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Bernburg Corona-Testzentrum: Positiv überrascht

In zwei Wochen wurden im neuen Corona-Testzentrum in Bernburg 864 Personen getestet, zwei davon waren positiv.

Von Franziska Richter 31.03.2020, 01:01

Bernburg l Am Tor des Geländes zum Gesundheitsamt sind Ordner mit Atemschutz positioniert. Vor der Thomas-Müntzer-Straße 41 in Bernburg wartet eine Viertelstunde vor der Öffnung um 15 Uhr schon ein Dutzend Menschen auf den Einlass.

Vor zwei Wochen wurde das Corona-Testzentrum aus der Taufe gehoben. „Die Salzlandkreisverwaltung muss so ein Testzentrum vorhalten. Wir von Ameos wollten uns beteiligen, weil wir es wichtig finden und die technischen Voraussetzungen und das Know How haben“, erklärt Dr. Wolfram Woltersdorf. Der Leiter der Labordiagnostik und seine Kollegen von Ameos haben das Testzentrum gemeinsam mit der Salzlandkreisverwaltung aufgebaut. Auch in Egeln, Aschersleben oder Schönebeck basieren die Testzentren auf der freiwilligen Initiative von Kliniken oder einzelnen Ärzten.

Nach dem Einlass bildet sich über den Hof bis hinunter zur Turnhalle eine Schlange. Absperrband weist den Menschen den Weg. „Wir nutzen den Hof bewusst, um die Personen voreinander zu schützen, damit sie nicht in einem geschlossenen Raum zusammen warten müssen“, erklärt der Diagnostik-Leiter. Als Ordner für Einlass und Abstandskontrolle sind Mitarbeiter der Verwaltung und Freiwillige vom Arbeiter-Samariter-Bund eingesetzt.

Den Abstand von zwei Metern halten alle ein. Dr. Wolfram Woltersdorf ist beeindruckt: „Die Leute sind sehr diszipliniert. Man muss nur selten eingreifen. Selbst Familien mit kleinen Kindern haben geduldig gewartet.“ Als das Testzentrum neu war, betrug die Wartezeit bis zu einer Stunde. Heute sind es 30 bis 45 Minuten.

In der ersten Woche war der Ansturm groß. Um die 100 Menschen kamen in den drei Stunden, die täglich von 15 bis 18 Uhr angeboten werden. „Wir mussten unseren Rhythmus erst finden. Das ist gelungen, sodass wir jetzt 50 bis 60 Leute pro Stunde schaffen könnten“, erklärt Dr. Woltersdorf. In den ersten zwei Wochen wurden in Bernburg 864 Menschen getestet, darunter zwei Positive (17. bis 27. März).

Die Schlange am Absperrband führt in die Turnhalle. Tritt man ein, muss man sich als erstes die Hände desinfizieren. Durch die Abstandsregelung sind nie mehr als zehn Personen im Gebäude. Fünf Freiwillige arbeiten im Testzentrum. Ameos stellt Krankenschwestern und Sprechstundenhilfen für das Einlesen der Chipkarte am Laptop und für den Abstrich zur Verfügung. „Wir haben intern angefragt, wer helfen möchte und verfügen über einen großen Pool an motivierten Mitarbeitern“, so Dr. Woltersdorf.

„Es kommen tatsächlich nur Menschen, die die Voraussetzungen für einen Test erfüllen“, erklärt der Diagnostik-Leiter. Das Vorurteil, dass sich die Menschen panikartig ohne Anlass testen lassen, kann man in Bernburg nicht bestätigen. „Wir sind positiv überrascht. Viele belesen sich vorher und schätzen sich selbst ein, das passiert sehr differenziert“, meint der Arzt. Dazu halten fast alle Rücksprache mit ihrem Hausarzt und kommen dann auf dessen Empfehlung.

Voraussetzung für einen Test in Bernburg sind aktuell grippeähnliche Symptome oder Kontakt mit einer infizierten Person. Letzte Woche war ein weiteres Kriterium, der Aufenthalt in einem Risikogebiet, als Voraussetzung weggefallen. Dass zum Beispiel nicht die Kontaktperson einer Kontaktperson eines Infizierten getestet wird, auch wenn der Verdacht einer Infektion besteht, sei zwar diskutabel, aber „vor allem eine Ressourcenfrage“, so Dr. Woltersdorf.

Tatsächlich kommen vor allem Menschen ins Testzentrum, die Kontakt zu Infizierten hatten, also eine reale Chance einer Ansteckung bestand. Bei vielen Positiv-Getesteten sind solche Verbindungen im Nachhinein abzulesen. Wenn es innerhalb der Familie oder dem engsten Kreis solche Kontakte gab, finden sich die nächsten Infizierten oft im selben sozialen Umfeld wieder. Es bilden sich Personenkreise, Gruppen und Familien, die das Virus in sich tragen.

