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Spurensuche Wurzeln an der Saale – eine amerikanische Familie auf Spurensuche in Calbe

Eine amerikanische Familie schaut sich in der Saalestadt an, wo der Großvater einst lebte und entdeckt dabei, dass sie ein Teil einer sehr großen Familie ist.

Von Thomas Höfs 16.04.2025, 12:00
Bürgermeister Sven Hause (r.) und Steffen Held (l.) mit der amerikanischen Familie. Friedrich Albert Kegel (2. v. l.) sucht in Calbe mit seiner Familie nach den Vorfahren.
Bürgermeister Sven Hause (r.) und Steffen Held (l.) mit der amerikanischen Familie. Friedrich Albert Kegel (2. v. l.) sucht in Calbe mit seiner Familie nach den Vorfahren. Foto: Thomas Höfs

Calbe. - So einen Besuch erlebt Bürgermeister Sven Hause nicht oft im Rathaus. In dieser Woche erhielt er Besuch einer amerikanischen Familie. Bereits vor längerer Zeit hatten sie ihre Reise nach Deutschland bei ihm angekündigt. Denn sie haben Wurzeln in Calbe und wollten mehr darüber erfahren.

Als Sven Hause den Nachnamen des Nachfahren sah, bat er Steffen Held an die Saale. Denn kaum ein anderer kennt sich so mit den Kegels aus. So heißt der Vorfahre mit Nachnamen. Albert Friedrich Kegel gehört einst zu den berühmten Fischern in der Kleinstadt. Sein Enkel wurde Friedrich Albert benannt und trat damit in die Fußstapfen der Familie.

Vom Fischer zum Auswanderer

In der Kleinen Fischerei wohnte der Vorfahre einst. Die kleinen Häuser am Hochufer der Saale zeigen heute noch, dass die Menschen hier früher bescheiden lebten. 1902 wanderte er aus Deutschland aus und reiste in die Vereinigten Staaten. An der Westküste leben heute seine Nachfahren, die bei ihrem Besuch in der kleinen Saalestadt viel über ihre Familie erfahren wollten. Dabei stellte sich heraus, dass Steffen Held, der einst ebenso aus Calbe stammt und schon seit Jahrzehnten in Hamburg lebt, gemeinsame Vorfahren mit den amerikanischen Besuchern hat und damit eigentlich sehr weit entfernte Verwandte trifft.

Das habe vor allem an der damaligen Familienpolitik gelegen, weiß er. Die Familien waren groß und manche Vorfahren hatten schon mal neun Brüder, die alle ihre eigenen Familien gründeten. Er selbst war vor vielen Jahren schon einmal nach Amerika gefahren, um dort an einem ganz großen Familientreffen teilzunehmen. Die Zeitungsbeiträge aus der Zeit hat er aufbewahrt. Damals habe er seinen entfernten Verwandten erklärt, woher sie stammten und womit sich die Vorfahren beschäftigten.

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Und auch diesmal wird es ein Ausflug in die Geschichte. Steffen Held hat eine Ahnentafel dabei. Gesichert zurück verfolgen kann er seine und die Vorfahren der Besucher bis in das Jahr 1590. Über fast ein halbes Jahrtausend ist festgehalten, wie sich die Familie entwickelt hat.

Die Fischereibruderschaft ist sogar noch älter. Sie existiert bereits seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Damals wurde das Fischereirecht vom Kloster gepachtet, schildert er. Das Kloster auf der Insel Gottesgnaden, von dem heute nichts mehr zu sehen ist, war die wirtschaftliche Großmacht in der Stadt. Über Jahrhunderte lebten viele Menschen vom Fischfang offenbar gar nicht so schlecht. Im 17. Jahrhundert nahmen die Fischer für die damalige Zeit viel Geld in die Hand und beendeten das Pachtverhältnis und kauften die Fischereirechte. Die Urkunden, auf denen der damalige Preußenkönig Friedrich der Große unterschrieb, seien bis heute erhalten, weiß er.

Verwandtschaft über Kontinente hinweg

Das Recht zur Befischung der Saale konnten die anschließenden Wechsel der Gesellschaftssysteme nichts anhaben. Noch heute gibt es die Nachfahren der Fischereibruderschaft, die die Rechte wahrnehmen und sie weiter verpachten. Inzwischen, meint Bürgermeister Sven Hause, sei es wieder ganz lukrativ in der Saale zu angeln. Er sehe regelmäßig, wie Angler große Fische aus dem Fluss ziehen, beschreibt er bei dem Besuch der Familie. Allerdings dürfte es im 15. Jahrhundert, als die Fangtechniken noch nicht so ausgeklügelt waren, vor Fischen in dem Fluss nur so gewimmelt haben.

Nach dem Besuch im Rathaus geht es in die benachbarte Heimatstube. Hier wartet Uwe Klamm bereits auf die Familie und hat sich entsprechend vorbereitet. Einen Film sehen hier die Besucher über die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges in der Region. Damals waren viele Amerikaner in Calbe. Sie zogen sich nach der Kapitulation aber bald zurück und überließen der Roten Armee die Region. So hatten es die Siegermächte vereinbart.

Einen Streifzug machen die Besucher noch durch die Kleinstadt und schauen sich das noch existierende Haus der Vorfahren an. Warum sein Großvater damals kurz nach der Jahrhundertwende die Kleinstadt verließ und nach Amerika ausgewandert ist, sei nicht so genau bekannt, schildert der Enkel. Er habe die ungezügelte Freiheit genießen wollen, sagt er. Schon damals war Amerika für viele das große Sehnsuchtsland. Wer den Mut aufbrachte und es sich leisten konnte, wagte den Schritt und brach die Verbindung zu Hause für eine ungewisse Zukunft voller Verheißungen ab.

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Für den Großvater hatte sich das Wagnis gelohnt. Er fasste Fuß und gründete dort eine Familie. Sie hat nun bei ihrem Besuch in der Kleinstadt erfahren, dass sie eigentlich Teil einer noch viel größeren Familiengemeinschaft ist. Und wenn das zarte Band der ersten Kontakte nicht abreißt, treffen sie sich vielleicht in einigen Jahren mit den anderen Nachfahren der Fischer aus Calbe, die in Amerika ihr Glück versuchten und dort jede Menge Nachfahren haben. Steffen Held schwärmt noch immer von dem großen Familientreffen und den Eindrücken dort. Hier lebt der Name der einstigen Calbenser Fischer immer weiter und gerät nicht in Vergessenheit, kennt er die Bedeutung.