen darin überein, dass sich eine eventuelle Weiterführung von Baumaßnahmen vermutlich verheerend für die Bewohner von Felgeleben auswirken kann. Durch die weitere Verdichtung des Bodens würde noch mehr Grundwasser gerade in Richtung Felgeleben fließen und damit noch mehr Keller unter Wasser gesetzt werden. "Jeder Bauwillige setzt voraus, dass sein Grundstück trocken bleibt", so Sabine Dirlich. Die Liberalen sehen eine Möglichkeit der vorläufigen Heilung des Problemes: das Zustimmen zur Beschlussvorlage. Reinhard Banse könnte sich auch konsequentere Entscheidungen vorstellen und verweist auf das Bespiel: "In Dresden wurden über 1100 vom Wasser bedrohte bauliche Objekte ermittelt. Man hat deshalb dort über große Teile des besiedelten Stadtgebietes ein praktisches Bauplanungsverbot verhängt."
Doch wie sieht es vergleichsweise in Schönebeck aus? Nach Informationen der FDP seien rund 2000 Wohngebäude vom Grundwasseranstieg betroffen. Nahezu doppelt so viele wie in Dresden. "Es ist unsere Pflicht als Stadträte, gerade diese Situation sehr ernst zu nehmen. Ein ¿Weiter wie bisher kann es nicht geben\'", erklärt Banse. "Auch bei uns gehören alle möglichen Ursachen für Vernässungen erst einmal auf den Prüfstand. Und erst dann, wenn Prof. Reinstorf seine wissenschaftlich begründeten Untersuchungsergebnisse bekannt gegeben hat, kann darüber nachgedacht werden, ob überhaupt oder wie es gegebenenfalls weitergeht."
Den Bürgern müssten die Stadträte jetzt zeigen, dass Stadtverwaltung und Stadtrat ehrlichen Herzens bemüht sind, im öffentlichen Interesse zu handeln. Schnellschüsse oder purer Aktionismus würde nur dem Ansehen schaden.