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Gut Hohenerxleben Das Ende einer Hofladen-Ära

Eine Vielzahl treuer Kunden mussten jetzt traurig zur Kenntnis nehmen: Die Tage des Hofladens sind gezählt.

Von Falk Rockmann 04.03.2016, 15:35

Hohenerxleben l „2 x Gehacktes groß, 1 Bratwurst, 1 Glas Leberwurst für Christel – 3 x Gehacktes groß, 2 Bratwürste, 1 x Pottsuse Conny, 3 x Gehacktes groß, 3 Bratwürste für ...“ Die Einkaufsliste mit meinen und den Wünschen meiner Kollegen ist meist viel länger, wenn ich dienstags oder donnerstags auf dem Weg nach Hohenerxleben bin. Ziel: Der Hofladen von Familie Klein. Meist hat sich die Schlange davor schon aufgelöst. Wer was Besonderes wie Wellfleisch oder Rippchen will, muss sich vor der Öffnungszeit einfinden. Eine Hausschlachterei kann eben nur das verarbeiten, was ein Schwein hergibt. Die Kunden wissen das.

Seit 18 Jahren ist das so. Nun also sind die Tage des Hofladens gezählt. Es gibt kaum Kunden, die Mitteilung an der Eingangstür nicht voller Traurigkeit aufgenommen haben: Am Gründonnerstag öffnet der Hofladen das letzte Mal.

Das Ehepaar Hädermann aus Güsten bemerkt im Verkaufsraum: „So lange wie es den Hofladen gibt, sind wir treue Kunden – und das fast jede Woche.“ Als das Imbiss-Café noch geöffnet hatte, sei auch das immer ein schöner Zwischenstopp auf ihren Radtouren gewesen, erinnern sich die Güstener. Und dann die schönen Schlachtefeste... Es soll noch eine Hausschlachterei in Atzendorf geben, blicken sie vorsichtig nach vorn.

Lauftext

„Ich bedauere die Schließung sehr“, sagt Helga Schäfer. Sie findet es sogar „ärgerlich. Nun gibt es gar kein Geschäft mehr in Hohenerxleben. Hier war wenigstens dienstags und donnerstags noch reges Leben.“

Nicht weniger traurig sind – wie man sich vorstellen kann – die Familie Klein selbst und auch ihre Angestellten. Angefangen der Fleischer: Gerd Strohmeyer gehört quasi seit 18 Jahren zum lebenden Inventar. In dieser Zeit war er nie krank. Zum Verständnis: In der Schlachtesaison hat der Fleischer nicht nur an den Verkaufstagen zu tun. Und: Strohmeyer ist seit einem Jahr Rentner. „Was soll ich auf der Couch? Da wird man krumm und lahm“, erklärt der Neun- dorfer, warum er sich nicht schon zur Ruhe gesetzt hat.

Das fragt sich allerdings Siegfried Klein mit seinen 67 Jahren. Seit der Landwirt den Hof des ehemaligen VEG am 1. Januar 1992 übernommen hatte, kannte er keinen richtigen Urlaub. Mal ein Ausflug mit seiner Rita über ein verlängertes Wochenende – mehr war seit dem nicht drin. Siegfried möchte nun auch etwas ruhiger treten, nicht mehr 365 Tage im Jahr zweimal die Schweine füttern müssen. Verlässliche jüngere Nachfolger haben die Kleins für ihre besondere Sparte jedenfalls nicht gefunden, weder für den Schweinestall noch für das Schlachthaus. Und neben den Altersgründen gibt es zwei weitere.

„Man müsste die Ställe erweitern oder Schweine zukaufen, damit es sich mit mehr Angestellten auch rechnet. Aber das ist dann kein Hofladen mehr, und was anderes wollen wir auch nicht“, erklärt Junior- Chefin Stefanie Klein, „Und selbst wenn wir einen neuen Fleischer finden würden – jeder hat seine eigene Handschrift. Wir wollen uns mit unserem guten Ruf von unserer treuen Kundschaft verabschieden.“

Das machen dieser Tage auch die beiden freundlichen Verkäuferinnen hinter der Wursttheke schweren Herzens. Sabine Schoene wird der Laden fehlen: „Es hat viel Spaß gemacht mit den Leuten die sechs Jahre, die ich hier war.“ Was ihre Zukunft arbeitsmäßig bringt, weiß sie noch nicht. Ihre Kollegin hat mehr Glück. Sie wird auf dem Hof weiterbeschäftigt. Wie übrigens auch die rechte Hand vom Fleischer. Gerhard Müller (60) wird wie bisher im Sommer und nun auch im Winter für die Landwirtschaft und den Reitbetrieb zur Verfügung stehen. Die beiden Bereiche des Guts Hohen-erxleben existieren weiter.