Leser der Volksstimme kritisieren Umstand, dass kein Zugang zu Seen in Ostelbien besteht Volkswille und Bundesrecht: Warum sind viele Seen für die Allgemeinheit gesperrt?
Nicht zugänglich sind zahlreiche Seen auf der ostelbischen Seite von Schönebeck. Der Grund: Grundstücksbesitzer und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben kommen ihrer Verkehrssicherungspflicht nach und haben die Zuwegungen eingezäunt.
Plötzky/Pretzien l Die Klagen häufen sich. Das Naturschutzgebiet ostelbisch der Stadt Schönebeck nutzen viele Städter für einen Radausflug. Einige packen auch ihre Badesachen ein, weil sie wissen, wie abkühlend die keinen Seen in der sommerlichen Hitze sein können. So berichtete dieser Tage ein der Redaktion namentlich bekannter Vater aus Frohse, dass er mit seiner Tochter vergeblich einen See im Wald gesucht hatte und immer wieder - wörtlich gesehen - vor verschlossener Tür stand. Oder einfach gesagt: Privatgrundstücke um die Seen verhindern einen Zugang. Der Vater ist schließlich mit seiner Tochter nach Barby zum Baden gefahren.
Auch der Schönebecker Georg Brandes machte unlängst auf diese Problematik der nicht zugänglichen Seen zwischen Plötzky und Pretzien aufmerksam und bat die Volksstimme, diese Frage an Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase weiterzureichen. Der sagte damals: "Die Grundstücke der Seenkomplexe in Ostelbien gehören verschiedenen Eigentümern, zum Teil auch der Stadt Schönebeck. Ich möchte ausdrücklich feststellen, dass unser Sicherheits- und Ordnungsamt keine Seen in Ostelbien für die Allgemeinheit gesperrt hat", so der Oberbürgermeister.
Bei den bestehenden Sperrungen von Zugängen zu Seen in diesem Bereich handele es sich um Grundstücke, die sich im Privateigentum befinden beziehungsweise vom Bund verpachtet wurden. Teilweise bestehen an Uferbereichen Absperrgeländer, die in den Jahren vor der Deutschen Einheit aufgebaut wurden und das Betreten der Böschungsbereiche verhindern sollen. "Aber wir sind zurzeit in der Gesamtüberprüfung, obwohl auch durch Gewohnheitsverhalten dies sehr erschwert wird", sagt Hans-Jürgen Haase.
Ein Beispiel, wie kompliziert die Situation ist, zeigen die Zugänge zum Steinbruch-, Blauer und Tiefensee. Dort, so berichtet es Georg Brandes, habe er mit seiner Frau vor Jahren noch Zugang gehabt. Wenngleich nur an einer schmalen Stelle, aber immerhin. Doch inzwischen ist auch diese letzte Möglichkeit, an das Ufer zu gelangen, mit einem Zaun versperrt. Eigentümer ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die das Grundstück an den Verein Erholungs- und Freizeitverein Plötzky verpachtet hat.
Dort treffen nun unbedarfter Volkswille und bundesdeutsches Recht gnadenlos aufeinander. Es ist die Verkehrssicherungspflicht und das Problem der stetigen Vermüllung. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben sieht sich verpflichtet zu handeln, wie Vertreter vor Ort dem Ehepaar Brandes berichten. Kommt es dort womöglich einmal zu einem tödlichen Unfall, frage der Staatsanwalt nicht, ob Schilder "Betreten verboten!" oder "Baden auf eigene Gefahr!" aufgestellt wurden. Der Staatsanwalt frage viel mehr den Grundstückseigentümer, was er unternommen habe, damit von seinem Stück Land keine Gefahr ausgehe.
Doch dieser Argumentation will die Familie Brandes nicht so sehr folgen. Ihre Gegenfragen: Warum ist dann nicht der Neustädter See in Magdeburg vollständig eingezäunt? Oder die Müritz in Mecklenburg-Vorpommern? Oder die gesamte Ostsee? Oder das Ufer Elbe zwischen Dresden und Hamburg?
Genervt von Fragen der vielen Tagestouristen sind inzwischen auch die Anwohner, die die Parzellen mit den schmucken Häuschen besitzen. Sie wollen ihre Ruhe und verweisen auf die Mitgliedschaft im Erholungs- und Freizeitverein, an den sie die teure Pacht bezahlen.
Im Freistaat Bayern, so Georg Brandes, sei der Zugang zur Natur im Allgemeinen und zu Seen im Besondern gesetzlich geregelt. Demnach garantiere die Bayrische Verfassung ein Nutzungsrecht an der Natur für jedermann. "Der Genuss der Naturschönheiten und der Erholung in der freier Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide, das Befahren der Gewässer und die Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang ist jedermann gestattet", zitiert der Schönebecker den Artikel 141 der Bayrischen Verfassung.
Warum sind Georg Brandes und seine Frau so erpicht, ausgerechnet eine Radlerpause am Ufer des Tiefensees einzulegen und nicht an einem der anderen Seen? "Für uns hat das eine ganz emotionale Bedeutung. Wir haben uns hier vor 50 Jahren kennengelernt. Und leider können wir nun an diesen Ort nicht mehr zurückkehren", so Georg Brandes.