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Beirat Schönebeck Wunschliste für ein neues Rathaus

Zum Workshop "Ein Rathaus für alle" hatte der Inklusionsbeirat Schönebeck eingeladen.

Von Ulrich Meinhard 20.10.2017, 01:01

Schönebeck l Sehen. Hören. Sich uneingeschränkt bewegen. Für gesunde, für nicht behinderte Personen stellen Stufen, Treppen, Lautsprecherdurchsagen, halbdunkle Räume kein Problem dar. Ganz anders ergeht es oft Menschen, die gehandicapt sind, weil sie schwer hören, schlecht sehen, nur mit Gehhilfen gehen können oder im Rollstuhl sitzen. Eine völlig barrierefreie Welt ist sicherlich nicht realisierbar, aber zumindest öffentliche Einrichtungen könnten und sollten Rücksicht nehmen. Wie etwa würde ein Rathaus aussehen, in dem jeder Mensch problemlos zu der Stelle kommt, oder zielgenau diese Auskunft erhält, die er sucht?

„Ich stoße ständig auf Barrieren.“ Frank Otto ist seit vielen Jahren der Vorsitzende des Gehörlosenvereins Schönebeck. Über die Gebärdensprache und mit Hilfe einer Powerpoint-Präsentation gaben er und sein Freund Hans-Jürgen Wolf den Anwesenden einen Einblick in den Lebensalltag von gehörlosen Menschen. So stellte Frank Otto folgende Frage in den Raum: „Hat sich jemand mal Gedanken gemacht, wie ich einen Notruf absetzen soll?“ Das sei ein Beispiel dafür, wie schwer es für betroffene Menschen ist, mit der hörenden Welt überhaupt in Kontakt zu kommen. Frank Otto ließ wissen, dass er das erste Mal um seinen Rat gefragt worden ist. „Darüber freue ich mich.“

Wenn ein gehörloser Mensch das „Rathaus für alle“ betrete, sollte es gut ausgeleuchtete und blendfreie Räume, der Ansprechpartner im Amt sollte ein ausgeleuchtetes Gesicht haben, damit seine Mimik gut zu erkennen sei. Ideal wäre es, wenn wenigstens einer der Rathaus-Mitarbeiter die Gebärdensprache beherrsche, anwendbar sei aber auch ein Tele-Dolmetscherdienst. Ja, es stimme, gehörlose Menschen könnten viele Worte von den Lippen ablesen, aber nicht mehr als 25 Prozent.

Schwierig werde es bei Worten wie „Mutter“ und „Butter“. Jeder Hörende könne diese Begriffe einmal vor sich hinsprechen und werde dabei feststellen, dass sie die gleiche Mundbewegung verursachen. „Aber die Bedeutung ist eine ganz andere“, gab Frank Otto zu bedenken.

Zum „Rathaus für alle“ nahmen weiterhin Kathi Schobert vom Diakonieverein und Claudia Bösener vom Christlichen Jugenddorfwerk (CJD) Stellung. Auch sie versuchten, für die Bedürfnisse von Menschen zu sensibilisieren, die körperliche Einschränkungen haben. Für sie seien folgende Unterstützungen hilfreich: farbige Fußabdrücke/Linien, farbige Kennzeichnung der Abteilungen in einem Verwaltungsgebäude, Hinweisschilder mit Blindenschrift, mit Piktogrammen oder Fotos, möglichst keine Treppen, ein Fahrstuhl mit integrierter Ansage (auf welchem Stockwerk man sich gerade befindet und welche Abteilungen hier untergebracht sind), Handläufe in den Fluren, selbstöffnende Türen, genügend Sitzplätze im Wartebereich, genügend Platz für Rollstuhlfahrer, ein Radio oder Musik im Wartebereich, freundlich gestaltete Räume mit Pflanzen und Wasserspendern.

Wünschenswert sei auch eine Person am Empfang, die sich Zeit nehmen kann, die Fragen ohne Hast beantwortet und vielleicht auch einen Bürger persönlich dorthin bringt, wohin er möchte. Und außerdem: Formulare, die jeder Mensch verstehen und entsprechend ausfüllen kann sowie Mitarbeiter, die sich einer einfachen, einer allgemein verständlichen Sprache bedienen.

Der Diplom-Bauingenieur Thomas Schüler legte detailgenau dar, wie ein Rathaus-Neubau laut Gesetzeslage aussehen müsste, beziehungsweise könnte. So müsste eine Fahrstuhl-Kabine mindestens die Maße 1,10 mal 1,40 Meter aufweisen und Türen eine lichte Breite von 90 Zentimetern, damit Rollstuhlfahrer ausreichend Platz finden. Toilettensitze sollten nicht höher als 46 bis 48 Zentimeter sein, Toilettentüren sollten nach außen zu öffnen sein.

Frank Brehmer vom Blinden- und Sehbehindertenverband wünscht sich, dass die Stadt Schönebeck beim Neubau des Rathauses eine ähnliche Vorreiterrolle einnehme, wie es bei der Gestaltung des Marktplatzes geschehen sei. Sein Vorschlag: eine Infosäule mit akustischer Orientierung, QR-Codes und Infos mit großer Schrift an den Türen, dazu Erläuterungen, wer dahinter arbeitet.

Wie Brehmer legten alle Referenten großen Wert darauf, dass Mitarbeiter eines Amtes gegenüber Bürgern eine allgemein verständliche Sprache sprechen. Das käme auch nichtbehinderten Menschen sehr entgegen. Der ehrenamtliche Geschäftsführer des Allgemeinen Behindertenverbandes in Sachsen-Anhalt (Abisa), Frank Schiwek, der den Workshop moderierte, sagte im Namen des Inklusionsbeirates Schönebeck, zu dem er gehört: „In der Stadt hat ein Umdenken stattgefunden.“ Das Thema Teilhabe aller Menschen am öffentlichen Leben werde in der Stadtverwaltung ernst genommen und verfolgt.

Der neue Marktplatz sowie der kurz vor der Fertigstellung stehende neue Haltepunkt Süd seien dafür ebenso Beispiele wie Teilabschnitte der neugestalteten Geschwister-Scholl-Straße. Die beim Workshop zusammengetragenen Ergebnisse und Vorschläge sind nicht verbindlich. Darauf wies Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz hin. Es handle sich um eine Willenserklärung, die aber im Baudezernat mehr als nur zur Kenntnis genommen werde. „Deshalb hat Baudezernent Guido Schmidt ja auch an dem Treffen teilgenommen“, sagte Wannewitz und fügte hinzu: „Wo es möglich ist, wollen wir die Ideen umsetzen. Im Rathaus Markt 1 ist das, obwohl das Gebäude unter Denkmalschutz steht, teilweise ja geschehen. Letztlich ist alles eine Frage des Geldes.“ Damit verweist der Sprecher auch auf die Haushaltslage der Stadt, die gegenwärtig die Umsetzung des Projektes Markt 2 nicht zulässt.