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Videothek Eine der Letzten ihrer Art in Calbe

Immer mehr Videotheken verschwinden von der Bildfläche. Anke Heykeroth aus Calbe denkt aber gar nicht daran, das Geschäft aufzugeben.

Von Paul Schulz 19.02.2019, 07:58

Calbe l Anke Heykeroth übt einen Beruf aus, der vom Aussterben bedroht ist. Die 54-jährige Calbenserin ist Videothekarin und betreibt ihr Geschäft „Sunshine-Video“ an der Schloßstraße in Calbe. Sie hat miterlebt, wie nach der Wende zahlreiche Videotheken aus dem Boden geschossen sind. Wie die Videokassette von der DVD abgelöst wurde und wie sich das Leihgeschäft mit Filmen immer mehr in das Internet verlagerte. Die Konsequenz: Von den einst zahlreichen Videotheken sind nur noch wenige übrig.

Für Anke Heykeroth steht aber fest, dass sie ihre Videothek weiter betreiben wird. „Ich werde dieses Jahr 55. Da mache ich doch nicht noch einmal einen Neuanfang. Außerdem reicht es noch aus, um die Rechnungen zu bezahlen“, sagt Anke Heykeroth. Die Videothekarin erinnert sich aber auch noch gut an die Anfänge mit diesem Geschäft. „Eröffnet habe ich im März 1990. Zusammen mit zwei Videothekaren aus Bielefeld. Die Euphorie nach der Wende war groß und ich wollte einfach keine ‚normale Arbeit‘ mehr machen“, sagt Heykeroth. Ab 1993 hat die Calbenserin dann die Videothek in Eigenregie geleitet. „Ich dachte, was die beiden können, das kann ich auch selbst.“

Und ihr Erfolg gibt ihr Recht. Die ersten Jahre von „Sunshine-Video“ laufen gut, was sich auch finanziell bemerkbar macht. „Ich habe wirklich gut verdient – sogar mehr als mein Mann. Der war dann schon etwas neidisch“, sagt Heykeroth.

Doch nach mittlerweile 29 Jahren hat sich im Filmverleih einiges geändert. Der erste große Umbruch ist der Niedergang der Videokassette. Die DVD ist plötzlich da.

„Die Übergangszeit von der Kassette zur DVD war doof. Teilweise musste ich die Filme in doppelter Ausführung haben, also einmal auf Videoband und dann nochmal auf DVD, um auch jedem Kunden etwas anbieten zu können“, sagt die 54-Jährige. Zudem mochte sie, dass sich Videokassetten noch reparieren ließen. „Wenn da mal eine Macke auf dem Band war, dann habe ich die Stelle einfach schnell rausgeschnitten und das Band wieder geklebt und schon konnte man den Film wieder sehen. Eine DVD hingegen kann durch Kratzer komplett unbrauchbar werden. Manchmal sehen die DVDs auch wirklich schlimm aus. Da frage ich mich dann, ob die Kunden die als Frühstücksteller missbrauchen“, scherzt die Videothekarin.

Ein anderer großer Umbruchfaktor, der wohl hauptverantwortlich für den Niedergang der Videotheken ist, ist das Internet samt Streaming. Wer will, der kann die Filme online konsumieren. Verschiedene legale und auch illegale Internetseiten stehen in Konkurrenz zum Verleih-Geschäft vor Ort.

Das merkt auch Anke Heykeroth. So habe sie im Vergleich zu vor zehn Jahren deutlich weniger Kundschaft in ihrer Videothek. Jedoch habe sich die Anzahl der Kunden zumindest in den vergangenen drei Jahren stabilisiert, so Heykeroth. Zudem würden auch gelegentlich noch neue Kunden in den Laden kommen. Und auch junge Leute, zur Überraschung der Videothekarin. Den größten Teil der Kundschaft machen aber die Stammkunden aus. Und von diesen Stammkunden haben die meisten Interesse an Filmen, die sich an Erwachsene richten. „Etwa die Hälfte meiner Kunden sind Porno-Gucker. Daher versuche ich auch, das Sortiment dementsprechend immer wieder anzupassen, um auch regelmäßig neue Filme anbieten zu können“, sagt Heykeroth.

Insgesamt sind unter den rund 4500 Filmen, die sie in ihrem Geschäft verleiht, 500 pornografische Titel. Und als Videothekarin gehört es natürlich auch dazu die Filme anzusehen. „Es gab schon Tage, da habe ich 20 Pornos gesehen – das ist dann auch nicht mehr schön“, sagt Heykeroth.

Aber natürlich bedient die Videothekarin auch sämtliche anderen Genres. Neben aufregenden Action- und Horror-Filmen, stehen auch spannende Krimis und Thriller sowie Familien- und Kinderfilme in den Regalen der Videothek. Die Filme bestellt Anke Heykeroth im Internet. Vor ein paar Jahren lief das noch etwas anders, wie sie erklärt: „Früher kamen die Händler mit dem Auto vorgefahren. Im Kofferraum die Kisten voller Videos. Da konnte man noch kramen und sich durch das Sortiment wühlen. Das war spannend. Das hat Spaß gemacht“, schwärmt die Videothekarin.

Doch die Zeiten ändern sich. Nun fährt kein Händler mehr vor und bietet seine Filme feil. Die Kundschaft ist geschrumpft. Viele sehen sich Filme im Internet an. „Mein Sohn hat sich auch bei einem Streaming-Anbieter angemeldet. Aber ich bin ihm da auch nicht böse. Die haben ja teilweise auch ein sehr gutes Angebot. Dafür ist meine Enkeltochter mein größter Fan. Die kriegt immer einen Kinderfilm in die Hand gedrückt, wenn sie zu Besuch ist“, sagt Heykeroth. Genügend Auswahl hat die Videothekarin auf jeden Fall.