„Das Gesundheitsamt versucht anhand der Infizierten dann weitere Gefährdete in diesem Personenkreisen, also Kohorten, auszumachen. Es geht darum, Verbindungen unter den Menschen nachzuvollziehen“, erklärt Dr. Woltersdorf. Zum Beispiel hatten größere Familienfeiern dieser Tage zu weiteren Infektionen geführt. Aber auch Nachbarn oder Pflegepersonal können sich leicht anstecken.

Im Umkehrschluss heißt dass, das Ansteckungen durch kurze soziale Kontakte, zum Beispiel über Fremde im Supermarkt, seltener registriert werden. Ob sie existieren oder nicht, ist eine andere Frage. Durch das Kontaktverbot soll Letzteres aber aktuell ausgeschlossen werden.

Das Testzentrum mit seinem Labor ist verpflichtet, die Positiv-Getesteten an das Gesundheitsamt zu übermitteln, das von Amtswegen her zuständig ist. Das passiert auch bei allen anderen meldepflichtigen Krankheiten wie Masern, Mumps oder Röteln (Infektionsschutzgesetz). Die meisten Getesteten lassen das Ergebnis zusätzlich per Fax an ihren Hausarzt übermitteln.

Für die Negativ-Getesteten gilt: „Arbeitgeber wollen vermehrt auch die Negativ-Befunde haben, ebenso Altenheime“, so Dr. Woltersdorf. „Daher haben wir uns bei Ameos dazu entschieden, den Getesteten auch einen Negativbefund per Post oder E-Mail zu übermitteln.“ Eine Rechtsgrundlage dafür, dass man als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber einen Negativbefund vorhalten muss, gibt es bisher bundesweit nicht.

„Wir werden in Zukunft, denke ich, mehr und mehr Menschen ohne Symptome testen“, meint der Diagnostik-Chef. Eine Pauschal-Testung der ganzen Bevölkerung werde nicht leistbar und seiner Meinung nach auch nicht notwendig sein. „Ich vermute aber, dass wir demnächst dazu übergehen werden müssen, bestimmte Personengruppen regelmäßig zu testen, sprich Kassiererinnen, Pflegerinnen oder Ärzte, die oft Kontakt mit vielen Menschen haben.“

Bundesweit geht die Tendenz in die Richtung, trotz Corona-Infektion weiterzuarbeiten. Das betrifft in anderen Bundesländern schon infiziertes medizinisches Personal, das mit Schutzausrüstung arbeitet, weil es in den Kliniken unersetzbar ist. „Positiv-Getestete können sich in gesundheitlich gutem Zustand befinden und mit Obacht, also einer Maske, weiter arbeiten, sprich mit Corona leben“, sagt der Leiter der Labordiagnostik.

Sinn und Zweck aller Testzentren ist es, Hausarztpraxen und Krankenhäuser zu entlasten, personell und vom Materialverbrauch her. „Wenn eine Hausarztpraxis hier und da mal einen Patienten testen muss, braucht sie jedes Mal eine neue Schutzausrüstung. Wir brauchen im Testzentrum bei fünf Mitarbeitern auch nur fünf Schutzausrüstungen am Tag.“ Das Bernburger Testzentrum wird über die Ameos-Gruppe mit ausreichend Anzügen, Brillen, Mundschutz und Handschuhen beliefert.

Wichtiger Faktor für das Testzentrum war es, dass die Bürokratie nicht das ganze Projekt lahmlegt, dass also keine Papierberge entstehen und Patientenakten vielleicht noch neu angelegt werden müssen. „Hätten wir unsere digitale Computer-Technik nicht, hätten wir Dreiviertel weniger Menschen testen können“, so Dr. Woltersdorf.

Die Technik funktioniert so: Die Schwestern lesen die Krankenkassen-Chipkarte am Laptop ein. Dem Formular, das die Patienten vorher ausgefüllt haben, entnehmen die Schwestern zwei weitere Informationen, die nicht auf der Chipkarte sind: Wer aktuell der Hausarzt ist und eine Handynummer oder Email-Adresse des Patienten, damit er später kontaktiert werden kann. Am Laptop der Schwestern wird dann der Auftrag für den Covid-Test generiert und ein Barcode ausgedruckt. Der Barcode enthält nun alle Informationen zum Patienten und wird auf das Röhrchen für den Abstrich geklebt, mit dem der Patient zur nächsten Station geht. Sind die Proben, die stündlich abgeholt werden, dann im Labor, müssen sie nur über den Barcode eingescannt werden, und auch dort entstehen keine Papierberge.

Fazit über die letzten zwei Wochen im Testzentrum Bernburg: Nach einer Findungsphase läuft es richtig professionell. Dr. Woltersdorf sagt: „Wir sind guter Dinge und könnten die Testfrequenz noch erhöhen, falls das nötig wird. Auch unser Krankenhaus ist gewappnet für eventuelle Fälle.“