Seit über 50 Jahren ist der Unseburger Fan der großen und kleinen Eisenbahnwelt Bernd Kasten aus Unseburg schafft sich seine eigene kleine Welt im Miniaturformat
Wo bei einigen Leuten Dinge lagern, die sie nur noch selten oder gar nicht mehr brauchen, drehen bei Bernd Kasten Lokomotiven ihre Runden. Auf dem Dachboden hat der Unseburger eine Modellbahnanlage aufgebaut. Seit knapp 30 Jahren betreibt er diese nun schon.
Unseburg l Als Kind wollte Bernd Kasten Lokomotivführer werden. Das Interesse an den großen Gefährten auf den Schienen war groß. Dampflokomotiven und Elektroloks hatten es dem Unseburger schon frühzeitig angetan. Aus dem Berufswunsch wurde leider nichts. Doch bis heute hat Bernd Kasten seine Begeisterung für die Eisenbahn nicht verloren. Heute schlüpft er ab und zu aber doch in die Rolle eines Lokführers. Wenn auch in Miniaturformat. Denn Bernd Kasten hat sich seine eigene Eisenbahn-Welt geschaffen. Auf rund 15 Metern Länge und gut fünf Metern Breite fahren auf seinem Dachboden Züge verschiedener Baureihen im Maßstab 1:87.
1953 bekam Bernd Kasten seine erste kleine Lok. Er weiß es noch, als sei es gestern gewesen. "Ich drückte mir immer an den Schaufenstern die Nase platt. Ich konnte an den Modelleisenbahnen einfach nicht vorbei gehen", erinnert sich der Unseburger. Die Faszination war groß. Das merkte auch schnell seine Mutter. "Sie hat mir dann meine erste Lokomotive gekauft. Es war eine E44 der Firma Piko. Also eine E-Lok. Um sie bezahlen zu können, zog meine Mutter extra ein Schwein groß. Das war 1953", erklärt Bernd Kasten und wirkt nachdenklich. Die Lok hat er heute noch. Sie hat einen Ehrenplatz in der Vitrine. So etwas gibt man nicht weg.
Dachboden ist Paradies für Modellbahnfreunde
Die ersten Runden mit seiner Modelleisenbahn drehte Bernd Kasten damals noch in der elterlichen Wohnstube. Stundenlang saß er am Regler, drehte den Strom auf und schaute der Lok zu, wie sie über die Schienen ratterte. Dann wurde es ruhiger um die Modellbahnleidenschaft. "Die Sturm- und Drangzeit", lacht Bernd Kasten. Das Interesse an anderen Sachen war größer.
Doch schon bald packte es ihn wieder. "In den 70er Jahren fing ich dann richtig an zu bauen", erinnert sich der Unseburger. Für seine Modellbahn hat er extra auf dem Hof einen Dachboden gebaut. Eine steile eiserne Treppe führt heute in die Räume. Hinter einer Tür versteckt sich ein richtiges Paradies für Modelleisenbahnfreunde.
Zu der ersten Lok gesellten sich immer mehr Fahrzeuge dazu. Auch Häuser, Bahnsteige und kleine Figuren wurden gekauft. "Das Geld, was ich damals nebenbei verdient habe, habe ich immer wieder in meine Modellbahnanlage gesteckt", lacht Bernd Kasten, während er den Lichtschalter auf seinem Dachboden bedient.
Zu DDR-Zeiten war es gar nicht so einfach, an Lokomotiven und die anderen Modellbahnartikel ran zu kommen. "Vor den Läden bildeten sich oft sehr lange Schlangen. Nur wer Beziehungen hatte, bekam auch das, was er wollte", erinnert er sich. Seine Anlage wurde immer größer. Auch in seinem Sohn erwachte dann das Modellbaufieber. So saßen Vater und Sohn oft stundenlang auf dem Dachboden. Bauten Häuser zusammen, verlegten Schienen, platzierten die Menschen an die richtigen Stellen. "Dabei merkt man ja gar nicht, wie die Zeit vergeht. Schnell sind da mal ein bis zwei Stunden weg und man hat es gar nicht gespürt", erklärt Bernd Kasten.
Windrad ist das Lieblingsstück des Enkels
"Schauen Sie ruhig", sagt der Unseburger und drückt Knöpfe an einem großen Schaltpult. Es beginnt zu blinken und zu knattern. Erst jetzt wird das ganze Ausmaß der Anlage deutlich. Ein Schwimmbad, ein Rummelplatz, eine Sägemühle, ein Windrad - nach und nach beginnt man erst die vielen Details auf der Anlage zu sehen. Dann rollt ein ICE vorbei, im Bahnhof wartet eine Dampflok auf die Ausfahrt.
Bernd Kasten bekommt ein Glitzern in den Augen. Ihn freut es, wenn sich auf der Anlage alles bewegt. "Das ist das Lieblingsstück meines Enkels. Wenn Nicolas hier her kommt, macht er dies zuerst an", sagt Bernd Kasten und deutet auf ein Windrad, dass sich oben auf einem Berg dreht. Nur wenige Zentimeter daneben hat Bernd Kasten einen Unfall nachgestellt. Rettungshubschrauber, Polizei und Krankenwagen sind bereits vor Ort. Die Rundumleuchten der Einsatzfahrzeuge stehen nicht still.
Bei jedem Blick entdeckt man immer wieder etwas Neues. Wie viel Zeit Bernd Kasten in den Aufbau seiner eigenen kleinen Welt investiert hat, hat er nicht gezählt. Möchte er auch nicht. Das ist ihm nicht wichtig. Viel wichtiger ist das Endresultat. "Wie viel Meter Schienen hier liegen? Ich habe keine Ahnung. Der Raum ist 15 Meter lang. Ich weiß aber, dass ich über 100 Weichen verbaut habe", lacht der Unseburger und drückt einen Knopf, damit sich das Riesenrad auf dem Rummelplatz wieder dreht.
Einige seiner Häuser stammen noch aus DDR-Zeiten. Andere hat er schon wieder gegen neuere Modelle ausgetauscht. "Es gibt ja so viel heute auf dem Markt. Aber das kann man ja fast gar nicht mehr bezahlen", erklärt Bernd Kasten, warum er lieber auf Marke "Eigenbau" setzt. Da werden schon einmal größere Häuser zu Fabriken umgebaut, aus Zigarrenröhrchen werden Behältnisse für ein Silo, oder aus einer alten Antenne die Beladung für die Waggons. Bernd Kasten hebt alles auf. Mittlerweile hat sich seine kleine Werkstatt neben der Modellbahnanlage in ein kleines Lager für allerhand Ersatzteile verwandelt. "Es gibt doch immer etwas zu tun. Ich bin gerade dabei, alle Häuser mit neuen Lämpchen zu versehen. Ich habe mehr als 350 Birnen in den Gebäuden", überschlägt der Unseburger ihre Zahl grob.
Wenn es um das Detail geht, ist die Frau der Ansprechpartner
Jetzt, wo die kalte Jahreszeit beginnt, wird Bernd Kasten wieder häufiger zum Lokomotivführer auf seiner "kleinen" Eisenbahnstrecke. Doch was sagt eigentlich seine Frau dazu: "Die hilft mir sogar. Wenn es um die Details geht, ist meine Frau die richtige Ansprechpartnerin. Sie setzt die Figuren und denkt sich immer neue Szenen aus", lacht Bernd Kasten und zeigt ein Liebespärchen auf der Parkbank.
Der ICE dreht weiter seine Runden. Und schon jetzt hat Bernd Kasten weitere Ideen, um seine eigene kleine Welt auf Schienen zu erweitern.