Testzentrum Arzt: „Die Lage ist sehr ernst“
Aufgrund steigender Infektionszahlen haben Dr. Norbert Jahn und Kollegen am Mittwoch das Testzentrum Aschersleben wieder geöffnet.
Aschersleben/Staßfurt/Güsten l Ein Mann, der am Fenster des Ascherslebener Testzentrums steht, berichtet von einer Reise ins Ausland. Hinter ihm wartet nur seine Frau, die sich beim Team im Schutzanzug fast entschuldigt: Sie wollte ja keine Mühe machen, aber ihr Mann habe ja auf den Test gedrungen. Bald stellen sich zwei ältere Herren in die Schlange auf dem großen Hof des Obdachlosenheims in der Güstener Straße 11 und rätseln darüber, ob man sich am Einkaufswagen im Supermarkt anstecken kann.
Fünf Personen kommen am Mittwochnachmittag in der ersten Stunde zum Corona-Test nach Aschersleben. An diesem Tag öffnet Dr. Norbert Jahn das Testzentrum erstmals wieder. „Unter uns Kollegen sind wir zu der Entscheidung gekommen, um das Risiko von Ansteckungen in den Wartezimmern der Arztpraxen zu minimieren“, erklärt er. Der Internist mit Praxis in Aschersleben hat 15 weitere Kollegen samt Schwestern, mit denen er das Testzentrum freiwillig betreibt, unterstützt von der Stadt und der Kassenärztlichen Vereinigung. Einzugsbereiche können Aschersleben, Staßfurt, Seeland, Güsten sein.
Wie schon bei der Frühjahrswelle, wo hier von März bis Juni bis zu 60 Personen am Tag Schlange standen, funktioniert das Ascherslebener Testzentrum nur per Anmeldung: „Nur der Arzt kann entscheiden, ob eine Test notwendig ist“, sagt Dr. Jahn. Die Hausärzte faxen ein Anmeldeformular ans Testzentrum und schicken den Patienten vorbei. „Nur so ist es sinnvoll. Auch laut Robert-Koch-Institut machen flächendeckende Tests keinen Sinn.“ Die Kriterien – grippeähnliche Symptome, Kontakt zu Infizierten – sind klar definiert.
Dennoch kann der Arzt die Sorgen der Menschen, die aktuell etwa im Testzentrum Bernburg für Andrang sorgen, verstehen: „Man kann das dem Laien nicht vorwerfen.“ Zumal Grippe- und Erkältungszeit sei.
Generell kann Dr. Jahn keine falschen Hoffnungen verbreiten: „Die Lage ist sehr ernst und bedrohlich. Es muss sich zeigen, wie gut wir durch die zweite Welle kommen.“ Eine Verlangsamung des Infektionsgeschehen durch den Lockdown light hält er für richtig: „Ich verstehe die Kritik an den Einschränkungen. Wir brauchen den Griechen um die Ecke, die Schnitzelbude und die Künstler auf der Bühne. Aber im Moment ist es aus medizinischer Sicht gut zu verzichten.“ Die Existenz des Virus zu leugnen und die Verschwörungstheorien könne er absolut nicht nachvollziehen. „Woher wollen diese Menschen es besser wissen als die Mediziner?“
Mittlerweile ist das Team im Testzentrum gut eingespielt, sagt auch Schwester Ellen Selent: „Wir haben Erfahrungen gesammelt und gehen routinierter vor.“ Ausrüstung kommt von der Kassenärztlichen Vereinigung. „Wir tragen ja auch in der Praxis seit März Schutzausrüstung“, erzählt sie und schmunzelt: „Wenn ich keine Maske habe, fehlt mir schon irgendwie etwas.“
Das Testzentrum in Aschersleben besteht aus zwei Räumen des städtischen Obdachlosenheims. Am ersten geöffneten Fenster fragt Dr. Jahn nach Gründen für den Test, Symptomen, auch ob das Ergebnis auf die bundesweite Corona-Warn-App übertragen werden soll. An Fenster Nummer 2 stehen Schwestern wie Ellen Selent und machen den Test.
„Wer mit dem Abstrich tief im Rachen nicht zurecht kommt, kann übrigens auch gurgeln“, erklärt die Schwester. Das Rachenspülwasser wird nach ein paar Sekunden in einen Becher gespukt, aus dem die Schwester dann die Lösung in ein Röhrchen fürs Labor zieht.
Aus Aschersleben werden die Proben jeden Tag in ein freies Labor nach Dessau gebracht. Neuerdings können Getestete ihr Ergebnis am nächsten Tag online über eine Labornummer einsehen. Positive Testergebnisse werden dem Gesundheitsamt gemeldet.