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Violinist Zurück zu Schönebecker Wurzeln

Sein erstes Konzert seit dem Corona-Lockdown hat der in London lebende Zsolt-Tihamér Visontay jetzt in seiner Heimat Schönebeck gespielt.

Von Bianca Oldekamp 13.07.2020, 01:01

Bad Salzelmen l Zsolt-Tihamér Visontay hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht: Er ist Violinist beim Londoner Philharmonia Orchestra, spielt die erste Geige des Sinfonieorchesters. Ein Beruf, der den 37-Jährigen für gewöhnlich komplett einspannt. Das allerdings hat sich mit der Corona-Pandemie geändert. Von 100 Prozent auf nahezu null Prozent sei sein berufliches Leben heruntergefahren, berichtet Zsolt-Tihamér Visontay im Gespräch mit der Volksstimme. Konzerte? Abgesagt. Gemeinsame Proben? Fehlanzeige.

Ein bisschen Proben musste der Wahl-Londoner jetzt aber doch. Denn nach Monaten ohne Konzerte – das letzte war an einem Sonntag Mitte März 2020 in London – hatte Zsolt-Tihamér Visontay jetzt endlich wieder die Möglichkeit, auf einer Bühne zu stehen, vor echtem Publikum zu spielen. Und das ausgerechnet in der Stadt, in der er aufgewachsen ist: in seiner Heimatstadt Schönebeck.

Zusammen mit Jan Michael Horstmann, Chefdirigent der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie, stand Visontay am Freitagabend, 10. Juli, und am Sonnabend, 11. Juli, gleich zweimal für „Sommerliche Konzerte mit Horstmann and friends“ auf der Bühne – dank einzuhaltender Abstandsregeln – vor kleinem Publikum im Dr.-Tolberg-Saal im Schönebecker Kurpark. „Im Tolberg-Saal habe ich früher schon oft gespielt“, berichtet der gebürtige Schönebecker der Volksstimme kurz vor dem Konzert am Freitag.

Kein Wunder. Schließlich ist seine Mutter, Susanne Reichel-Visontay, schon damals Teil der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie, spielt in dem „Hausorchester“ des Salzlandkreises Violine. Die Violine, so wird die Geige im Orchester-Jargon genannt, spielt auch Zsolt-Tihamér Visontay seit er fünf Jahre alt ist, hat zunächst Musikunterricht am Konservatorium Georg Philipp Telemann unter Musiklehrerin Hannelore Gehrike genommen, bevor er 1997 nach Weimar gezogen ist, das dortige Musikgymnasium Schloss Belvedere besucht und anschließend an die Musikhochschule unter Professor Jost Witter studiert hat. Als Mitglied des Jugendorchesters der Europäischen Union entstand schließlich der Kontakt nach London. Nach einem Vorspielen im Jahr 2007 wurde der damals 24-Jährige engagiert, lebt seither in der englischen Hauptstadt.

Eigentlich täglich hat der gebürtige Schönebecker seither seine Violine aus dem Jahr 1730, gebaut vom italienischen Geigenbauer Pietro Guarneri, in der Hand. Das allerdings änderte sich während des britischen Lockdowns. „Sechs Wochen lang habe ich mein Instrument zwischenzeitlich nicht angerührt“, gesteht Zsolt-Tihamér Visontay. Davon hatte das Publikum beim Konzert am Freitag allerdings nichts gemerkt.

Neben lautem Beifall – so laut, als wäre der Raum voll besetzt gewesen – gab es auch Standing Ovations für die Stücke von Mozart, Beethoven, Mendelssohn-Bartholdy und Korngold, die Visontay an der Violine und Horstmann am Klavier spielten. Und genau das hatte er vermisst. „Wir machen Musik für die Gesellschaft“, sagt der gebürtige Schönebecker „und genau das können wir gerade nicht.“

Nach dem letzten Konzert an dem Sonntag Mitte März 2020 waren beispielsweise Aufnahmen in den durch die Beatles bekannten Abbey-Road-Studios geplant gewesen. Doch zu diesen sollte es gar nicht mehr kommen. „Wir haben morgens um sieben Uhr eine Nachricht bekommen, dass wir nicht kommen sollen“, erinnert sich Visontay. Danach kamen täglich weitere Absagen für Proben, Konzerte, Aufnahmen beispielsweise für Musik zum nächsten Teil der Actionfilmreihe „Fast and Furious“.

Der Dienstplan des Musikers, der nur dann Geld verdient, wenn das Orchester auch spielt, war leer gefegt. Doch sowohl Visontay als auch seine Freundin Fiona Cornall – sie spielt ebenfalls Violine im Philharmonia Orchestra – haben immer versucht, das Positive aus der Situation zu ziehen. „Wir hatten endlich Zeit für die Dinge, für die sonst keine Zeit ist“, sagt der 37-Jährige. „Für Netflix zum Beispiel und meine Freundin hat jeden Tag frisch gekocht.“ Alltagsmomente, die dank meist übervollem Dienstplan sonst auf der Strecke bleiben.

Dennoch schmerzt es das Musikerherz des gebürtigen Schönebeckers, dass diverse Konzerte und Touren ausgefallen sind. Und auch eine Sommeroper unter freiem Himmel, – sozusagen der Operettensommer des Philharmonia Orchestra – fällt flach. Deshalb waren die seit Anfang Juni geplanten Auftritte in Schönebeck ein Lichtblick für den 37-Jährigen. Am Montag war er von London nach Deutschland geflogen, bereit für das erste Konzert seit Monaten und ein Wiedersehen mit seiner Mutter in ihrem Haus, in dem er bei Heimataufenthalten auch übernachtet.

Natürlich hätten die Musiker die Möglichkeiten, die die Medien heutzutage mit sich bringen genutzt, und kleine Digitalkonzerte teils getrennt voneinander aus den heimischen vier Wänden aufgenommen, doch das sei einfach nicht das gleiche findet Visontay. „Ich habe dann manchmal in mein Tablet gespielt, aber da kam einfach nichts, keine Rückmeldung, keine Resonanz.“

Das Tablet hatte Visontay auch am Wochenende mit auf der Bühne des Tolberg-Saals. Liest er doch auf diesem die Noten ab, blättert um, indem er mit dem Fuß auf ein mit dem Tablet verbundenen Schalter tippt. Dass ihm das musizieren vor Live-Publikum gefehlt hatte, war Zsolt-Tihamér Visontay anzumerken.

Nicht nur dank intensiver Gestik und Mimik, in der er Höhen, Tiefen und das Tempo der klassischen Stücke optisch mitfühlte, sondern auch in Worten. Sichtlich gerührt und nach Blumenpräsenten vom Schönebecker Publikum – „viele der Leute haben mich schon als kleinen Jungen spielen gesehen“, berichtet er nach dem Konzert – dankte er den Zuhörern im Tolberg-Saal. Dem Saal, in dem in gewisser Weise auch die musikalischen Anfänge des Konzertmeisters liegen.