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Familiengeschichte Auf den Spuren der Ahnen

Ein Dänemarke geht in Staßfurt auf die Suche nach Spuren seiner Ahnen.

Von Daniel Wrüske 25.07.2015, 13:52

Staßfurt l Irgendwann fragte Pernille Naumann ihren Mann Peter einmal, wie eigentlich die Namen seiner Großeltern sind. Er konnte nur mit den Schultern zucken. Pernilles Familie ist in ihrer Geschichte gut erkundet. Doch von Peters Leuten waren, wenn überhaupt, nur Bruchstücke bekannt. Das meiste lag für das in Kopenhagen lebende Paar ziemlich im Dunkel.

Bei der Frage allein blieb es nicht. Die Naumanns wollten tiefer in die Geschichte ihrer Ahnen eintauchen, wollten Peters Eltern, Großeltern und Urgroßeltern auf die Spur kommen. „Für uns begann eine Zeit des Stöberns und Suchens“, sagt Pernille Naumann. Eine abenteuerliche Reise, die das Paar wie in einen Bann zog. „Wenn man einmal angefangen hat und kleine Erfolge verbucht, dann will man nicht mehr aufhören.“

Besonders die Geschichte von Peters Vater interessierte die Naumanns. Ihr Forschergeist führte sie nach Staßfurt, weil Karl Wilhelm Naumann 1907 in Leopoldshall das Licht der Welt erblickte. „Er hat seine Kindheit hier verbracht und lebte in der heutigen Kalkstraße 8, damals Leopoldstraße.“ Es gibt Fotos, auf denen Familienmitglieder vor der roten Backsteinfassade des Hauses stehen, mitten im grasgrünen Garten. Eine Idylle, die den Naumanns nicht lange gegönnt blieb. Denn die Nöte des Ersten Weltkrieges zwangen die Familie im Jahr 1917, die Heimat zu verlassen und nach Dänemark zu gehen, von wo Karl Wilhelms Mutter stammte. „Die Familie litt Hunger. Karl Wilhelms Vater war Eisenbahner. Es wird berichtet, dass er im Dienst Hasen schoss, um seine Familie ernähren zu können“, berichtet Pernille Naumann und kann so nur andeuten, welche Entbehrungen die Familie durch die Kriegswirren hatte.

Nach Leopoldshall ist Karl Wilhelm nie wieder richtig zurückgekehrt. Zwar verbrachte er Urlaube hier, ein Bild zeigt ihn 1931 im Strandsolbad. Doch den jungen Mann packte die Abenteuerlust. Mit 19 Jahren ging er nach Argentinien, wo er auf einer Zuckerplantage arbeitete. Während des Zweiten Weltkrieges stand er auf der Seite der Deutschen und war Soldat bei der Luftwaffe. Am Ende des Krieges wurde er gefangen genommen und kam in ein russisches Lager südlich von Stalingrad. Zum zweiten Mal hatte der Krieg den Mann, seine Familie, geprägt. Dieses Mal noch schwerer. „Karl Wilhelm wurde im Krieg verwundet. Er erlitt einen Bauchschuss als seine Truppe angegriffen und beschossen wurde.“ Dass er als Einziger überlebte und die Erfahrungen von anderer Gewalt sollten Karl Wilhelm bis zu seinem Lebensende begleiten.

Er nahm, nach einem kurzen Zwischenstopp in Flensburg und wieder nach Kopenhagen zurückgekehrt, eine Arbeit auf und führte Reinigung und Schneiderei im Familienbesitz weiter. Auch gründete er eine Familie. Und gab sich durchaus gesellschaftsfähig. Peter Naumann, geboren 1959, erinnert sich zum Beispiel an die große Gastfreundschaft seines Vaters. Das Haus stand immer allen offen. Er sagt, dass Karl Wilhelm so etwas wie ein „Lebemann“ gewesen sei. „Er hatte gern Menschen um sich, lud Freunde ein und liebte es, sie zu unterhalten.“ Fassade? Sein Inneres beschwerten die Erinnerungen an den Krieg. Oft sei er nachts schweißgebadet aufgewacht, wenn Albträume ihn plagten. Das alles zu verarbeiten, gelang im nicht. Karl Wilhelm Naumann setzte 1977 seinem Leben selbst ein Ende.

Seine Spur zu verfolgen, ist in Dänemark einfach. Die Familie lebt dort, es gibt Nachfahren. „Wenn man forscht, dann gelingt das gut. Weil zum Beispiel sämtliche Kirchenbücher digitalisiert und im Internet einsehbar sind“, sagt Pernille Naumann. Doch die Staßfurter Zeit des (Schwieger-) Vaters liegt für das Paar noch völlig im Dunkeln. Vor drei Jahren kamen die Naumanns zum ersten Mal in die Salzstadt. „Wir suchen nach Fußspuren, die unser Vater hinterlassen hat. Nach Leuten, die ihn kennen, oder die uns etwas zu unserer Familiengeschichte sagen können“, sagt Peter Naumann. Möglicherweise erkenne sich jemand auf den alten Fotos oder könne etwas mit dem Namen anfangen. „Das wäre amüsant“, meint Pernille. Das Paar hat sich mit seinen Kindern Carl und Edith jetzt wieder auf den Weg gemacht und war dieser Tage in Staßfurt. Hier hätten die Naumanns viel Hilfe von den Kirchen, dem Rathaus und dem Archiv erhalten, berichten sie dankbar. „Jede noch so kleine Information bringt uns weiter“, sagt Pernille Naumann, und ihre Augen funkeln wieder voller Neugier. „Es ist wie ein Puzzle, das man nach und nach zusammenfügt.“ Und keine Frage nach Vater oder Großeltern soll jemals wieder offen bleiben ...

Peter Naumann und seine Familie hoffen, dass jemand Vater Karl Wilhelm „Kalli“ Naumann kennt. Er hatte zwei Geschwister, Johanne Concordia (genannt Hännchen) und Erhard. Die Familie ist per Mail peter@naumann.dk und Telefon (0045) 40 16 21 22 erreichbar.