Krankenhaus Alte Idee im neuen Mantel
Ameos stellt Umstrukturierungspläne für Krankenhaus Staßfurt vor. Leerstehende Bereiche sollen neu belebt, andere umgesiedelt werden.
Staßfurt l Der Schleier der Harmonie hat sich dann perfekt um die Gemüter gelegt, wenn der Chef selbst herumgeht und Kaffee eingießt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel soll ja – so erzählt man es sich – bei Terminen zuweilen ihren Gästen den Kaffee selbst einschenken. Ob Lars Timm diese Charmingoffensive im Sinn hatte, als er in der Cafeteria des Staßfurter Krankenhauses umherging, ist nicht überliefert. Aber ja, auch der Regionalgeschäftsführer von Ameos Ost ging herum und goss all jenen Gästen in der Runde zu später Stunde neu ein, die keinen Kaffee mehr in der Tasse hatten. Wie nett.
Die Arbeitsgruppe Ameos hatte nach dreieinhalb Monaten wieder getagt. Eigentlich sollte es bei lose stattfindenden Runden mit dem Oberbürgermeister und den Fraktionen des Stadtrats mal darum gehen, darüber zu beraten, wie es mit dem Krankenhaus nach der endgültigen Schließung der Notaufnahme im Sommer weitergehen soll. Alle wollten sich stark machen für Staßfurt.
Die Realität ist: Es ist wohl nichts zu machen. „Ich bin kommunalpolitisch schachmatt. Ich gebe mich geschlagen“, sagte Ralf-Peter Schmidt (UBvS) nun. Weil in Staßfurt laut neuem Gesetz die Voraussetzungen für eine Notaufnahme nicht mehr gegeben sind, musste diese geschlossen werden. Ameos schlug vor, dass die Stadt Staßfurt selbst eine GmbH gründet, um eine Abteilung für Chirurgie zu betreiben. Schon im Spätsommer hatte Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD) verkündet, dass das unmöglich sei. Nun sagte er: „Das ist kein Vorschlag, der annähernd umsetzbar ist.“
Politisch kampferprobt ist aber Bianca Görke (Linke). Diese unternahm einen vielleicht letzten Versuch, sich für eine Notaufnahme stark zu machen. „Als die Klinik damals an Ameos verkauft wurde, gab es ein Versprechen. Wir wollten ein voll funktionsfähiges Krankenhaus mit Grundversorgung. Dafür sind die Leute auf die Straße gegangen. Jetzt versuchen Sie uns eine Poliklinik schmackhaft zu machen. Das halte ich nicht für richtig.“
„Es gibt Rahmenbedingungen, die sich geändert haben. Damit müssen wir klar kommen. Die Standorte der Krankenhäuser sollen minimiert werden, das ist der bundespolitische Wille. Wir wollen eine Insolvenz wie im Burgenlandkreis vermeiden. Wir wollen keinen Reibach machen, aber auch nicht zuschießen“, sagte Lars Timm. Er wies darauf hin, dass der Salzlandkreis in seiner Größe mit vier Klinikstandorten sehr gut versorgt sei.
Fazit: Eine Notaufnahme wird nicht wiederkommen. Ameos konzentrierte sich daher bei der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft auf den zweiten Punkt der Tagesordnung: Die Vision Poliklinik. Dazu hatte Florian Dietrich, stellvertretender Krankenhausdirektor des Klinikums Aschersleben/Staßfurt, eine Präsentation vorgestellt. Worum geht‘s? „Wir sind ein Fachkrankenhaus mit bewusst gewählten Fachabteilungen. Darauf können wir stolz sein“, sagte Dietrich. Nun soll ein Fachkrankenhaus mit poliklinischen Strukturen entstehen. Auf die Geratrie, die Geriatrische Tagesklinik und die Palliativ- und Schmerzmedizin soll mehr Wert gelegt werden. Hier soll ausgebaut werden.
Aktuell gibt es 80 Betten in der Geriatrie, eine Erweiterung auf 120 Betten ist geplant. Die Geriatrische Tagesklinik soll von zehn auf 20 Plätze ausgebaut werden. In der Schmerztherapie gibt es zwei Schmerzgruppen mit je acht Patienten. Der Aufbau einer zusätzlichen Schmerzgruppe ist geplant. In der Palliativmedizin gibt es derzeit vier Plätze. Auch hier soll aufgestockt werden.
Im Haupthaus soll neues Leben einziehen. Im Hauptflügel soll im zweiten Obergeschoss die Geriatrische Tagesklinik erweitert werden. In der gleichen Etage soll im Haupthaus das Zentrum für Physio- und Ergotherapie angesiedelt werden. Das befindet sich derzeit in einem Nebengebäude. Das erste Obergeschoss steht derzeit komplett leer. Hier sollen die Praxen für die Poliklinik entstehen. Sechs bis acht Praxen sind möglich. Zwei Fachabteilungen sind nötig, damit sich das Krankenhaus Poliklinik auf die Fahnen schreiben darf. „Wir hatten bereits sehr gute Gespräche“, erklärt Dietrich.
In der unmittelbaren Umgebung hat sich Ameos auf die Suche gemacht. Es gebe positive Signale. „Bei einigen Ärzten sind die Räumlichkeiten teilweise in die Jahre gekommen. Am neuen Standort im Krankenhaus könnte sich ein Arzt neu verwirklichen. Das hätte er in der alten Praxis nicht mehr gemacht“, so Dietrich. Noch sind es lose Gespräche. „Die Ärzte haben natürlich Mitspracherecht. Sie müssen sagen, was sie brauchen.“ Aber schon 2020 könnten aus Ideen Umsetzungen werden. Gerade von älteren Ärzten sollen dabei Arztsitze aufgekauft werden. Diese wechseln dann ins Angestelltenverhältnis am Krankenhaus. Ameos kümmert sich dann um einen Nachfolger.
Parallel bemüht sich Ameos auch angehende Ärzte für Staßfurt zu begeistern. So hat Ameos für ein Staßfurt-Stipendium eine Medizinerin im Auge, die im Mai 2020 ihre Facharztprüfung ablegt. Im Dezember will Ameos mit ihr konkret ins Gespräch gehen. „Die Mediziner, die nach Staßfurt kommen wollen, müssen wir in Watte packen. Das ist nicht selbstverständlich“, sagt Dietrich.
„Ich finde es außerordentlich schön, dass sie die Hand ins Feuer legen für Staßfurt“, sagte Frank Rögner (SPD). „Das ist ein Blick in die Zukunft. Diese Chance müssen wir ergreifen.“ Lob gab es auch von Peter Rotter (CDU). „Die Geriatrie ist außerordentlich wichtig. Das ist ein hehres Ziel, sich dafür einzusetzen. Die Palliativmedizin ist ein wenig ein Stiefkind. Aber auch das ist wichtig. Das ist insgesamt ein Gewinn für unsere Region.“
Christine Fischmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, hatte dazu noch zwei Vorschläge. „Ich habe zwei Visionen“, sagte sie. „Ich wünsche mir, dass Busse des öffentlichen Personennahverkehrs direkt vor dem Krankenhaus halten und dort ihre Schleife drehen. Zudem wünsche ich mir einen Ort im Krankenhaus mit flexiblen Öffnungszeiten, wo Kinder von Angestellten betreut werden.“ Ein Betreuungsmodell also, wie es das schon zu DDR-Zeiten gab. So wie schon die Poliklinik. Altbewährtes eben, das nicht an Aktualität verloren hat.